Dettenheims ungewöhnliches Gotteshaus

22.9.2016, 08:29 Uhr
Dettenheims ungewöhnliches Gotteshaus

© Leykamm

Ein großes Fest gab es vor zehn Jahren, als die Kirche ein halbes Jahrhundert alt wurde. Der aktuelle runde Jahrestag hingegen verfügt über ein deutlich abgespecktes Programm. Es besteht im Wesentlichen aus zwei Schwerpunkten: zum einen der Festgottesdienst um 9.00 Uhr und zum anderen das Kinder- und Familienkonzert mit Regionalkantor Robert Lehner um 15.00 Uhr.

Anfänge im „blauen Saal“

Die Baugeschichte der Scheunenkirche von Beginn an verfolgt hat Georg Reichl, Lektor vor Ort und ehemaliges Pfarrgemeinderatsmitglied. Als Schneid Mitte der 50er-Jahre das Projekt initiierte, war der heute 76-jährige Reichl noch ein Teenager. Auch die Vorgeschichte ist ihm bestens vertraut. 1932 hatte die aus Aschaffenburg stammende Familie Vorbeck das Pappenheimer Grafenschlösschen erworben und die Erlaubnis erhalten, dort das heilige Messopfer etwa bei Taufe oder Erstkommunion zu feiern. Als viele katholische Heimatvertriebene sich nach dem Zweiten Weltkrieg hier ansiedelten, entwickelte sich das Gebäude zum Pfarr- und Gotteshaus. Bis zu 300 Gläubige konnten bei Gottesdiensten im sogenannten „blauen Saal“ verzeichnet werden.

Dettenheims ungewöhnliches Gotteshaus

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1956 begann dann die Wirkungsgeschichte von Kurat Schneid, dem es in den improvisierten Räumlichkeiten bald zu eng wurde. Sein Blick fiel auf das benachbarte Scheunengebäude – und er krempelte die Ärmel hoch. Es wurde entrümpelt, eine Wand durchbrochen, ein unterkellerter Anbau für den Chor und die Sakristei geschaffen sowie der Dachboden in eine Empore mit Kapellenfunktion umgewandelt. Auch die Orgel ist seitdem dort oben beheimatet. Der Fußboden wurde mit Solnhofener Platten belegt.

Als Motor des Ganzen gelang es Gregor Schneid, zahllose Helfer für das Projekt zu gewinnen. Egal welche Konfession jemand hatte – alle pack­ten mit an. Schneid selbst betätigte sich zudem auch noch künstlerisch. Unter anderem hat er sich mit einem Kreuzweg auf der Empore verewigt, die auch einen St.-Michaels-Altar ziert, sowie eine Ikone vor dem Altarraum selbst gemalt. Schneid nahm dazu eigens Unterricht beim Heimatkünstler Heinrich Mangold.

Der Kurat bewies auch seelsorgerlich Mut und predigte schon vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil in der Scheunenkirche „zum Volk hin“. Im Besitz der Kirche ist das Gebäude aber bis heute nicht, sie hat lediglich ein Nutzungsrecht von 99 Jahren eingeräumt bekommen – nun also sind es noch 39.

Der Eigentümer, der in Straßburg lebende und sich dort für Europa starkmachende Dr. Michael Vorbeck, wird am Sonntag auch bei den Feierlichkeiten mit dabei sein. Sein eigener Opa hat übrigens noch im Alter von 81 Jahren ministriert, wie Reichl weiß. Das Wappen der Familie Vorbeck findet sich an der Wand der Scheunenkirche wieder, die überhaupt voller Hingucker ist. Über dem Weihwasser etwa befinden sich drei Ammoniten aus dem Dettenheimer Wald. Ganz ungewöhnlich ist das Auge Gottes, das dem Besucher vom Steinboden entgegenblickt. Ebenso im Boden wie im Fenster ist das Deutschordenskreuz zu sehen.

Dettenheims ungewöhnliches Gotteshaus

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Das über dem Altar hängende Kreuz ist aus Eisen herausgefräst und mit Kupfer hinterlegt, im Reliquienschrein sollen sich Überreste der Heiligen aus den Katakomben befinden. Eingefasst ist er von Steinen ehemaliger Bauernhöfe aus Suffersheim, was die Verbundenheit mit den evangelischen Chris­ten dort verdeutlicht. Ein Stein soll sogar von der ursprünglichen Gunthildiskapelle stammen. Der Taber­nakel hat eine eigene Halterung aus festem Mauerwerk verpasst bekommen – er wiegt stolze sieben Zentner.

Zwei Achsen als Kreuz

Von außen ist die Kirche unter anderem durch ein Kreuz auf dem Dach als solche erkennbar. „Es besteht aus zwei Wagenachsen“, wie Reichl weiß. Noch deutlicher auf das Gotteshaus verweist der Glocken-Holzturm vor ihr. Er wurde seit seinem Bau 1956 alle 20 Jahre saniert. Mal war das Holz morsch, mal höhlten ihn die Ameisen aus. Nach dem Gesetz der Serie wäre er eigentlich heuer wieder mit einer Maßnahme dran gewesen, was dem Turm aber erspart blieb. Auch die Kirche selbst hat schon einige Sanierungen vor allem im Kampf mit dem Holzwurm hinter sich.

2008 wurde die Bittner-Orgel aus Heideck aus dem Jahr 1820 restauriert und wird seither elektrisch betrieben. Die Position auf der Empore sorge für eine einmalige, ausgeglichene Akustik, wie Reichl erklärt. Und außerdem für eine „gute Möglichkeit des Pfarrers, mit dem Organisten zu kommunizieren“, fügt der Weißenburger Dekan Konrad Bayerle hinzu.

Ihren besonderen Charme entfaltet die Scheunenkirche bei Christmetten und anderen Feierlichkeiten. Dann kommen auch die selbst gegossenen Kerzen von Georg Reichls schon verstorbener Mutter zum Einsatz. Der Stab der Begeisterung für die Scheunenkirche wird derzeit an die junge Generation weitergereicht. Johannes Stettinger hat schon mit 16 Jahren als Mesner ausgeholfen. Nun wird er bald volljährig.

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