Zwei Schwabacher Briten sind gegen den Brexit

23.6.2016, 09:30 Uhr
Zwei Schwabacher Briten sind gegen den Brexit

© Günther Wilhelm

Zwei Schwabacher Briten sind gegen den Brexit

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Mit abstimmen werden sie nicht. Sie dürfen es gar nicht, weil sie schon zu lange im Ausland leben. Doch beide fiebern mit, wenn in ihrer alten Heimat – bei dieser Bedeutung ist es nicht übertrieben – Geschichte geschrieben wird.

„Ich finde das ganz schrecklich“, sagt Avril Kautler-Flor. Den Brexit, den teils hasserfüllten Streit, vor allem den Mord an der jungen Labour-Abgeordneten Jo Cox, die sich für den Verbleib engagiert hatte. „EU-Kritiker hat es in Großbritannien schon immer gegeben“, sagt Stuart Findlay. „Aber bisher sind sie in der Minderheit gewesen.“ Er hofft, dass das auch weiter so sein wird: „Großbritannien sollte in der EU bleiben.“

Seit Jahrzehnten in Deutschland

Avril Kautler-Flor ist in Eastbourne an der englischen Südküste aufgewachsen. Mittlerweile lebt die 64-Jährige seit bereits 40 Jahren in Schwabach. „Ich habe zwei Zuhause“, sagt sie und fragt lachend: „Wieso sollte man nur eines haben?“ In der Huma betreibt sie einen Geschenkeladen mit Postagentur. Hier werden auch England-Fans fündig, die Spezialitäten wie englischen Tee und Schokolade lieben. Ehrenamtlich engagiert sie sich im Schwabacher Integrationsrat.

Stuart Findlay dagegen ist Schotte, stammt aus der Fürther Partnerstadt Paisley bei Glasgow. Anfang der Neunziger wurde es ihm dort zu eng. Nach einer Europareise ist er in Deutschland geblieben. „Hier hat es mir einfach gefallen.“ Heute arbeitet der 54-Jährige als Altenpfleger bei der Awo.

Beide haben deutsche Ehepartner, müssten also auch bei einem Brexit keine Scherereien wegen der Aufenthaltsgenehmigung befürchten. Bei anderen Briten könnte das anders werden. „Was wäre dann mit der Freizügigkeit? Vieles käme total durcheinander“, fürchtet Avril Kautler-Flor.

„Paradoxe Reaktion“

Doch gerade diese Freizügigkeit wollen viele EU-Gegner gar nicht. „Die Flüchtlinge und vor allem die Zahl der Zuwanderer hat dazu geführt, dass viele Briten sich überrannt fühlen“, hört sie von Verwandten und Freunden auf der Insel. „Europa ist zu groß geworden. Ich kann die Kritiker zum Teil verstehen“, sagt Stuart Findlay. „Aber rechte Bewegungen wie ,Britain first‘ oder UKIP wollen nur die Angst der Leute nutzen. Viele denken: Da ist das Wasser zwischen uns, wir ziehen uns zurück und unsere kleine Welt ist wieder in Ordnung. Aber in einer globalisierten Welt ist das eine paradoxe Reaktion.“

Der Brexit bringe vor allem Nachteile. „Damit könnte der Zerfall Europas beginnen“, sagt Findlay. Und Kautler-Flor glaubt, dass ein EU-Ausstieg wirtschaftlich besonders die Briten selbst träfe.

Die Prognose? „Die, die noch schwanken, werden doch noch zur Vernunft kommen“, hofft Stuart Findlay. Und wenn nicht, dann habe das zumindest einen sympathischen Effekt: „Dann wird auch die schottische Unabhängigkeit wieder Thema. Und dann würde es anders ausgehen als bei der Abstimmung 2015.“ Er wäre für die Unabhängigkeit, und die meisten Schotten seien für die EU. „Ein unabhängiges Schottland würde EU-Mitglied. Das fände ich gut.“

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