Pleinfelder „Sandhosn“: Ein großer Spaß

31.12.2016, 06:16 Uhr
Pleinfelder „Sandhosn“: Ein großer Spaß

© Struller

Es könnte ja so einfach sein auf der Bühne: jeder Schauspieler lernt seinen Text anständig, dann versaut die Gruppe krachend die Generalprobe, damit dann die Premiere – wohlbekannte Schauspielerweisheit – als applausumtoster Erfolg gefeiert werden kann. Hätte, könnte, würde . . .,  dass Bühnenarbeit nicht immer den Regeln folgt, das zeigen die „Sandhosn“ in ihrem neuen Stück, in dem sie das Publikum einer imaginären Generalprobe beiwohnen lässt – samt Premiere, nach einer realen Pause zwischen den beiden Akten.

Die Komplikation besteht für den Zuschauer erst einmal darin, zu erkennen, ob die Schauspieler gerade schauspielern oder aus der Rolle fallen und sich selbst darstellen, dabei aber doch nicht sie selbst sind, weil sie ja auf der Bühne stehen und damit nicht Privatperson sind. Im wahrsten Sinne „Nix als Kuddelmuddel“ also. Die eigentliche Handlung ist dabei natürlich ziemlich krude, weil sie nur pro forma existiert; doch trotz inhaltsleerer Randexistenz darf die Pleinfelder Schauspielertruppe sich in den jeweiligen Pseudo-Rollen richtig austoben.

Den vermeintlich einfachsten Part hat wohl Rainer Braun, er muss einfach nur er selbst sein: der Regisseur Rainer Braun (was er auch bei den „Sandhosn“ ist) für das Bühnenstück im Bühnenstück und daneben ein namenloser Fensterputzer (mit geringer schauspielerischer Herausforderung). Es ist wahrscheinlich so wie beim Kochen: die vermeintlich einfachen Dinge sind oft die schwierigsten und wenn dem so ist, dann meistert Braun seine Aufgabe mit Bravour.

Als Spielleiter gibt er die Parole aus „durchspielen, konzentrieren, im Notfall improvisieren“, ist aber ob der Leistung und des Engagements seiner Truppe stets am Rande des Nervenzusammenbruchs. Als Fensterputzer ist Braun unterfordert, weswegen er hinter den Kulissen das eine oder andere Abenteuer pflegt, während er auf der Bühne unter der Knute von „Madame Kassandra“ (Andrea Olbrich) steht, die dort seine Partnerin im zivilen Leben ist. Der gute Mann tanzt also auf mindestens drei Hochzeiten, und ist er bei der Generalprobe noch gut organisiert, so kommt er bei der Premiere ganz schön ins Stolpern.

Madame Kassandra lebt in einer Lila-Laune-Welt samt lila Glitzer-Clogs, ist ihres Zeichens eine Art Wahrsagerin mit starkem osteuropäischem Akzent und hartem „R“, das einem rollenden „R“ und einem derben fränkischen Dialekt weicht, wenn „Kassandra“ wieder zu Andrea Olbrich wird. Der unvermittelte Wechsel gelingt Olbrich ohne Probleme – keine schlechte Leistung, denn ihre Bühnen-Rolle verschmilzt zusehends mit ihrem Bühnen-Leben, da sie in beiden Welten etwas mit dem Regisseur Braun am Laufen hat und es an Anlässen zu Eifersüchteleien nicht mangelt.

Die ganz großen Gesten

Ein Grund ist unter anderem Frau Säuberlich alias Carola Reichart; die hatte zumindest mal was mit Braun. Jetzt hat sie bei Kassandra als Putzhilfe angeheuert, wobei sie selbst damit eher das Herausputzen ihres
eigenen Erscheinungsbildes versteht. Reichart spielt die überkandidelte, schrille Säuberlich mit Bravour: behängt wie ein Christbaum und bemalt wie ein Indianerhäuptling beherrscht sie die großen Gesten der dramatischen Übertreibung.

Diese großen Gesten haben irgendwann Helene Buchfink (Eva Lukas) eingefangen. Als ihr Mündel wurde das graue Mäuschen zum pinken Flummiball mit potenzieller Gefahr für Augenkrebs. Das naive Blondchen, dessen Unsicherheit sich immer noch durch eine Konfirmandenblase bemerkbar macht, nimmt man Lukas glatt ab. Aber stille Wasser gründen tief und so ist ihr enges „Zwiegespräch“ mit Braun, das von „Kassandra“ kurz vor der Premiere beobachtet wird; einer der Gründe, warum die Aufführung letztlich ziemlich aus dem Ruder läuft.

Pleinfelder „Sandhosn“: Ein großer Spaß

© Struller

Nicht ganz unschuldig daran ist auch Helenes Mann, der Telefontechniker Werner Buchfink aka Holger Denk. Denks schauspielerisches Können als Bühnen-Holger hat viel mit den diversen Flaschen zu tun, die in der Kulisse versteckt sind. Das Talent verhält sich quasi umgekehrt proportional zum Pegelstand der Alkoholika: fraglos verkörpert er einen glaubhaften, zutiefst verzweifelten Ehemann, der schon bei der Generalprobe keinen Text beherrscht und sich bis zur sprachlosen Premiere um den Verstand gesoffen hat – offener Hosenstall inklusive. An unkoordinierter Bewegungs(un)fähigkeit erreicht Denk schon fast den Butler James aus „Dinner for one“.

Übertroffen in Tumbheit und Unfähigkeit wird Buchfink-Denk nur noch vom Bühnentechniker Ralf „Scherry“ Schernbacher, der stets zur falschen Zeit am falschen Ort ist und neben seiner Begriffsstutzigkeit auch noch zwei linke Hände besitzt. Außerdem bedient er sich aus den Bühnenrequisiten – die Mama daheim brauchte Mehl zum Kuchenbacken. Ralf Schernbacher agiert den ganzen Abend mit einfältig-dümmlichen Gesichtsausdruck und slapstickt sich über die Bühne.

Die Gagdichte beim „Kuddelmuddel“ ist hoch – so ornithologiert sich Kassandra beim Namen Buchfink durch die halbe einheimische Vogelwelt, darunter bleibt die Bezeichnung des nicht existierenden „Schluck­spechts“ aber die treffendste – und auch der eine oder andere neckende Seitenhieb auf Personen der realen Welt bleibt nicht aus. Das Publikum jedenfalls war bei der Premiere begeis­tert.   

Wer einer der weiteren Aufführungen beiwohnen will, muss sich aber sputen, es gibt nur noch wenige Restkarten. Weitere Termine sind am 2., 3. und 4. Januar immer um 19.30 Uhr in der Grundschule Pleinfeld.

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