Schweinepest: Bayerns Bauern fürchten Fleisch-Kollaps

24.2.2018, 06:00 Uhr
Im Kampf gegen die Schweinepest werden jetzt zunehmend auch Frischlinge geschossen. Um den Anreiz zu erhöhen, zahlt der Freistaat neuerdings 20 Euro pro erlegtem Tier an die Jäger.

© dpa Im Kampf gegen die Schweinepest werden jetzt zunehmend auch Frischlinge geschossen. Um den Anreiz zu erhöhen, zahlt der Freistaat neuerdings 20 Euro pro erlegtem Tier an die Jäger.

Wir haben mit Jürgen Vocke, Präsident des Bayerischen Jagdverbandes, und Karlheinz Brand, Schweinehalter und stellvertretender Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbands im Landkreis Ansbach, darüber diskutiert, wie man die Verbreitung der Krankheit verhindern kann.

Herr Brand, die Afrikanische Schweinepest nähert sich aus Osteuropa und löst hierzulande eine ziemliche Hysterie aus. Wie realistisch ist es, dass der Erreger bis zu uns vordringt?

Karlheinz Brand: Wenn man sich die Verbreitungsgebiete in Osteuropa anschaut, sieht man, dass sie stetig näherrückt. Es gibt immer wieder neue Orte, an denen der Erreger auftaucht. Die Gefahr, dass die Schweinepest eingeschleppt wird, ist riesengroß.

Infizierte Wildschweine sterben innerhalb weniger Tage und werden den Virus nicht direkt nach Bayern bringen können. Auf welchen Wegen kommt der Erreger dann hierher?

Brand: Jetzt kommen wieder viele osteuropäische Arbeiter zurück, die alle potenziell infizierte Nahrungsmittel mitbringen. Heutzutage gibt es keine Baufirma, keine Spedition und auch fast keinen landwirtschaftlichen Betrieb mehr, der nicht irgendeinen Mitarbeiter aus Osteuropa hätte. Somit ist die Gefahr allgegenwärtig.

Jürgen Vocke: Ausschlaggebend für die Verschleppung der Schweinepest ist und war bisher immer der Mensch. Wir müssen alles dafür tun, damit an den Straßen keine Essensreste weggeschmissen werden, dass die Lkw-Fahrer kontrolliert werden und dass alles von Seiten des Staates unternommen wird, um einen solchen unkontrollierten Eintrag zu verhindern.

"Das infizierte Wildschwein rennt nicht 300 Kilometer weit"

Es ist also am wahrscheinlichsten, dass der Erreger über infizierte Wurst oder infiziertes Fleisch eingeschleppt wird. Welche Rolle spielen denn dann die Wildschweine, die derzeit so stark in der Diskussion sind?

Brand: Uns ist auch klar, dass das infizierte polnische Wildschwein nicht 300 Kilometer weit rennt und das fränkische Wildschwein ansteckt. Aber durch das Wildschwein wird die Krankheit hier regional weiterverbreitet, wenn sie erst einmal eingeschleppt ist.

Vocke: Die Wildschweine sind nicht die Ursache, sondern vor allem mangelnde Hygiene. Für uns als Jäger geht es vor allem darum, wie wir die Verbreitung reduzieren können. Und das geht eben vor allem, indem wir die Wildschweinbestände verringern. Wir werden versuchen, die Abschusszahlen noch einmal um zehn oder 20 Prozent zu erhöhen.

Das wird ja auch ohne Schweinepest schon seit Jahren versucht – mit vergleichsweise geringem Erfolg.

Vocke: Um noch mehr als die bislang 60.000 bis 80.000 Wildschweine pro Jahr zu erlegen, brauchen wir mehr Unterstützung. Von den Landwirten zum Beispiel: In großen Mais- und Rapsfeldern haben die Wildschweine über Monate beste Äsung und beste Deckung. Da brauchen wir Bejagungsschneisen in den Feldern, damit überhaupt eine Jagd möglich ist. Die Landwirte hätten natürlich einen Ertragsausfall, der ausgeglichen werden muss. Aber lieber jetzt etwas Geld für solche Maßnahmen ausgeben als später Millionen für die Folgen der Schweinepest.

Brand: Bei uns haben wir zum Beispiel drei Jäger – und einer von ihnen schießt keine einzige Wildsau. Da müssen wir die Freiheit haben, deutlich zu sagen, dass wir einen anderen Jäger brauchen. Wir müssen Forderungen stellen dürfen. Wenn er nur die Tiere beobachten will, soll er sich eine Eintrittskarte für den Nürnberger Tiergarten kaufen.

