Den WM-Traum in Brasilien live miterlebt

1.8.2014, 08:00 Uhr
Den WM-Traum in Brasilien live miterlebt

© Privat

„Mittendrin statt nur dabei.“ Mit diesem Slogan könnte man die Erlebnisse von Thomas Lindner und Tobias Brickel überschreiben. Sie waren mehrere Wochen in Brasilien zu Gast und waren nicht nur als Zuschauer bei vielen deutschen Spielen im Stadion, sondern sie lebten vielfach in einheimischen Familien. Die entsprechenden Kontakte hatten sie über Freunde und Bekannte geknüpft. „Dadurch, dass wir mit Brasilianern gewohnt haben und unterwegs waren, konnten wir die WM-Städte mit ihren Sehenswürdigkeiten, alles rund um die Weltmeisterschaft und das Land aus einer anderen Perspektive viel besser kennenlernen“, berichten beide im Nachhinein.

Gute Stimmung überragte alles

Die Eindrücke vom Gastgeberland waren dabei „sehr positiv“, wie sie unterstreichen. Zwar wirkten Infrastruktur und das Drumherum in den WM-Spielorten oftmals sehr unorganisiert, „doch haben die Gastfreundlichkeit, die gute Stimmung unter den Fans aller Nationen und die Fröhlichkeit der Brasilianer das Gesamtbild überragt“. Und selbst nach dem jetzt schon legendären Halbfinalsieg der deutschen Mannschaft erwiesen sich die Brasilianer als überaus faire Verlierer – doch dazu später noch mehr.

Zuerst einmal die Frage, wie es zu der Reise kam. Tobias Brickel und Thomas Lindner spielen beide beim SC Ettenstatt Fußball. Im WM-Jahr passte ihr berufliches und privates Timing perfekt zur Weltmeisterschaft: Tobias ist 22 Jahre alt, stammt aus Engelreuth (Gemeinde Pleinfeld), studiert „International Management“ an der Hochschule in Augsburg und absolviert seit März ein Auslandssemes­ter in der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires. Da bot sich ein Abstecher ins Nachbarland förmlich an. Der 24-jährige Thomas kommt aus Weiboldshausen, hat vor Kurzem in Regensburg sein Lehramtsstudium (Ma­the/Sport) abgeschlossen und hat danach eine Weltreise gestartet. Da durfte Südamerika nicht fehlen. Die WM in Brasilien zog er von Anfang an in seine Planungen mit ein.

Zusammen buchten beide über die FIFA ein Follower-Ticket für ihre Nationalelf und erlebten die ersten vier deutschen Partien in Salvador de Bahia (Portugal, 4:0, „Was für ein Spiel“), Fortaleza (Ghana, 2:2, „Mega cool“), Recife (USA, 1:0, „Regenchaos“) und Porto Alegre (Algerien, 2:1 n. V., „Spannung kaum zu überbieten“). Mit Auto, Bus und Flugzeug legten beide Tausende von Kilometern zu den Spielorten zurück, waren immer wieder fasziniert von der Herzlichkeit der Brasilianer und spürten auch eine freundliche Stimmung der anderen Nationen gegenüber dem Team von Jogi Löw und dessen Anhängern.

Es gab aber auch Negativerlebnisse – vor allem einen nächtlichen Überfall nach dem Spiel in Salvador de Bahia. Auf dem Weg zur Unterkunft wurden die beiden mit ihrer Gruppe in einer dunklen Gasse von zwei Jugendlichen überrascht. Tobias erwischte es als Letzten der Gruppe. Er wurde mit einer Machete bedroht und an der Hand verletzt. Die jungen Räuber entdeckten seine Kamera in der Hosentasche und waren nach Sekunden wieder weg.  „Brasilien bleibt eines der gefährlichsten Länder der Welt. Die Kluft zwischen Arm und Reich ist enorm“, stellten Tobias und Thomas fest. Sie hörten auch von weiteren Überfällen.

Nach dem Achtelfinale in Porto Alegre trennten sich die Wege der beiden Fußballfreunde. Tobias musste zurück nach Buenos Aires, um seine Prüfungen zu absolvieren. Thomas setzte seine Weltreise in Belo Horizonte und Rio de Janeiro fort. „Belo“ sollte ihm ein besonderes Highlight bescheren – das Halbfinale zwischen Brasilien und Deutschland. Er gehörte zu den rund 4000 glücklichen deutschen Fans, die eine Karte hatten. „Die Atmosphäre vor dem Stadion war locker und entspannt“, erzählt er. Innen sangen die Deutschen bei der Hymne zwar, „was die Stimmbänder hergaben“, doch dann kam der „überwältigende Chor inbrünstig singender Brasilianer, der Gänsehaut verbreitete“.

Im Lauf der Partie sollten dann allerdings die deutschen Fans Tor für Tor die Stimmhoheit bekommen. Zum Teil sangen sogar brasilianische Fans mit („Oh wie ist das schön“), und am Ende bejubelte der schwarz-rot-goldene Block den 1:7-Ehrentreffer der Seleção fast mehr als die Einheimischen. „Nach dem Spiel war die Stimmung der Brasilianer zwar geknickt, sie gaben sich aber als faire Verlierer und wünschten den Deutschen viel Glück fürs Finale“, berichtet Thomas. „Man musste keine Angst vor aggressiven Fans haben, es war ein friedliches Miteinander.“

Das Finale gegen Argentinien erlebte der Weiboldshausener in Rio – allerdings nicht im legendären Marcanã-Stadion, wo Tickets für über 4000 Dollar eindeutig zu teuer waren, sondern an einer Bar an der berühmten Copacabana, wo er mit rund 2000 anderen deutschen Fans bis morgens um vier den WM-Sieg feierte. Gesänge gab es die ganze Nacht hindurch und es war weitgehend friedlich. Beson­ders sehenswert: An einem benachbarten Haus wurde nach dem Siegtreffer ein überdimensionales Götze-Trikot aus dem Balkon gehängt.

„Einmaliges Erlebnis“

Tobias Brickel verfolgte die Partien ab dem Viertelfinale dagegen in einer deutschen Bar in Buenos Aires. Von den Ausschreitungen, Drohungen und der Gewalt der Argentinier gegenüber den deutschen Fans bekam er einiges mit („eine interessante Erfahrung“), zieht aber dennoch zusammen mit Thomas Lindner ein rundum positives Fazit: „Die Zeit war überragend. Ein einmaliges Erlebnis! Wir waren Teil der WM in Brasilien, wo Deutschland den vierten Stern geholt hat. Die beste Erfahrung waren aber die gute Stimmung vor Ort und die Gastfreundlichkeit und Fröhlichkeit der Brasilianer.“

Die beiden haben natürlich noch viel mehr zu erzählen. Tobias Brickel kann dies bereits ab nächster Woche tun, wenn er am 6. August von seinem Auslandssemester in heimische Gefilde zurückkehrt. Thomas Lindner wird dagegen noch länger unterwegs sein und bis Februar 2015 durch Südamerika, Australien und Asien reisen. Die Erlebnisse in Brasilien dürften sich dabei allerdings kaum noch toppen lassen.

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