Wenn die Alten Herren auf die Flöte umsatteln

28.10.2018, 06:00 Uhr
Haben sich mit ihrer Rundum-Schelte ganz schön weit aus dem Fenster gelehnt: Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge.

© Sven Hoppe/dpa Haben sich mit ihrer Rundum-Schelte ganz schön weit aus dem Fenster gelehnt: Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge.

Heute: das Grundgesetz, Paragraf 1: Die Würde des Menschen ist unantastbar.

Mit diesem vielleicht wichtigsten deutschen Satz überhaupt haben die Herren Ulrich Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge in ihrer inzwischen schon legendären Medien-Beschimpfungs-Konferenz vor gut einer Woche imaginär herumgewedelt, nur weil der frühere Fußballprofi und heutige Fernseh-Experte Olaf Thon den sündhaft hochbezahlten Fußballspielern Hummels und Boateng Altherren-Niveau bescheinigt hat.

An solchen Geschichten sieht man wieder einmal, in welcher geschlossenen Blase der Profifußball lebt.

Als Schwabach die Bayern schlug

Denn: Wahrscheinlich wissen der Herr Präsident Hoeneß und der Herr Vorstandsvorsitzende der FC Bayern-München-Aktiengesellschaft gar nicht, dass es auch im Altherren-Bereich wirklich schöne sportliche Erfolge zu erringen gibt (SC 04 Schwabach, Bayerischer Meister 2017, im Finale gegen – genau – Bayern München).

Außerdem ist es ja nicht so, dass der frühere FC-Bayern-Spieler Olaf Thon jetzt diesen Vergleich mit, nun ja, etwas reiferen Spielern selbst erfunden hat. Das Copyright darauf hat, man muss es an dieser Stelle genüsslich ausbreiten, der Vorgänger von Uli Hoeneß, der Kaiser, die Lichtgestalt, ja mei, der Beckenbauer Franz halt. "Das ist Uwe-Seeler-Traditionsmannschaft, das war reiner Altherren-Fußball", hatte der Fußballer- (1974) und Trainer-Weltmeister (1990) anno 2001 in einer legendären Wut-Bankett-Rede nach einem 0:3 in der Champions-League in Lyon festgestellt. Im übrigen, ohne dass dem damaligen Bayern-Manager Uli Hoeneß gleich das Grundgesetz dazu eingefallen wäre.

Man muss wissen: Uwe-Seeler-Traditionself, das ist gewissermaßen die Steigerung des Altherren-Fußballs. Denn in den Traditionsmannschaften dürfen in der Regel wirklich nur noch die mitmachen, die man in anderen Teams gar nicht mehr brauchen kann.

Spiel Flöte, nicht Fußball

Franz Beckenbauer wechselte später übrigens die Seite und wurde zu einem der ersten Gurus im deutschen Bezahlfernsehen und damit einer der Vorgänger von Olaf Thon. Als solcher sprang er mit den damaligen Bayern-Spielern ebenfalls wenig zimperlich um (weiter ohne Grundgesetz-Schelte des jetzigen Präsidenten Hoeneß). In Erinnerung bleibt wieder Lyon, 2008, diesmal schon zur Halbzeit: "In der Schülermannschaft hätte man gesagt: Spiel’ Klavier oder Flöte, aber spiel’ nicht Fußball." So hatte der Kaiser das Spiel des deutschen Rekordmeisters vor der staunenden Fußball-Welt analysiert.

Glücklicherweise hat es Olaf Thon zehn Jahre später bei den Alten Herren belassen und auf Beckenbauers Musikschul-Vergleich verzichtet. Uli Hoeneß hätte es dann nämlich nicht mehr mit Paragraf 1 des Grundgesetzes belassen können, sondern mindestens die UN-Menschenrechts-Charta von 1948 aus der Schublade holen müssen.

Apropos Musikschule: Die Schwabacher Adolph-von-Henselt-Musikschule, in der viele begabte junge Leute Klavier und Flöte spielen (und in ihrer Freizeit vermutlich auch noch Fußball), lädt am Montag und am Dienstag zu zwei Tagen der offenen Tür mit tollem Programm ein. Viele Gäste werden erwartet. Nur Mats Hummels und Jèrome Boateng werden nicht kommen können. Sie müssen sich mutmaßlich noch von einem Altherren-Spiel in Mainz erholen.

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