Ellingen zur barocken Perle gemacht

5.9.2016, 08:29 Uhr
Ellingen zur barocken Perle gemacht

© Robert Maurer

Die Eröffnung der Ausstellung sorgte für einen großen Gehauf. Die Plätze der Schlosskirche reichten nicht aus und es mussten zusätzliche Stühle hereingetragen werden. Die schmucke Kirche mit ihrem herrlichen Ambiente erwies sich dabei als großes Manko. Denn die Sprachakustik in dem Gotteshaus ist schlicht schlecht. So gab es bei den einzelnen Reden immer wieder Zwischenrufe aus den hinteren Reihen, dass nichts zu verstehen sei. Ohne Mikrofon und Verstärkung war es besser, aber noch lange nicht gut.

Für Musik bestens geeignet

Dafür funktionierte die Akustik hervorragend beim musikalischen Höhepunkt des Tages: der Uraufführung der „Symphonie in Dis“ von Johann Urban Alois Hoffstetter, der im 18. Jahrhundert als Oberamtsassessor des Deutschen Ordens in Ellingen Dienst tat. Sechs Symphonien sind von ihm in gedruckter Form überliefert, die am Samstag erstmals öffentlich gespielte lag nur handschriftlich vor.

Das Ensemble „L’arpa festante“ aus München hat sich darauf spezialisiert, Orchester-Werke möglichst im Originalklang ihrer Zeit zu präsentieren. Ergänzt wurde das Orchester durch Musiker aus Mittelfranken. Das Ergebnis war eine virtuose Klangfreude, die der Bayerische Rundfunk für sein Klassik-Programm aufzeichnete. Das Werk ist eingängig und verbreitet eine spielerische Leichtigkeit, die anste­ckend ist.

Solchermaßen beschwingt konnten sich die fast 200 Gäste der offiziellen Eröffnung daran machen, die eigent­liche Ausstellung zu erkunden. In den Sonderausstellungsräumen des Kulturzentrums Ostpreußen im zweiten Obergeschoss lernt man viel über die Entstehung einer High Society, Hexenverfolgungen, die Henker, die ergebnislose Suche nach der Hofkapelle, die Soldaten des Deutschen Ordens, die Entwicklung des Hospitals, die Entstehung des Franziskanerklosters oder die jüdische Gemeinde – vorausgesetzt man bringt ein wenig Zeit mit. Denn die in den vergangenen Monaten akribisch recherchierten Erläuterungstexte von Kurator Hermann Seis wollen schon genau studiert werden. 800 Jahre sind ja auch kein Pappenstiel. Optisch ansprechend aufbereitet hat die Präsentation Bernhard Denga vom Kulturzentrum Ostpreußen. Zu sehen ist die Ausstellung bis Anfang März nächsten Jahres.

Ellingen zur barocken Perle gemacht

© Robert Maurer

Besonders geprägt hat der Deutsche Orden Ellingen im 18. Jahrhundert. Das heutige Schloss, die Pfarrkirche St. Georg, die Schlosskirche, das Franziskanerkloster, die Wirtschaftsgebäude, die Schlossmühle und die Neue Gasse entstanden und bildeten eine barocke, in sich geschlossene Residenz mit Schloss und vorgelagerter Stadt, stellte in seinem prägnanten Festvortrag Dr. Udo Arnold heraus. Der Präsident der Internationalen Historischen Kommission zur Erforschung des Deutschen Ordens hat die 800 Jahre erstaunlich kompakt und kurzweilig zusammengefasst (siehe gesonderten Bericht). Sein Beitrag findet sich ebenso wie die Erläuterungstexte von Hermann Seis in dem gelungenen Ausstellungskatalog, der in der Reihe der Ellinger Hefte erschienen ist.

Besuch des Hochmeisters

Eine besondere Würdigung erfuhr die Ausstellung in Ellingen durch Abt Dr. Bruno Platter, dem 65. Hochmeis­ter des Deutschen Ordens. Der 72-Jährige ging in seinem Grußwort darauf ein, dass der Deutsche Orden zuletzt gleich mehrere Jubiläen zu feiern hatte. Unter anderem galt es 825 Jahre päpstliche Bestätigung des Ordens oder 800 Jahre Deutscher Orden in Koblenz und Köln zu begehen. Solche Jubiläen seien Anlass zur Besinnung und zur Dankbarkeit, um die Tradition in die Zukunft zu tragen, sagte der aus Südtirol stammende Hochmeister, der nach der Ausstellungs­eröffnung noch eine Messe in Ellingen zelebrierte.

Ministerialrat Dr. Wolfgang Freytag als Vertreter des Bayerischen Sozialministeriums lobte die „hervorragende Arbeit“, die das Kulturzentrum Ostpreußen unter der Leitung von Wolfgang Freyberg leiste. Freyberg stellte fest, dass der Deutsche Orden das sei, „was Ostpreußen und Ellingen untrennbar miteinander verbindet“. Und für Bezirksrat Alexander Küßwetter ist der Deutsche Orden in Ellingen „ein historisches Juwel“, auf das der Bezirk stolz sei. Er sprach sein Grußwort auch im Namen von Landrat Gerhard Wägemann, Landtagsabgeordnetem Manuel Westphal und Bernhard Amend, dem Leiter der Bezirksverwaltung.

