ZDF zeigte Sabine Weigands „Die Seelen im Feuer“

1.3.2015, 08:00 Uhr
ZDF zeigte Sabine Weigands „Die Seelen im Feuer“

Dem Spielfilm „Die Seelen im Feuer“ zur besten Sendezeit um 20.15 Uhr im ZDF folgte eine Dokumentation.

Eine besondere Rolle spielt dabei die Schwabacher Historikerin und Romanautorin Dr. Sabine Weigand. Deren Buch „Die Seelen im Feuer“ von 2008 hat das ZDF verfilmt.

Ein Gespräch über Dreharbeiten mit Fernsehstars, die Gedankenwelt des Hexenglaubens und was uns das Mittelalter heute noch lehrt.

ZDF zeigte Sabine Weigands „Die Seelen im Feuer“

© Fotos: dpa

Frau Weigand, mit Ihren Büchern haben Sie bereits großen Erfolg. Nun wurde eines davon sogar verfilmt. Was bedeutet Ihnen das?

Sabine Weigand: Das ist die Erfüllung eines Traums.

Und jetzt sind Sie bestimmt Millionärin?

Weigand: Schön wär’s. Die Rechte liegen beim Verlag. Mein Honorar ist in Ordnung, aber reich werde ich nicht. Aber darum geht es auch nicht.

Wie darf man sich das vorstellen: Klingelt das Telefon und das ZDF ist mal eben dran?

Weigand: So ähnlich. 2013 klingelte tatsächlich das Telefon. Dran war die Produktionsfirma. Die hatte das Buch gelesen und hatte Interesse.

Sie haben den Film ja bereits gesehen: Sind Sie zufrieden?

Weigand: Ich bin sogar begeistert. Das ZDF hat sehr genau darauf geachtet, dass auch Details stimmen, etwa bei den Kostümen. Das war mir wichtig und das ist sehr, sehr gelungen. Bei Fragen hat mich das Team immer wieder angerufen. Der Aufwand ist unglaublich. In Österreich wurde ein kleines Schloss wochenlang gemietet und für die Dreharbeiten innen von Kulissenbauern völlig umgestaltet. Und außerdem spielen natürlich auch super Schauspieler mit.

Was sind die bekanntesten Namen?

Weigand: Axel Milberg, bekannt als Tatort-Kommissar Borowski, spielt einen Hexenkommissar. Alexander Held ist ein großer Name. Er hat unter anderem in „Schindlers Liste“ mitgewirkt und kürzlich im außergewöhnlichen Tatort „Im Schmerz geboren“. Richy Müller kennt man etwa als Stuttgarter Tatort-Kommissar. Und die beiden Hauptrollen spielen Silke Bodenbender als Johanna und Mark Waschke als Cornelius. Ich finde sie alle einfach großartig.

Sie selbst spielen ja auch eine Rolle.

Weigand: Ich bin nur eine Komparsin. Eine Bürgersfrau, die man kurz beim Tanz sieht. Ich wollte halt mal schnell durchs Bild laufen, so ein bisschen wie Hitchcock. Unabhängig davon bin ich in der Dokumentation als Expertin für das Thema interviewt worden.

Für diejenigen, die „Seelen im Feuer“ noch nicht gelesen haben: Ohne zu viel zu verraten, um was geht es?

Weigand: 1626 ist in Bamberg eine Hexenhysterie ausgebrochen. In den nächsten vier Jahren wurden 1000 Menschen auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Jeder zehnte Einwohner. In diese Mühle geraten die Apothekerstochter Johanna und ihr Freund, der Arzt Cornelius.

Sind das historische Personen?

Weigand: Nein, die beiden sind fiktiv. In Bamberg gibt es eine Besonderheit: Fast alle Quellen sind erhalten. Folterprotokolle, Brennholzrechnungen, die die Opfer selbst zahlen mussten, Gnadengesuche. Es wäre leicht gewesen, namentlich bekannte Schicksale zu finden.

