"Strommonstertrasse": Ganz Franken organisiert Widerstand

3.2.2014, 17:01 Uhr

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Ibrahim Elalmis hat Mühe, all die Mitgliedsanträge zu bearbeiten. „Wir hatten nicht damit gerechnet, dass es so viele werden“, stöhnt das Gründungsmitglied der Bürgerinitiative „Bürger gegen Strommonstertrasse“ im oberfränkischen Betzenstein. Allein per Internet bäten inzwischen täglich 30 bis 40 verärgerte Bürger aus der Region um Aufnahme. Hinzukämen jene, die bei öffentlichen Veranstaltungen spontan Mitglied werden. Rund 300 Mitglieder zähle die Bürgerinitiative inzwischen, berichtet Elalmis.

Und es werden täglich mehr. Dazukommen zahllose Anfragen von Trassengegnern aus Nachbarregionen, die Interesse an einer Zusammenarbeit mit der oberfränkischen Bürgerinitiative haben. „Aber ob wir überhaupt Untergruppen bilden wollen – das haben wir noch gar nicht festgelegt“, sagt Elalmis. Überhaupt gehe es derzeit noch etwas unorganisiert zu. Kein Wunder: Die in der Fränkischen Schweiz beheimatete Anti-Stromtrassen-Initiative besteht erst seit knapp zwei Wochen.

Die Pläne für die 450 Kilometer lange sogenannte Gleichstrompassage Süd-Ost des Netzbetreibers Amprion haben die von der Stromautobahn Betroffenen regelrecht elektrisiert – und rund ein Dutzend Bürgerinitiativen zwischen Hof und Freystadt in der Oberpfalz entstehen lassen. Und das ist vor allem ein Problem für die CSU: Die Trasse ist seit langem geplant und Teil eines im Juli 2013 verabschiedeten Bundesgesetzes für 36 neue Stromtrassen, dem die CSU zugestimmt hat.

Teil der Energiewende

Nun laufen die Bürger Sturm – und deswegen auch manche CSU-Landräte, die bei der Kommunalwahl im März um ihr Ergebnis fürchten. CSU-Chef Horst Seehofer tritt deswegen bereits auf die Bremse. An diesem Dienstag ist die Trasse Thema bei der Münchner Kabinettssitzung. Alle Initiativen eint der Groll gegen die „Monstertrasse“. Bereits an diesem Mittwoch wollen die Trassengegner den Rossmarkt im oberpfälzischen Berching für ihre Proteste nutzen. Rednerin ist Wirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU).

Was in den Augen der Gegner wegen der bis zu 70 Meter hohen Gittermasten ganze Regionen verschandelt und wegen der elektromagnetischen Felder womöglich die Gesundheit der Anwohner gefährdet, ist Teil der Energiewende. Die Trasse soll Strom aus der Region Halle bis nach Meitingen in der Nähe von Augsburg leiten – und damit auch nach der Abschaltung der Atomkraftwerke Gundremmingen und Grafenrheinfeld den Freistaat mit Strom versorgen. Denn Bayern droht Strommangel, die Wirtschaft ist alarmiert.

Auch Altdorf läuft Sturm

Heftiger Bürgerwiderstand schlägt den Stromtrassenplanern derzeit auch in der Region Altdorf im Nürnberger Land entgegen. Den Protest koordiniert dort Bettina Frenzke. Nach ihren Angaben haben sich in den vergangenen zwei Wochen außer in Altdorf auch in den benachbarten Ortschaften Hegenhausen, Unterrieden und Hegnenberg Initiativen gebildet. Auch im Nachbarort Weißenbrunn und in Unterölsbach hätten Bürger Widerstand gegen die Amprion-Pläne angekündigt. Alle Initiativen seien dabei, sich untereinander zu vernetzen. „Da kocht nicht jeder seine eigene Suppe“, betont Frenzke.

Wie sehr die Trassenpläne auch in der Ortschaft Berg nahe Neumarkt in der Oberpfalz für Unmut sorgen, zeigte sich in der vergangenen Woche bei einer Informationsveranstaltung von Amprion in der Nürnberger Meistersingerhalle. Rund drei Dutzend Mitglieder der Berger Initiative „Trassenwahn 17.01“ drohten mit minutenlangem Tröten und Trillerpfeifenkonzert die Veranstaltung zu sprengen. „Die Leute sind zornig, weil man ihnen eine Planung hingeknallt hat und sie nichts mehr daran ändern können“, sagt Sprecher Bastian Fürst. Eine weitere Protestaktion ist am Mittwoch auf dem Berchinger Rossmarkt geplant.

Amprion-Projektsprecherin Joelle Boullion ist nicht grundsätzlich überrascht vom Widerstand – aber die Heftigkeit, mit der gerade in Bayern protestiert wird, habe sie allerdings noch nie erlebt. Das Verhalten einiger Besucher bei der Nürnberger Info-Veranstaltung empfinde sie als „erschreckend“. Zugleich bat sie die Bürgerinitiativen bei der Debatte um die Stromtrasse um „Fairplay“. Grundsätzlich, so versichert sie, stehe Amprion für einen Dialog mit den örtlichen Initiativen bereit.

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