Infokampagne um psychische Krankheiten

24.3.2017, 08:44 Uhr
Infokampagne um psychische Krankheiten

© Markus Steiner

So lautet die jeweilige Schlagzeile auf den großen Plakaten, die zur Selbstreflexion anregen und über Handy-, Mager- und Alkoholsucht oder Burn-Out aufklären wollen und auch in Weißenburg hängen. Gregor Plaskacewicz-Hoffmann, Leitender Oberarzt der Psychiatrischen Tagesklinik in Weißenburg, erinnert sich noch genau an die Anfänge der Tagesklinik, die 2009 neben dem Weißenburger Krankenhaus vom Bezirk Mittelfranken eröffnet wurde.

Der Bedarf ist da

„Damals war Burn-Out und Depression ein großes Thema, dennoch wuss­ten wir nicht, welche Patienten überhaupt zu uns kommen.“ Heute weiß der Oberarzt: Der Bedarf ist auf jeden Fall auch in Altmühlfranken da. In der Tagesklinik wurden im vergangenen Jahr 262 Patienten betreut, in der Institutsambulanz 2732. Die Auslastung der Tagesklinik liegt damit bei rund 99 Prozent. Die Patienten kommen aus dem gesamten und aus den benachbarten Landkreisen, vor allem aus Roth.

Das niederschwellige Angebot hat sich Plaskacewicz-Hoffmann zufolge bewährt. Vor allem, weil es einen Beitrag dazu leistet, dass die Menschen, die die Tagesklinik oder die Instituts­ambulanz aufsuchen, nicht stigmatisiert werden. Wer in das Ärztehaus kommt, in dem auch noch das Medizinische Versorgungszentrum (MVZ) und die Radiologie untergebracht sind, muss sich nicht komisch vorkommen. „Wir haben hier keine weißen Kittel an und keine geschlossenen Türen. Jeder kann kommen und gehen, wie er will“, sagt der Oberarzt, der die Zunahme der psychischen Erkrankungen durchaus mit Besorgnis betrachtet.

Einen Anteil daran, glaubt der Mediziner, hat zu einem gewissen Anteil auch die permanente Verfügbarkeit auf der einen Seite und die fehlende Körperwahrnehmung der Menschen auf der anderen Seite. Viele „Workaholics“ würden überhaupt nicht mehr auf die Warnsignale ihres Körpers hören: „Die Leute vergessen sich selbst.“ Statt in sich selbst hinein zu hören, verlassen sich immer mehr Menschen auf technische Hilfsmittel: „Sie brauchen ein Smartphone, um zu wissen, ob sie sich genügend bewegt haben.“ Für Plaskacewicz-Hoffmann ein echtes Paradoxon.

Wie man wieder mehr auf sich selbst und seinen Körper achtet und die ers­ten Beschwerden ernst nimmt, lernen die Menschen in der Tagesklinik. Bei einem ersten Termin in der Instituts­ambulanz wird in einem ausführlichen Gespräch geklärt, ob eine ambulante Behandlung in Frage kommt. Falls diese Frage mit „Ja“ beantwortet wird, steht in Weißenburg ein breites therapeutisches Angebot zur Verfügung: Psychotherapeutische Einzel- und Gruppengespräche, Kreativtherapie, Entspannungsverfahren, soziales Kompetenztraining, Biofeedbacktherapie oder Lichttherapie (zum Beispiel bei Herbst-Winter-Depression).

„Helfende Berufe“ sind gefährdet

Aus seiner Berufspraxis heraus  weiß Plaskacewicz-Hoffmann, dass vor allem „helfende Berufe“ besonders gefährdet sind, an Burn-Out zu erkranken. Fehlende Handlungsspielräume und eine fehlende Wertschätzung, gepaart mit einer ständigen Erreichbarkeit und Dauerstress, führt mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Burn-Out. Wer behauptet, dass er durchaus in der Lage ist, mehrere Aufgaben gleichzeitig zu erledigen, also „multitaskingfähig“ ist, der betrüge sich dem Psychiater zufolge nur selbst: „Multitasking gibt es nicht. Versuchen Sie einmal zwei Bücher gleichzeitig zu lesen – das geht nicht.“

Silke Berkmann, Kommunikationsmanagerin der Bezirkskliniken Mittelfranken, wäre mehr als zufrieden, wenn die Kampagne „Wo ist die Grenze?“ am Ende ein Ziel erreicht: „Wir wollen, dass auch psychische Erkrankungen normalisiert werden.“ Dazu gehört auch ein sensibler Umgang mit Sprache. Wer leichtfertig Wörter wie „Spasti“, „Schizo“ oder „Psycho“ verwende, trage zur Stigmatisierung im Alltag bei.

Um Vorurteile gegenüber psychisch kranken Menschen dauerhaft abzubauen, braucht es auch aus diesem Grund „einen langen Atem“, weiß der Oberarzt. Die Kampagne will deshalb vor allem einen Denkanstoß geben und dem Thema mehr Aufmerksamkeit verschaffen. Durch das niederschwellige Angebot in Weißenburg trage die Tagesklinik seit nunmehr schon acht Jahren dazu bei, psychiatrische Krankheiten zu enttabuisieren, glaubt der Psychiater: „Wir machen hier tagtäglich eine Anti-Stigma-Kampagne.“

Mehr Infos zu der Anti-Stigma-Kampagne gibt es im Internet unter www.wo-ist-die-grenze.de.

1 Kommentar