Und warum erfinden Sie zwei neue?

Weigand: Weil fast alle Opfer umgekommen sind. Von meinen sieben Büchern ist „Seelen im Feuer“ eindeutig das mit dem härtesten Thema. Da wollte ich meinen Hauptpersonen und meinen Lesern wenigstens ein Happy End gönnen.

Ist das wichtiger als die historische Wahrheit?

Weigand: Ich bin Historikerin. Mir geht es nicht um die Liebesgeschichte. Ich will den Lesern am Beispiel von einzelnen Personen Wissen über diese Zeit vermitteln, und zwar spannend und unterhaltsam. Aber das ist wirklich alles andere als eine nette kleine Hexenstory.

Ihr Buch liest sich auch nicht so. Manche Szenen sind schwer erträglich, etwa wenn Sie schildern, wie verbrannte Knochenreste noch in den Ketten stecken.

Weigand: Die Wirklichkeit war sogar viel, viel, viel schlimmer. Auf die Schilderung von Folter habe ich aber bewusst verzichtet.

Weil die Qualen im wahrsten Sinne unbeschreiblich waren?

Weigand: Weil sich die Frage der Zumutbarkeit stellt. Ich will meinen Lesern schon das Nötige zumuten, nicht aber das Maximale.

Was mutet der Film dem Publikum zu?

Weigand: Man sieht brennende Menschen am Scheiterhaufen, Folterszenen aber nur ganz kurz, wenn Johanna Daumenschrauben angelegt werden. Der Film trieft nicht vor Blut.

Daumenschrauben waren ja nur der Anfang der Folter. Es wurde gepeitscht, Pech und Schwefel auf nackter Haut angezündet, die Opfer wurden sogar in ätzendes Kalkwasser getaucht. War das Lust am Leid oder Quälen nach Vorschrift?

Weigand: Der Ablauf war reguliert. Es gab mehrere Foltergrade. Am Anfang stand die „Territion“: Da wurden einem die Folterwerkzeuge gezeigt und damit gedroht. Am besten wäre es für die Opfer gewesen, sie hätten da schon alles zugegeben. Aber die meisten dachten: Ich bin doch unschuldig, Gott wird das nicht zulassen. Und dann folgte die Folter.

Hatten die Hexen überhaupt eine Chance zu überleben?

Weigand: Wenn man drei Durchgänge überstand, musste man freigelassen werden. Aber das schaffte kaum eine. Und wenn, dann war das auch keine Rettung.

Warum nicht?

Weigand: Nicht nur weil der Körper völlig zerschunden war. Man wurde auch nicht mehr in die Gesellschaft aufgenommen. Die Leute glaubten: Wer sogar die Folter übersteht, muss mit dem Teufel im Bunde sein. Man war unrettbar verloren. Viele mussten die Städte verlassen, vegetierten vor sich hin, verhungerten. Eine Frau ging sogar zurück zu den Hexenkommissaren, bezichtigte sich selbst und wurde verbrannt. Sie wollte so nicht mehr leben.

Im 17. Jahrhundert beginnt das Zeitalter von Wissenschaft und Aufklärung. Wie passt dazu der Hexenwahn?

Weigand: Heute ist das für uns völlig unfassbar. Aber damals glaubte jeder an Hexen, die mit dem Teufel im Bunde waren. Man glaubte an die reinigende Kraft des Feuers. Der Tod auf dem Scheiterhaufen war eine Gnade, weil sie dem Opfer doch noch die Chance auf das Himmelreich bot. Schmerzen wurden nicht den Menschen, sondern dem Teufel zugefügt. Deshalb lief die Folter auch völlig emotionslos ab und wurde sorgfältig bürokratisch protokolliert. Man muss aber auch wissen: Folter war damals bei vielen Verbrechen üblich. Es gab noch keine Indizienprozesse. Man brauchte ein Geständnis. Auch von Hexen. Egal wie.

