Blühende Landschaften in Altmühlfranken

27.2.2015, 15:09 Uhr
Blühende Landschaften in Altmühlfranken

© WT-Archiv

Dass ein Ingenieur aus der Altmühlstadt in der Weißenburger Doerfler-Villa über die Wirtschaft im Landkreis spricht, hätte es vor zehn Jahren nicht gegeben. In Weißenburg-Gunzenhausen, einem kleinen Landkreis in der fränkischen Provinz, fummelten zwei kleine Städte samt Umland weitgehend autonom vor sich hin: die späten Folgen der Gebietsreform, die 1972 die beiden Städte per Bindestrich zum Landkreis kettete.

Das Klein-Klein war nicht der einzige Grund für die Prognos-Panne von 2004, aber ein wesentlicher. Die Studie versenkte Weißenburg-Gunzenhausen auf Platz 322 – von 401 deutschen Landkreisen und kreisfreien Städten. Umgerechnet auf die Bundesligatabelle: Rang 15 von 18. Abstiegszone. Ein Donnerschlag für viele, die es sich hier behaglich eingerichtet hatten, Wind unter den Flügeln derer, die eine neue Dynamik forderten.

Blühende Landschaften in Altmühlfranken

© WT-Archiv

Elf Jahre später in der Doerfler-Villa, dem Sitz der Firma Alfmeier, Pressegespräch mit der inzwischen zum Landkreis-Gremium fusionierten IHK: Vier Firmenchefs sitzen unter der Stuckdecke des imposanten Altbaus, zwei aus Weißenburg, zwei aus Gunzenhausen. Die Stimmung ist aufgeräumt. Seit zwei, drei Jahren freut man sich über neue Regionalrankings, weil es nicht steil, aber stetig nach oben geht.

Der Prognos-Schock öffnete Türen

Der rasante Bevölkerungsschwund? Kleiner ausgefallen als gedacht, zuletzt freute man sich sogar über ein leichtes Plus. Prognos? Der Landkreis steht auf Rang 229, fast 100 Plätze besser als vor einem Jahrzehnt. In der Bundesliga wäre das Rang zehn. Da winkt noch nicht das internationale Geschäft, aber immerhin: Das Abstiegsgespenst geht anderswo um.

Ist die Lage wirklich so gut? Andreas Gebhardt, der Alfmeier-Chef, der zehn Jahre das lokale IHK-Gremium führte, muss nicht lange über­legen: „Ich würde sagen, dass die Situation eher noch besser ist“, sagt er. „In der Wahrnehmung der Region hat ein Wandel stattgefunden, weg vom Bedauern, hin zum Neid.“ Und diese Meinung hat er nicht exklusiv, wie man im Gespräch mit Politikern und Wirtschaftsmenschen von außerhalb immer wieder erfährt. Ob es nun Neid ist oder nur Interesse, die neue Dynamik im Landkreis wird beachtet. Man traut der Region wieder etwas zu.

Was ist passiert? In elf Jahren? Der Prognos-Schock hat weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit Ergebnisse gezeitigt. Die greifbarste Folge gab es in der Politik. Landrat und -wirt Georg Rosenbauer (CSU) trat ab, die Altersgrenze erlaubte ihm keine erneute Kandidatur mehr. In Sachen Dynamik und Visionen war es ohnehin nicht mehr seine Zeit. Dass die CSU-Granden im Landkreis 2008 Franz Xaver Uhl als Nachfolger in den Ring schickten, war ein Statement. Uhl hatte keinen überragenden Bekanntheitsgrad, aber der damalige Beilngrieser Bürgermeister galt als ruhe­loser Macher: ungeduldig, voller Ide­en, Gestaltungswillen und Energie, manchmal bis an die Grenzen des Erträglichen und gelegentlich darüber hinaus.

Die Prognos-Watschn öffnete Spielräume und Uhl als neuer Landrat nutzte sie. In knapp drei Jahren stellte er den Landkreis vom Kopf auf die Füße und wieder zurück. Als er 2011 in Würzburg an einer Leukämie-Erkrankung im Alter von 55 Jahren starb, hinterließ er ein vor Erschöpfung japsendes Weißenburg-Gunzenhausen. Man hatte aufgeholt, der Reformeifer allerdings war erlahmt. Viel war begonnen, wenig zu Ende gebracht, alles im Schwange.

In der Doerfler-Villa ist es den Un­ternehmern nun ein bisschen viel des Lobes geworden. Nein, die Konsolidierung des Erreichten sei zu wenig, sagt Olaf Pattloch, der nach sieben Jahren nun den stellvertretenden Vorsitz des IHK-Gremiums abgegeben hat. „Konsolidierung klingt nach Stillstand. Wir müssen weitermachen.“ Im Anschluss referiert der neue Mann an der IHK-Gremiums-Spitze, Paul Habbel, seine Vision, wie man Altmühlfranken zum Blühen bringt.

Wägemann auf dem Bulldog

Das Bild ist gut gewählt. Der Boden ist gelockert, die Furchen gezogen, der Dünger eingebracht, jetzt gilt es zu säen, um eines Tages die Ernte ein­zufahren. Auf dem Bulldog des Landkreises sitzt mittlerweile Gerhard Wägemann im Führerhäuschen. Im November 2011 übernahm er als Landrat die Nachfolge von Uhl. Er führte dessen große Linien weiter, stieg an an­derer Stelle aber auch auf die Bremse. Er verhinderte so, dass der Zug von den Gleisen sprang, sagen die einen, andere murren – wie etwa die Kultur­szene, in der man manch Uhlsche Vision gemeuchelt sieht.

Dem Landkreis tat Wägemann gut, auch weil ihn die Großen der CSU im Freistaat überreden mussten, vom Landtag ins Landratsamt zu wechseln. In der Folge gab es Rückenwind aus München. Fördergelder, Pilotprojekte, und mit dem Kunststoffcampus wanderte gar eine zweite Hochschule in den Landkreis. Den Freien Wähler Wolfgang Hauber hatte man noch ausgelacht, als er im Wahlkampf von der Ansiedlung von Hochschulen als politisches Ziel gesprochen hatte . . . So schnell ändern sich die Zeiten.

Gerettet ist Weißenburg-Gunzenhausen damit noch lange nicht. Zwischen brummenden Landkreisen wie Eichstätt oder Roth sitzt man immer noch als die arme Verwandtschaft am Tisch. Jetzt aber ist man immerhin nicht mehr nur arm, sondern auch ein bisschen sexy. Dem Landkreis wird wieder zugetraut, aus eigener Kraft auf die Füße zu kommen – wenn, ja wenn man einen Weg findet, die atemraubende Reformhatz der Uhlschen Jahre in eine kontinuierliche Aufholjagd zu überführen. Mit Joggen kommt man eben weiter als im Sprint.

4 Kommentare