Kopflose Skelette in Weißenburg: Waren es Bauarbeiter?

6.11.2016, 15:56 Uhr
Hinrichtungsopfer aus der Zeit des 30-jährigen Kriegs? Im Moment gibt es viele Theorien um die kopflosen Skelette zwischen Augsburger Straße und Holzgasse, aber nur wenig Fakten.

© ADA Hinrichtungsopfer aus der Zeit des 30-jährigen Kriegs? Im Moment gibt es viele Theorien um die kopflosen Skelette zwischen Augsburger Straße und Holzgasse, aber nur wenig Fakten.

Der Fund der beiden Skelette bei Bauarbeiten zwischen Holzgasse und Augsburger Straße im April dieses Jahres war aufsehenerregend. Schon deswegen, weil zunächst die Kriminal­polizei anrückte, um die Skelette zur Untersuchung nach Nürnberg zu brin­gen. Ein Mord schien nicht aus­geschlossen. Und das ist er im Grunde immer noch nicht, aber die Kripo will von dem Fall trotzdem nichts mehr wissen. Das hat allerdings gute Gründe, denn – auch wenn Mord nie­mals verjährt – Straftaten aus Mittel­alter oder Antike verfolgt die moderne Polizei dann doch nicht mehr.

Und es stellte sich bei der Untersu­chung des Skeletts bald heraus, dass es sich hier eher um einen archäolo­gischen denn um einen kriminalisti­schen Fall handelte. Die Stadt Wei­ßenburg beauftragte folgerichtig das vor Ort ansässige Grabungsbüro ADA, das bei der Untersuchung der Bau­stelle gleich noch ein zweites Skelett fand. Beide Körper waren ursprünglich zusammen in einer Grabgrube be­stattet worden, beiden Skeletten fehlte der Schädel.

"Die sind vermutlich bei früheren Bauarbeiten verschwun­den"

Eigenwillig war aber auch der Fundort am sogenannten Grünen Kranz. Es gab keine Hypothese, wa­rum hier jemand hätte begraben werden sollen. An der Stelle gab es laut den historischen Quellen bis zur Neuzeit keine Bebauung. Die nahe Kirche ist zu jung für die Skelette und hat außerdem keinen Friedhof. Das frühere Siechenhaus in der Augsbur­ger Straße ist zu weit entfernt, und für in Notzeiten achtlos entsorgte Opfer von Krankheit, Krieg oder Überfall ist man zu nah an den Stadtmauern.

Inzwischen ist sich Archäologin Andrea Wettinger zumindest relativ sicher, was die Schädel der beiden Skelette betrifft. "Die sind vermutlich bei früheren Bauarbeiten verschwun­den", stellt sie im Gespräch mit unse­rer Zeitung fest. Zunächst ging man davon aus, dass es sich bei beiden Lei­chen um Geköpfte handeln könnte, was die Geschichte noch mysteriöser machte. Inzwischen konnten die Ar­chäologen nachweisen, dass die Ske­lette bereits mehrfach entdeckt wor­den sein müssen. Etwa bei der Verle­gung eines älteren Kabelstrangs, der die Unterschenkel der Skelette ge­kappt hatte und wohl auch bei der letzten Umgestaltung der Grünanlage 1968.

Viele Fragen sind noch offen

Bei dieser Gelegenheit entschied man sich offenbar für eine unbürokra­tische Lösung und machte kein großes Aufheben um die Sache. Möglicher­weise sackte damals aber auch ein his­torisch interessierter oder okkultisch veranlagter Bauarbeiter die beiden Schädel ein, die vielleicht bis heute in irgendeinem Keller liegen.

Am spannendsten bleibt die Frage, aus welcher Zeit die Skelette stammen. Eine sichere Datierung ist un­möglich, weil die zahlreichen Baustel­len das Erdreich durcheinandergewir­belt haben und keine direkten Grab­beigaben gefunden wurden. Zwar fanden sich bei den Grabungen in un­mittelbarer Nähe zu den Knochen etwa eine Spindel aus dem Spätmit­telalter, allerdings könnten die wie auch andere Funde mit einer späteren Verfüllung in die Baugrube gekommen sein.

Waren es Römer?

Andrea Wettinger hält jedoch den Zusammenhang mit einer römischen Villa Rustica auf der anderen Seite der heutigen Augsburger Straße für die wahrscheinlichste Lösung des Rätsels. Das wäre bemerkenswert, weil in Wei­ßenburg bisher zwar allerlei Steine und Objekte aus römischer Zeit auf­tauchten, aber kaum Hinweise auf die Römer selbst.

Endgültig klären könnte wohl nur eine anthropologische Un­tersuchung das Rätsel um die Skelette. "Da könnte man dann feststellen, wel­ches Geschlecht sie hatten, welche Krankheiten, wie alt sie waren und natürlich auch wann sie gelebt ha­ben", erzählt Wettinger. Entscheiden muss darüber das Landesamt für Denkmalpflege, in dessen Außenstelle die Skelette derzeit lagern.

Keine Kommentare