Welche Rolle spielte die Reformation und der Dreißigjährige Krieg?

Weigand: Das war eine Zeit der Krisen. Kleine Eiszeit, Missernten, der Krieg. Die katholische Kirche kämpfte mit allen Mitteln gegen den Protestantismus, der ja des Teufels war.

Wer war eigentlich eine Hexe?

Weigand: Das konnte jeder sein. Die eigenen Eltern, der Ehepartner, die Kinder, man selbst. Eine Anschuldigung genügte, dann begann die Befragung. Und unter der Folter gab es die Geständnisse. Dabei wurde immer gefragt, wer noch mit dem Teufel im Bunde ist. So zog das Kreise.

Im berühmten „Hexenhammer“ des Dominikanermönchs Kramer ist vor allem von Frauen die Rede. Und dieses Buch ist ja quasi das Standardwerk der Hexenverfolgung. Es gab aber auch männliche Opfer.

Weigand: Im „Hexenhammer“ schreit die sexuelle Verklemmung aus jedem Buchstaben. Frauen galten als schwach im Glauben und sexuell unersättlich und deshalb als leichte Beute für den Teufel. Das typische Opfer der Hexenjagd ist ganz klar weiblich. Im Bamberg waren aber rund 25 Prozent Männer unter den Opfern.

Wie das?

Weigand: Weil Fürstbischof Förner die Hexenverfolgung auch als Chance zur Vernichtung seiner politischen Gegner sah. Alle Bürgermeister und Stadträte wurden hingerichtet.

Weshalb war Bamberg eine Hochburg der Hexenjagd?

Weigand: Alle katholischen Fürstbistümer waren Hochburgen. Hier herrschte der Fürstbischof alleine und hatte keine weltlichen Gegenspieler wie etwa in Nürnberg, wo es nur vereinzelt Hexenverbrennungen gab.

Wie viele gab es in Schwabach?

Weigand: Von einer wissen wir sicher, weil es einen Augenzeugenbericht gibt. Das war schon 1505 der Fall der Barbara Schwab. Der Scheiterhaufen stand übrigens nicht am Marktplatz, sondern wie überall vor den Toren am Richtplatz am Hochgericht. 1592 sind sieben Frauen ermordet worden. Sie starben aber wahrscheinlich am Galgen.

Gedreht wurde der Film ja auch in Bamberg selbst, also in historischer Kulisse. Wurden die Dreharbeiten unterstützt oder war man in der Touristenstadt nicht so begeistert von dem Thema?

Weigand: Die Stadt hat uns unterstützt. Die Kirchenszenen wurden aber in Österreich gedreht, weil es vom Bistum keine Drehgenehmigung für den Dom gab.

Ist das Thema Hexenverfolgung altes Zeug aus dunkler Vergangenheit oder noch immer aktuell?

Weigand: Gesellschaften in der Krise suchen auch heute nach Sündenböcken. Sehen Sie nur, wie manche bei uns über Migranten und Asylbewerber reden, oder denken Sie an die Übergriffe. Dem ZDF geht es auch darum zu zeigen, wie schnell eine aufgeheizte Stimmung in Hysterie umschlagen kann.

Gibt es schon Gespräche mit dem ZDF über eine weitere Verfilmung eines Ihrer Romane?

Weigand: Das hängt vermutlich ganz von der Quote ab. Die ist für Fernsehleute unglaublich wichtig. Ein ganzer Themenabend zu so einem schrecklichen Stoff ist ein Wagnis. Am Dienstagmorgen wissen wir mehr.

Wann erscheint Ihr nächstes Buch?

Weigand: Im September. Es heißt „Ich, Eleonore, Königin zweier Reiche.“ Eleonore von Aquitanien war die Skandalkönigin des 12. Jahrhunderts.

Wird das ähnlich heftig wie „Die Seelen im Feuer“?

Weigand: Nein, diese Lebensgeschichte wird ein eher softes Buch.

 

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