Sondersitzung des Kabinetts: Mehr Asylbewerber als gedacht

20.8.2015, 19:43 Uhr
Die Hohe Zahl der Asylbewerber bringt Kommunen an die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit

© dpa Die Hohe Zahl der Asylbewerber bringt Kommunen an die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit

Anlass ist die neue Prognose der Bundesregierung, derzufolge heuer bis zu 800.000 Asylbewerber nach Deutschland kommen könnten, wie die Staatskanzlei am Donnerstag mitteilte. „Das bedeutet für Bund, Länder und Kommunen eine gewaltige Herausforderung, die schnelle und wirksame Maßnahmen in den verschiedensten Bereichen erfordert“, heißt es in der Ankündigung. Einen Tag später ist am 3. September ein Asylgipfel in der Staatskanzlei mit Kommunalpolitikern, Wohlfahrtsverbänden und Kirchen geplant. Bayernweit gibt es inzwischen kaum noch verfügbare Immobilien, so dass händeringend neue Unterkünfte gesucht werden.

Mehr Asylbewerber als gedacht

Bayern nimmt nach dem festen Verteilungsschlüssel unter den Ländern 15,3 Prozent aller Flüchtlinge auf, die in Deutschland registriert werden. Sozialministerin Emilia Müller rechnet mit bis zu 120.000 Asylbewerbern, die heuer in Bayern untergebracht werden. Die CSU-Politikerin forderte finanzielle Hilfe von der Bundesregierung: „Wir können diese Last nicht mehr alleine stemmen.“

Müller war noch am Dienstag von niedrigeren Zahlen ausgegangen, doch hatte die Bundesregierung ihre Asylbewerberprognose stark nach oben korrigiert.

Asylverfahren dauern zu lange

Auch die mit einer Vielzahl von Asylklagen konfrontierten Verwaltungsrichter schlagen Alarm. Es sei absehbar, dass sowohl die Asylverfahren als auch in der Folge die allgemeinen Verfahren „bald nicht mehr innerhalb eines angemessenen Zeitraums zu bearbeiten“ seien, schrieb der Verband der bayerischen Verwaltungsrichter und Verwaltungsrichterinnen an SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher. Die personelle Ausstattung der Verwaltungsgerichte sei auf die Herausforderungen nicht ausgerichtet.

Ähnliche Brandbriefe schickten die Verwaltungsrichter auch an Seehofer, Innenminister Joachim Herrmann, Finanzminister Markus Söder (alle CSU) sowie alle Fraktionsvorsitzenden im Landtag. Rinderspacher forderte mindestens 50 neue Richterstellen.

Verwaltungsrichterstellen beschlossen

Das Innenministerium betonte, dass bereits Stellen für 16 neue Verwaltungsrichter beschlossen seien, die zum 1. Januar ihren Dienst aufnehmen sollen. Herrmann wolle sich angesichts der neuen Aylbewerberprognose mit den Verwaltungsgerichten zusammensetzen und den Bedarf überprüfen, sagte ein Sprecher.

SPD-Fraktionschef Rinderspacher kritisierte: „Mit dem jetzigen Personalstand können die Verwaltungsgerichte die steigende Zahl der Asylverfahren nicht bewältigen.“ Auch sei die Qualität von Verfahren und Entscheidungen immer weniger gewährleistet. „Wenn die Staatsregierung nicht handelt, nimmt die Verfassungsaufgabe der Verwaltungsgerichte Schaden, den Bürgern effektiven Rechtsschutz zu gewähren“, warnte der SPD-Politiker.

Kritik an der Staatsregierung

Noch schärfer äußerte sich Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger: „Es ist eine Unverschämtheit der Bayerischen Staatsregierung, dass sie von den Kommunen erwartet, die ständig steigende Zahl von Asylbewerbern unterzubringen, selbst aber nicht einmal die dringend benötigten Asyl-Richter einstellt.“ Das Asylchaos in Bayern habe „einen Namen: CSU.“

Unklar sind die Auswirkungen auf den Staatshaushalt. Die Fachleute in Finanz- und Sozialministerium machen sich bereits Gedanken, ob eine weitere Erhöhung der für dieses und nächstes Jahr veranschlagten gut 2,2 Milliarden Euro nötig werden könnte.

Bis das geklärt ist, wird aber noch einige Zeit ins Land gehen: Einerseits ist ungewiss, wie viele Asylbewerber tatsächlich noch kommen werden. Andererseits wird erst im September feststehen, wie viele Milliarden der Bund den Ländern zusätzlich für die Unterbringung der Flüchtlinge zur Verfügung stellt.

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