Spaenle zu G8: "Die Umsetzung war damals suboptimal"

27.2.2017, 21:07 Uhr
Spaenle zu G8:

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Herr Spaenle, Ministerpräsident Seehofer hat vor Jahren ein Ende der Reformen angekündigt und Ruhe versprochen. Warum klappt das nicht?

Spaenle: Dieses Anliegen ist mit dem, was wir vorhaben, in Einklang zu bringen. Jüngste Studien belegen, dass die Bildungschancen in Bayern vor allem deshalb so hoch sind, weil wir Systemkontinuität garantieren. Dazu zählt das differenzierte Schulsystem, in dem wir bleiben wollen. Das entwickeln wir ständig weiter, zuletzt die Mittelschule und die sechsstufige Realschule. Jetzt steht das Gymnasium an.

Von Ruhe kann keine Rede sein.

Spaenle: Wir werden sehen, wie die Staatsregierung und die Mehrheitsfraktion entscheiden. Es gibt mehrere Möglichkeiten, vom Verbleib beim achtstufigen Gymnasium bis zum G9 mit Überholspur. Seit wir 2003 das G8 beschlossen haben, haben sich die Übertrittsquoten um knapp zehn Prozentpunkte erhöht von gut 30 Prozent auf heute 40. Das ist eine massive Veränderung. Mir geht es nicht um Rechthaberei, sondern darum, dass wir für die Schüler an den Gymnasien die richtigen Konsequenzen ziehen.

Wird es bei diesen 40 Prozent Übertrittsquote bleiben – manchen Bildungspolitikern ist sie zu hoch?

Spaenle: Die Quote erweist sich seit mehreren Jahren als stabil. Die, die den Anteil der Gymnasiasten kritisieren, sollen sich mal einer Abiturprüfung stellen mit den Fächern ihrer Wahl. Das kann ich nur empfehlen.

Sie sprechen von den Varianten G 8 oder G 9 mit Überholspur. Verdichtet es sich auf diese beiden Varianten?

Spaenle: Wird sind in der Dialogphase. Es hat sich zwar einiges geklärt, aber ich kann nicht vorhersagen, wie meine Fraktion sich entscheiden wird.

Ihr Arbeitskreis Bildung hat sich auf das G 9 festgelegt.

Spaenle: Das mag sein. Aber die Meinungsbildung in der Fraktion läuft. Und da ist offen, ob es bei modifizierten acht Jahren bleibt oder ob wir ein neunjähriges Grundformat einführen. Es hat sich allerdings gezeigt, dass sich bei Verbänden und Sachaufwandsträgern in der Dialogphase das Bild verfestigt. Das müssen wir mit einbeziehen.

Spaenle zu G8:

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Ist das vorstellbar, dass sich Ihre Fraktion über die Eltern, die Schulleiter, die Verbände hinwegsetzt?

Spaenle: Auch wenn ich mich wiederhole: Ich respektiere, dass wir noch in der Dialogphase sind. Ich werde zu ihrem Ausgang nichts sagen.

Wann ist es so weit?

Spaenle: Das wird sich zeitlich in einem vernünftigen Rahmen bewegen, weil wir, wenn wir etwas entscheiden, die wichtigsten Bedingungen bis zum Schuljahresende auf den Weg bringen. Sollte eine Entscheidung pro G9 fallen, müssten die entsprechenden Gesetze bis zum Sommer eingebracht sein. Wir müssten dann eine neue Stundentafel entwerfen und ähnliches. Der Zeitplan für den Dialog und eine mögliche Veränderung ist auf zwei Jahre angelegt.

Was heißt auf zwei Jahre?

Spaenle: Im aktuellen Schuljahr, also dem ersten Jahr dieses Zeitraums, haben wir den Dialogprozess und die Meinungsbildung samt Entscheidung. In der nächsten Phase, also im zweiten Jahr, müssen wir sie umsetzen. Bis Ende 2017/2018 wollen wir dann gegebenenfalls die Verwaltungsvorschriften entwickelt haben, Lehrplan und Stundentafel, die Gesetzgebung. Dann könnte es zum Schuljahr 2018/2019 in Kraft treten.

