Wo Handwerk tatsächlich noch goldenen Boden hat

5.8.2011, 09:29 Uhr
Wo Handwerk tatsächlich noch goldenen Boden hat

© Scherbel

Der Fraktionsvorsitzende der SPD im Bayerischen Landtag hat die Einladung seiner Fraktionskollegin Helga Schmitt-Bussinger angenommen, sich den besonderen Betrieb in Schwabach anzusehen. Und staunt: „Hier ist wirklich alles Gold, was glänzt“, attestiert er dem Geschäftsführer Christian Scheuring, der die Gäste mit amüsanten Anekdoten und wissenswerten Eigenheiten seines Gewerbes durch seinen Betrieb führt.

Cappuccino mit Gold

Zum Beispiel mit der Kurzbeschreibung des Sieben-Sterne-Palasthotels in Abu Dhabi, das trotz seines exklusiven Anspruchs nirgends Gold in der Architektur vorweise – „außer auf dem Cappuccino, da ist Schwabacher Blattgold drauf“. Was Scheuring damit sagen will: Blattgold gilt sowohl inner- als auch außerhalb der eigenen Branche als „altes“ Gewerbe, gerade mal für Bilderrahmen und Kirchenfresken geeignet.

„Aber das stimmt nicht“, zeigt der kreativ und vorausdenkende Unternehmer deutlich am eigenen Betrieb: Die Goldschlägerei ist sogar als „Lebensmittelbetrieb“ angemeldet und versieht nicht nur Schwabacher Goldsekt und Nürnberger Lebkuchen mit Goldplättchen, sondern beliefert auch Restaurantküchen mit goldenen Zutaten.

„Im Dienst der Schönheit“

Auch in der Kosmetikindustrie hat Scheuring mit seinem 50-Mann-beziehungsweise Frau-Betrieb längst den Fuß in der Tür. „Im Dienst der Schönheit“ lässt sich eine Blattgoldmaske aufs Gesicht auftragen – und zeigt erwiesenermaßen Wirkung: Eine Studie bescheinigt dem Vergolden des Antlitzes eine Straffung der Haut um 14 Prozent, freut sich Scheuring.

Was wird aus dem 23 000 Euro teuren 700-Gramm-Goldbarren, den Helga Schmitt-Bussinger und Markus Rinderspacher gerade in der Hand halten? Nach 22 Schüben durch ein Walzwerk schlängelt sich ein 70 Meter langes Goldband – schon jetzt ist ein menschliches Haar dreimal so stark. Zerschnitten in kleine Quadrate und nach zwei aufwändigen Schlagprozessen (heutzutage maschinell) sind nur noch hauchdünne Blättchen zu sehen. In der Goldbeschneiderei werden die Blättchen (in 27 Farbtönen von Silber bis Kupfer) im Akkord von flinken und geschickten (ausschließlich Frauen-)Händen in fünf mal fünf bis 13 mal 13 Zentimeter große Formate geschnitten, bevor sie sachte in speziell gefertigte Papierheftchen gebettet werden.

Um den Finger wickeln lässt sich der kostbare Hauch, der nun noch einen achttausendstel Millimeter dick ist, trotzdem nicht: Als Rinderspacher ein Goldblättchen in der Handfläche reiben soll, bleibt gar nichts mehr übrig.

Seit über 500 Jahren hat die Goldschlägerei in Schwabach Tradition, erklärt Scheuring dem Gast aus München. In Ägypten wurde das Gold schon vor 5000 Jahren so geschlagen. „Wir können mit Stolz behaupten, dass wir nichts dazugelernt haben“, lacht er, „ganz einfach, weil es schon immer so gut gemacht worden ist.“ Seine Überzeugung: „Aus Ehrfurcht davor will ich diese Tradition verteidigen und aufrechterhalten“, wünscht sich der Geschäftsführer, der selbst schon seit mehr als 30 Jahren in dem Betrieb arbeitet und dessen Frau gelernte Vergolderin ist.

Goldpreis steigt und steigt

Aber dem Unternehmen setzt unter anderem der stark gestiegene Goldpreis zu. Scheuring: „Ich heiße leider nicht Lufthansa, also schreie ich nicht nach dem Staat.“

Auch die Bürokratie mache es seinem Betrieb nicht immer leicht: 80 Prozent der Ware exportiert die Firma Eytzinger. Bisher wurde die Zollbewilligung dafür immer wieder verlängert. Ende des Jahres läuft sie aus, nun soll die Goldschlägerei der Zollbehörde auf einmal mehrseitig Fragen beantworten, „die mit dem Zoll überhaupt nichts zu tun haben“. Scheuring: „Damit ist einer meiner Mitarbeiter mindestens eine Woche lang beschäftigt.“ Bürokratieabbau?

Rinderspacher und Schmitt-Bussinger sagen rasches Nachhaken zu. Schließlich sei man stolz auf das – im Wortsinn – bereichernde Handwerk, und das soll auch weiterhin goldenen Boden haben.