Ohne Kunststoff geht es auch

6.3.2015, 10:28 Uhr
Ohne Kunststoff geht es auch

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Belinda Rühl kommt das jüngste Signal aus Brüssel wie gerufen, dass EU-Staaten künftig Plastiktüten besteuern oder sogar ganz verbieten können. Denn Plastik ist nicht gerade gut für die Umwelt. Und auch nicht für den Menschen, ist die gelernte Optikerin überzeugt: „Spuren von Plastik sind längst in unsere Nahrungskette  eingedrungen und lassen sich sogar im Blutbild nachweisen.“

Deshalb will die 37-Jährige wenigs­tens in ihrer Familie dem Plastik den Kampf ansagen und es – soweit es nur geht – vermeiden. Der konkrete Anlass, etwas in ihrem Leben zu ändern, war der Dokumentarfilm „Plastic Planet“, der zeigt, welche Gefahren durch die Herstellung und Nutzung von Plastik für Mensch, Tier und Umwelt entstehen.

Doch Belinda Rühl weiß nach etlichen Wochen im Selbstversuch auch: Ein Leben ganz ohne Plastik ist nicht möglich. Zwar hat sie inzwischen alle Kunststoffbehälter durch Glasbehälter ersetzt. Der Deckel ist aber auch hier wieder aus Kunststoff. Kurioserweise kommt gerade der Biogemüse-Käufer nicht am Plastik vorbei. „Wa­rum wird ausgerechnet das gute Biogemüse in böse Folie eingepackt?“, fragt sich die zweifache Mutter oft, wenn sie im Supermarkt vor der Bioware steht.

Einkauf am Wochenmarkt

Ihre Erfahrung nach etlichen Wochen im Selbstversuch: Am ehesten kann man Plastik vermeiden, wenn man auf dem Wochenmarkt oder beim Direktvermarkter einkauft. Dann kann Belinda Rühl ihre Stofftaschen und Glasbehälter mitbringen und die Ware ganz ohne Umverpackung einkaufen. Selbst beim Einkauf von Wurst und Fleisch ist es ihr inzwischen geglückt, dass der Metzger ihre Einkäufe direkt in die Glasbehälter einpackt.

Die müssen allerdings, so will es die Hygieneverordnung, hinter der Verkaufstheke bleiben. Denn die euro­päische Lebensmittelhygieneverordnung schreibt vor, dass Hersteller und Handel „nur hygienisch einwandfreie Ware“ abgeben dürfen. Weil die meis­ten Händler Angst haben, dass durch die mitgebrachten Behältnisse Keime eingeschleppt werden könnten, sind von den Kunden mitgebrachte Behälter oftmals tabu.

Obwohl die Weißenburgerin die „No-Plastic-Challenge“ gestartet hat, liegt es ihr fern, anderen ihren Lebensstil aufzuzwingen. „Ich bin kein dogmatischer Mensch“, sagt sie über sich selbst. So toleriert sie es auch, dass ihr Mann ab und zu nach Fertig- und Halbfertigprodukten im Supermarkt greift, weil er selbst nicht so gut kochen kann.

Selbst gekochter Pudding im Glas

Für sie ist das dagegen tabu. Den Pudding in Plastikbechern hat sie durch selbst gekochten Pudding aus Schokolade, Sahne, Milch und Stärke ersetzt, den sie mit ihren beiden Kindern in kleine Gläser mit Deckel abfüllt. Der Mehraufwand für das bewusste Vermeiden von Plastik beim Kochen hält sich ihren Angaben zufolge in Grenzen. Rund zwei bis drei Stunden pro Woche, schätzt Rühl. Bei den Kosten schlage die No-Plastic-Challenge dagegen überhaupt nicht zu Buche. Der Betrag, den sie pro Monat für Lebensmittel einplant, sei völlig gleich geblieben.

Interessant war für sie deshalb auch zu sehen, wie schwer es einigen Mitstreitern gefallen ist, eine vermeintlich leichte Aufgabe zu lösen: „Koche ein Essen, ohne überhaupt ein in Plastik verpacktes Lebensmittel zu verwenden.“ Etliche taten sich schwer, ein Gericht zu finden, bei dem man komplett ohne Plastikverpackung auskommt.

Belinda Rühl rät hier zu traditionellen, einfachen Gerichten, so wie sie die Oma einst gekocht hat: Suppen, Eintöpfe oder Gerichte mit Nudeln. Denn auch die gibt es im Karton zu kaufen. Wenn es um Verpackung geht, greift die Umweltschützerin nun immer zur plastikfreien Alternative. Tempo in der Box statt im Tütchen, Senf im Glas statt in der Tube, Reis und Nudeln im Karton statt im Beutel, Pudding selbst gemacht statt aus dem Becher. „Hier ist einfach eine bewusste Entscheidung gefragt“, erklärt Rühl.

Über das Netzwerk kommen immer wieder auch neue Anregungen und Ideen hinzu. So will die angehende Ernährungsberaterin demnächst neue Zahnbürsten für die gesamte Familie anschaffen, deren Stil aus Holz ist. Ihr Traum wäre ein komplett plastikfreier Supermarkt in Weißenburg, so wie es ihn bereits in Berlin-Kreuzberg oder München schon gibt. Doch auch so ist Belinda Rühl mit dem bislang Erreichten schon recht zufrieden. Statt früher fünf gelbe Säcke verbraucht ihre Familie jetzt nur zwei pro Monat.

Dass sie mit ihrer Idee auch andere infiziert hat, freut sie besonders: „Ich bin richtig begeistert, wie viele Menschen wir schon erreichen konnten.“ Während für die meisten die „No-Plastic-Challenge“ nur ein vorüber­gehendes Projekt war, will Belinda Rühl weitermachen. „Für mich ist das ein Lebensprojekt, auch wenn ich weiß, dass ich alleine nichts ändern kann. Aber irgendwie muss man ja mal unten anfangen...“    

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