Versorgung von Asylbewerbern: "Schande für den Freistaat"

16.4.2014, 20:43 Uhr
"Keiner weiß, was im Notfall zu tun ist": Die Gesundheitsversorgung von Asylbewerbern in Bayern (hier ein Blick in das Aufnahmelager Zirndorf)  lässt nach Ansicht des Flüchtlingsrats zu wünschen übrig.

© Horst Linke "Keiner weiß, was im Notfall zu tun ist": Die Gesundheitsversorgung von Asylbewerbern in Bayern (hier ein Blick in das Aufnahmelager Zirndorf) lässt nach Ansicht des Flüchtlingsrats zu wünschen übrig.

Arif Tasdelen, Landtagsabgeordneter aus Nürnberg und integrationspolitischer Sprecher der SPD im Landtag fand deutliche Worte: Es sei eine „Schande für den reichen Freistaat, dass nicht für eine umfassende Gesundheitsversorgung bei Asylbewerbern gesorgt wird“.

Am Dienstag waren zwei Pförtner und eine Mitarbeiterin des Zirndorfer Aufnahmelagers im Kreis Fürth (ZAE) vom Amtsgericht Fürth zu Geldstrafen verurteilt worden. Ihnen war vorgeworfen worden, sich Ende 2011 nicht um ein schwer erkranktes einjähriges Kind gekümmert zu haben. Die verzweifelten Eltern von Leonardo waren darauf verwiesen worden, sich erst einen Krankenschein zu besorgen. Der Fall hatte bayernweit für Schlagzeilen gesorgt.

"Organisierte Verantwortungslosigkeit"

Alexander Thal, Sprecher des Bayerischen Flüchtlingsrates, erklärte, dass die in Zirndorf herrschende „organisierte Verantwortungslosigkeit“ auch in anderen Flüchtlingseinrichtungen zu beobachten sei. „Keiner weiß, wie im Notfall zu verfahren ist.“ Als Ursache machte er das sogenannte Asylbewerberleistungsgesetz aus. Danach erhalten Flüchtlinge nur bei akuten Erkrankungen oder schmerzhaften Zuständen eine medizinische Versorgung. Die Entscheidung darüber treffe kein Arzt, sondern ein Angestellter des Sozialamts.

Es sei „ärgerlich“, dass der Leiter der Erstaufnahmeeinrichtung in dem Prozess nur als Zeuge gefragt gewesen sei, sagte Thal. Wenn ein langjähriger Leiter nicht sicherstellen könne, dass sich solche Vorfälle ereigneten, „dann hat er da nichts verloren und muss von der Stelle weg“. Der Sprecher des Flüchtlingsrats forderte, das Asylbewerberleistungsgesetz zu streichen. Bis dahin könnte der Freistaat so verfahren wie Bremen. Die Hansestadt hat eine Vereinbarung mit der AOK getroffen. Danach bekommt jeder Flüchtling eine Chip-Krankenkarte. Das sei nicht teurer, sondern sogar billiger als das andere praktizierte Verfahren.

So weit will Arif Tasdelen nicht gehen. Stattdessen forderte er mehr medizinisches Personal vor Ort und einen leichteren Zugang zu niedergelassenen Ärzten. „Es darf sich nicht wiederholen, dass dringend benötigte ärztliche Versorgung von Mitarbeitern der Unterkunft nicht gewährt wird!“ Der SPD-Politiker kündigte eine entsprechende parlamentarische Initiative an, denn: „Dass Leonardo nicht an einer bakteriellen Infektion verstorben ist, war nur großem Glück und dem beherzten Eingreifen der Ärztin zu verdanken, zu der die Familie noch zwei Kilometer zu Fuß gehen musste.“

Tragischer Einzelfall?

Die Regierung von Mittelfranken als übergeordnete Behörde der Erstaufnahmeeinrichtung bezeichnete den Vorfall als „tragischen Einzelfall“. Die ärztliche Versorgung der Bewohner sei „sichergestellt“, hieß es am Mittwoch auf Anfrage. Die verurteilte Verwaltungsmitarbeiterin, die über eine Zeitarbeitsfirma bei der Regierung beschäftigt und bei der ZAE Zirndorf eingesetzt war, ist mittlerweile nicht mehr für die Regierung tätig. Die Mitarbeiter des Pfortendienstes, die bei einem Sicherheitsunternehmen angestellt sind, werden nicht mehr für den Pfortendienst eingesetzt.

Nach eigenen Angaben war die Regierung von Mittelfranken in der Vergangenheit bemüht gewesen, die ärztliche Versorgung auf dem Gelände der Einrichtung zu verbessern. Aufgrund des beengten Platzes war der Kauf eines angrenzenden Grundstücks geplant, um dort ein „medizinisches Versorgungszentrum“ zu errichten, hieß es.

Das Grundstück konnte jedoch nicht erworben werden. Derzeit werde geprüft, ob auf dem Gelände selbst ein geeignetes Gebäude errichtet werden könne. Es seien noch baurechtliche Fragen zu klären.

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