Zum Thema

Ellingen sähe heute sicher anders aus, hätte vor 800 Jahren nicht Friedrich II. dem Deutschen Orden das Hospital bei Ellingen geschenkt. Die Anfänge der Ritterkorporation in der Stadt waren zwar bescheiden, doch es sollte auch glanzvollere Zeiten geben, wie Professor Dr. Udo Arnold in seinem Festvortrag „800 Jah­re Deutscher Orden in Ellingen“ he­rausarbeitete.

Im 13. und 14. Jahrhundert konnte sich Ellingen vor allem in Richtung Westen weitgehend ungehindert entwickeln, weil die nahe gelegene Freie Reichsstadt Weißenburg mit sich selbst zu kämpfen hatte und dem nichts entgegensetzen konnte. Auch im Raum Donauwörth, wo der Deutsche Orden ebenfalls vertreten war, breitete sich die Ordenskommende aus. Dank landwirtschaft­licher Flächen, Wäldern, Mühlen und Fischteichen erwirtschaftete der Orden Gewinne. Später stiegen die Ritter im Namen des Papstes auf Schafzucht um, weil dafür weniger Arbeiter erforderlich waren und sich Fleisch und Wolle gut verkaufen ließen.

Ellingen zur barocken Perle gemacht

© Robert Maurer

Die Ordensprovinz Franken entstand als jüngste innerhalb des Reiches. Ab wann genau Ellingen Sitz des Landkomturs wurde, ist nicht vollends belegt. Gemeinhin gehen die Historiker aber vom Jahr 1377 aus. Ellingen galt als der östliche Schwerpunkt der Ballei Franken, Mergentheim als der westliche mit unterschiedlichen Ausrichtungen. Die Konkurrenzsituation zwischen den beiden Orten sollte sich über die Jahrhunderte hinweg erhalten.

Während der Bauernunruhen 152 musste der Ellinger Landkomtur sich an die Ansbacher Markgrafen wenden, um Schutz zu bekommen. Die wollten sich die Ländereien am liebsten gleich selbst unter den Nagel reißen. Es war eine schwierige Aufgabe für den Landkomtur, dies abzuwenden. Aber es gelang ihm sogar, die reformatorischen Bestrebungen aus Ansbach und Weißenburg abzuhalten und Ellingen zur katholischen Insel im lutherischen Umland zu machen, wie Udo Arnold ausführte.

Doch Mitte des 16. Jahrhunderts führten die Streitigkeiten mit Ansbach schließlich zur Zerstörung Ellingens. Der Dreißigjährige Krieg in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts, tat sein Übriges, um Ellingen zu schwächen. Die Zahl der Einwohner sank auf 150 – ein Fünftel.
Die Hochzeit des Deutschen Ordens in Ellingen markierte das 18. Jahrhundert. Die Ballei hatte Geld und baute mit großer Lust. Landkomtur Karl Heinrich von Hornstein hatte in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts große Freude daran, Ellingen zu entwickeln. Das Schloss, die Pfarrkirche St. Georg, die Schlosskirche samt Turm, das Franziskanerkloster, die Wirtschaftsgebäude, die Schlossmühle und die Neue Gasse entstanden. Die Gründe, weswegen sich Ellingen heute stolz „Die Perle des fränkischen Barock“ nennt.

Doch die Verantwortlichen des Deutschen Ordens hatten sich offensichtlich überhoben. Es wurde finanziell immer enger. Und in Mergentheim verfolgte man die Entwicklung Ellingens mit Argwohn. Die Spannungen nahmen zu. Und 1789 war es schließlich vorbei mit dem Sitz des Landkomturs in Ellingen. Die Mergentheimer übernahmen die Herrschaft, Ellingen wurde zum Deutschordens-Oberamt. Die Verwaltung wurde weitgehend abgezogen. Das Geld fehlte. Hofkomponist Johann Alois Urban Hoffstetter beklagte sich ab dem Jahr 1800 mehrfach darüber, dass er nicht bezahlt wurde und er deshalb bereits „das Vermögen seiner dritten Frau“ verbrauchen musste, wie Hermann Seis schmunzelnd schilderte. Nach dem Tod seiner Frau hätte Hofstetter keine andere Wahl gehabt, als „zur Existenzsicherung“ noch rasch die Tochter des Apothekers zu hei­raten.

Der Rückzug des Deutschen Ordens wirkte sich auch auf den Handel und das Handwerk vor Ort gravierend aus. Doch lange wäre es wohl ohnehin nicht mehr gut gegangen. Die Stärke Napoleons und die Verschiebungen innerhalb Europas sorgten schließlich dafür, dass das Fürstentum Ansbach an das Königreich Bayern abgetreten wurde. Da­mit wurde auch Ellingen 1806 bayerisch. 1815 erhielt Feldmarschall Carl Philipp Fürst von Wrede für seine Verdienste das Schloss und die zugehörigen Besitzungen. 1939 erwarb das Land Bayern die Residenz. „Die Stadt hatte sich inzwischen eigenständig entwickelt“, stellte Arnold fest.


 

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