Neuerdings zahlt der Freistaat 20 Euro pro geschossenen Frischling. Wie stark erhöht das den Jagdanreiz?

Vocke: Die 20 Euro sind nur ein kleiner Ausgleich für die hohen Kosten, die mit der Jagd auf Schwarzwild verbunden sind. Jeder Frischling muss auf Trichinen untersucht werden. In etlichen Landkreisen zahlen wir dafür bis zu 30 Euro Gebühr. Da hat ein Jäger natürlich wenig Motivation, sich eine ganze Nacht an ein Feld zu setzen, wenn er am Ende noch draufzahlen muss. Wenn wir wirklich etwas erreichen wollen gegen die Schweinepest, müsste der Staat jetzt zumindest für einige Jahre die Kosten für die Trichinenuntersuchung übernehmen. Außerdem zahlen wir für jedes Verkehrsschild, das wir bei Drückjagden aufstellen, in manchen Landkreisen bis zu 150 Euro. Die 20 Euro reichen also bei Weitem nicht.

Wenn der Erreger da ist, wird nicht mehr gejagt

Was passiert, wenn nun trotz aller Vorsichtsmaßnahmen bei einem Wildschwein die Afrikanische Schweinepest nachgewiesen wird?

Vocke: Dann wird eine Quarantänezone ausgewiesen, in der erst einmal über mehrere Wochen vollkommene Jagdruhe herrscht. Das heißt, in dieser Zeit wird nicht gejagt, damit die Sauen nicht flüchten und den Erreger verbreiten. Dann gibt es noch einen breiten Streifen um diese Zone, in dem systematisch und mit allen Möglichkeiten intensivst gejagt wird. Schließlich werden auch die noch lebenden Schweine in der Quarantänezone geschossen.

Es ist ja fast ausgeschlossen, dass Wildschweine mit Hausschweinen in direkten Kontakt kommen. Wie kann die Krankheit in die Ställe kommen?

Brand: Die Quarantänezone hat einen Radius von 15 Kilometern. Darin herrscht mindestens drei Wochen lang ein Ernteverbot. Aber der Erreger ist mindestens 250 Tage ansteckungsfähig. Wenn das infizierte Wildschwein im Weizen war und ich das Getreide daheim an die Schweine verfüttere, stecken sich die Tiere an. Übertragungswege gibt es viele. Deswegen sind Biosicherheitsmaßnahmen, Hygieneschleusen und eingezäunte Ställe so wichtig.

"Der Export würde komplett einbrechen"

Welche Folge hätte es für Schweinehalter, wenn die Schweinepest in Deutschland nachgewiesen wird?

Brand: Dann bricht unser Export sofort komplett ein, und auch der deutsche Verbraucher wird sich für längere Zeit vom Schweinefleisch verabschieden. Es betrifft nicht nur einen Betrieb, sondern die ganze Branche.

Vocke: Obwohl es für den Menschen ja völlig ungefährlich ist. Aber durch die Bezeichnung "Pest" wird eine tiefsitzende Angst geweckt.

Was passiert, wenn in Ihrem Stall ein infiziertes Tier nachgewiesen wird, Herr Brand?

Brand: Dann werden nicht nur die Schweine in meinem Stall gekeult, sondern alle Schweine im Radius von dreieinhalb Kilometern. Seit ich 14 Jahre alt bin, bin ich Schweinehalter. Das wäre ein Horrorszenario. Natürlich sind wir versichert. Aber es dauert Jahre, bis man so einen Zuchtsauenbestand wieder aufgebaut hat.

In Tschechien wird sogar das Militär für die Wildschweinjagd herangezogen. Wie sinnvoll ist das?

Vocke: In Tschechien ist die Schweinepest schon ausgebrochen. Im konkreten Seuchenfall herrschen andere Gesetze. Bei uns gibt es noch keinen Seuchenfall, da gilt für die Jagd nur das derzeit gültige Jagd- und Waffenrecht. Viel billiger und eine große Hilfe wäre es, wenn die Staatsforsten bei den Drückjagden umdenken würden. Bei den Staatsforsten wird immer das Rehwild mitbejagt. Aber das ist viel panischer, nimmt gleich Reißaus. Wenn dann gleich auf die Rehe geschossen wird, verdrücken sich die Wildschweine. Die Staatsforsten müssten reine Drückjagden auf Schwarzwild machen – dann würden schnell zehn bis 20 Prozent mehr Wildschweine in Bayern geschossen werden. Zumindest in dieser Notsituation sollte der Staat das anordnen.

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