Sind Lobbyisten ein Problem für den Bayerischen Landtag?

15.8.2018, 06:00 Uhr
Blick in den Plenarsaal des bayerischen Landtages. Der Einfluss der Lobbyisten ist hier sehr begrenzt, was aber auch am begrenzten Einfluss des Parlaments liegt.

© Sven Hoppe/dpa Blick in den Plenarsaal des bayerischen Landtages. Der Einfluss der Lobbyisten ist hier sehr begrenzt, was aber auch am begrenzten Einfluss des Parlaments liegt.

Wer in Brüssel ein Lobbyist sein darf, der hat es geschafft. Der hat einen satten Etat zur Verfügung, hat Zugang zu den höchsten Regierungskreisen. Wollen sie ein Gespräch mit einem Kommissar, sie bekommen es. Bastelt die EU an einem Gesetz, wirken sie mit, meist im Stillen. 25.000 Lobbyisten, schätzen Insider, sind in Brüssel unterwegs. Ihr Etat: 1,5 Milliarden Euro pro Jahr.

In Berlin, schätzen Fachleute, sind es rund 6000 Lobbyisten, die ihre Büros bevorzugt im Regierungsviertel haben, damit alles fußläufig erreichbar ist. Ihre genaue Zahl kennt niemand, weil es kein Register gibt, ihren Etat auch nicht. Nur so viel ist bekannt: Mehr als 700 Lobbyisten haben Zugang zum Bundestag mit eigenen Ausweisen. Und große Unternehmen wie Siemens weisen in ihren Büchern millionenschwere Positionen für Lobbyarbeit aus, Siemens beispielsweise mehr als drei Millionen Euro.

München nimmt sich daneben ungemein bescheiden aus. 49 Vertreter von 29 Organisationen haben Hausausweise für den Landtag, der ADAC etwa, der Beamtenbund, der Gemeindetag, die Lehrerverbände. Die Liste ist vergleichsweise harmlos; nur zwei Unternehmen stehen darauf: die Lufthansa und BMW, der Dienstwagenflotte wegen. Aber auch Mitarbeiter der Parteizentralen, die ohnehin ständig im Landtag sind.

Ein Problem damit sehen die Politiker nicht. Im Gegenteil. Wechselseitig veranstalten die Interessenverbände und die Fraktionen sogenannte parlamentarische Abende oder parlamentarische Frühstücke, mal im kleinsten Kreis, mal mit der gesamten Fraktion. "Es kommt immer darauf an, was man daraus macht und wie man damit umgeht", sagt Markus Rinderspacher, Fraktionschef der SPD. Wenn etwa die Lehrerverbände die Opposition mit Zahlen zum Unterrichtsausfall versorgten, die das Ministerium nicht herausgebe, dann kann er darin nichts Verwerfliches erkennen.

Informationen werden ausgetauscht

Michael Piazolo, parlamentarischer Geschäftsführer der Freien Wähler, sieht das durchaus ähnlich. Abgeordnete, glaubt er, lassen sich kaum mit einem Arbeitsfrühstück oder einem Mittagessen bestechen. Dafür sei der Informationsaustausch auch zu wichtig. "Der Begriff Lobbyist ist inzwischen negativ belegt", sagt Piazolo. Tatsächlich aber sei seine Arbeit durchaus sinnvoll.

Alle großen Verbände von der Wirtschaft bis zur Gewerkschaft unterhalten Büros in München. Ihre Vertreter sprechen bei den Politikern vor, informieren sie über Positionen, über Entwicklungen, die sie für bedenklich halten ebenso wie über die Dinge, die sie sich wünschen. "Natürlich wirbt dort jeder für seine Positionen", sagt Piazolo. "Aber das wissen wir ja auch."

Berührungsängste haben sie alle nicht. Beispiel Dieselaffäre. "Da haben wir mit dem Bund Naturschutz geredet", sagt SPD-Mann Rinderspacher. "Und genauso mit BMW und Audi. Wir sprechen mit Gewerkschaften und Wirtschaftsverbänden, mit Umweltschützern und der Großindustrie." Erst wer beide Seiten kennt, alle Argumente und unterschiedlichen Sichtweisen, der kann sich laut Rinderspacher für eine Richtung entscheiden.

"Die, die mit uns reden", sagt ein Grünen-Sprecher, "die führen uns nicht in Versuchung. Die haben keine prall gefüllten Geschenkbörsen dabei." Dafür haben sie Informationen im Gepäck, die auch die Grünen schätzen – weshalb sie wie die anderen Fraktionen auch von sich aus initiativ werden und die Verbände zu Gesprächsrunden einladen.

Das dürfte in Berlin, vor allem aber in Brüssel anders aussehen. Wenn die Politiker dort Gesetze formulieren und später verabschieden, mischen sich die Lobbyisten deutlich ein, nehmen sie Einfluss, drücken sie ihre Interessen in die Texte. Noch jeder Bundesgesundheitsminister ist beispielsweise bisher an der Macht der Ärzteverbände gescheitert, wenn er das Gesundheitssystem umfassend reformieren wollte.

Wenige Zuständigkeiten

Auf Landesebene stellen sich die Probleme nicht mit dieser Wucht. Die Zuständigkeit des Parlaments ist begrenzt; ihr Schwerpunkt liegt vor allem in der Bildungspolitik, das macht auch die Liste der im Landtag akkreditieren Verbände und Institutionen deutlich. Kein Wunder, dass SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher erst versichert, die Opposition sei ohnehin "nicht käuflich", und dann nachschiebt, dass er "das auch nicht der Regierung" unterstelle.

Für die spricht Tobias Reiß, parlamentarischer Geschäftsführer der CSU-Fraktion. "Warum sollen wir uns nicht mit den Verbänden austauschen?", fragt er. "Da will uns niemand die Feder führen bei Gesetzesvorhaben." Er kenne das überhaupt nicht, sagt Reiß, "dass da Einfluss auf Gesetzesvorgaben genommen" werde. "Das ist alles seriös, mit seriösen Gesprächspartnern." Gesprächspartner übrigens, die bei den Medien ebenso gefragt sind, weil auch sie auf verlässliche Informationen angewiesen sind.

Dass die Verbände sich vor allem mit der CSU-Fraktion auseinandersetzen, ist durchaus normal. Sie stellt jedenfalls im Moment noch die Alleinregierung. Wackelte die in der Vergangenheit, interessierten sich die Lobbyisten verstärkt auch für die Oppositionsparteien. Darauf dürfen sich SPD, Freie Wähler und Grüne in den kommenden Wochen also freuen, dass sie häufiger als bisher zum Frühstück geladen werden.

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