Die Kommunen rechnen vor, dass sie dann mehrere Gymnasien neu bauen müssten und das Hunderte Millionen kosten dürfte.

Spaenle: Dazu kann ich im Moment wenig sagen, weil wir erst die Grundsatzentscheidung brauchen. Im Falle einer Entscheidung müssen wir die spezifischen Kosten ermitteln. Darauf sind wir vorbereitet.

Unterstellt, es geht zum G9 zurück: Wie muss man sich das vorstellen? Gibt es dann wieder einen Parallelbetrieb wie bei der Umstellung zum G8?

Spaenle: Es wäre keine Rückkehr zum alten G9, sondern wir würden ein neunjähriges Gymnasium mit einem Konzept haben auf Höhe der Zeit. Wir werden nicht mehr die Kollegstufe einführen, sondern beim Abi in fünf Fächern bleiben. Ansonsten wächst dann der letzte G8-Jahrgang nach oben hinaus, während von unten das G9 folgt.

Dann würde ein Abiturjahrgang ausfallen. Fürchten Sie nicht, dass viele Schüler freiwillig vom G8 ins G9 zurückgehen?

Spaenle: Ich glaube, dass unsere Hochschulen kein Problem hätten, wenn weniger Abiturienten kämen. Weniger Studenten lassen sich leichter bewältigen als zwei Jahrgänge auf einmal. Was Schüler beträfe, die zurückgehen, dazu kann ich nichts sagen. Zunächst muss sich meine Fraktion festlegen, dann gehen wir die damit zusammenhängenden Fragen an.

Sie werden im Zweifelsfall den Stoff nicht einfach von acht auf neun Jahre strecken können. Werden Sie den Lehrplan neu entwerfen?

Spaenle: Wir haben gerade einen neuen Lehrplan für acht Jahre entwickelt, den Lehrplan Plus, der im Herbst in Kraft tritt. Wir würden mit den Lehrplankommissionen auf dieser Basis ein Konzept für neun Jahre entwickeln. Die Vorarbeiten für den Lehrplan Plus sind sehr hilfreich. Es ist ja das erste Mal, dass wir einen Lehrplan für alle Schularten entworfen haben, der auf Inhalte, aber darüber hinaus verstärkt auf Kompetenzen setzt.

Was heißt das konkret?

Spaenle: Wir formulieren zum ersten Mal, welche Kompetenzen die Schüler nach einer bestimmten Zahl von Jahren erworben haben müssen und nicht mehr, was Lehrer unterrichtet haben sollen. Dazu geben wir den Stoff an. Die Arbeit für den Lehrplan Plus müsste dann ans G9 angepasst werden. Damit ließen sich Fächer vertiefen. Aber zu einer solchen Konzeption würde aus meiner Sicht zwingend die Überholspur gehören.

Wie soll die aussehen?

Spaenle: Schüler, und zwar nicht nur einige wenige, müssten dann die Chance bekommen und die Schulzeit verkürzen können, weil es nicht um das klassische Überspringen geht. Diesen Schülern könnte die Lehrerkonferenz den Sprung in eine höhere Klasse empfehlen und das in bestimmten Fächern mit zusätzlichem Förderunterricht vorbereiten, so dass sie zum Beispiel von der zehnten Klasse direkt in die Kursphase wechseln könnten.

Bedeutet das G9 eine Abkehr von der Nachmittagsbetreuung?

Spaenle: Die Ganztagsangebote bleiben unangetastet. Wir haben bei unserer Banzer Klausur 2014 beschlossen, dass wir die Ganztagsschule weiter ausbauen.

Sie haben 2003 die Einführung des G 8 vorangebracht. Jetzt müssen Sie womöglich den Umkehrschwung hinlegen. Wie sehr quält Sie das?

Spaenle: Wir waren damals bei der Einführung des G8 nicht allein in der Republik. Allerdings war die Umsetzung damals suboptimal. Wenn wir jetzt einen anderen Weg gehen sollten, dann ist das auch ein Ergebnis der Erfahrungen von 2003/2004.

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