Rainer Wieland wirft einen anderen Blick auf Deutschland

4.12.2017, 08:08 Uhr
Rainer Wieland wirft einen anderen Blick auf Deutschland

© Jan Stephan, Propyläen-Verlag

Es ist das bewährte Rainer-Wieland-Konzept, das Rainer Wieland da in die Tat umgesetzt hat. Man nehme einen brutal versierten literarischen Sachverstand, widme sich einem eng umgrenzten Thema, sammle die Berichte berühmter oder zumindest unterhaltsamer Menschen und kompiliere all das zu einem stimmigen Ganzen. Das übergibt man im Anschluss an den wunderbaren Propyläen Verlag, der nach Wielands Vorstellungen ein Buch daraus zaubert, das das Zeug zum bibliophilen Sammlerstück hat.

In der Vergangenheit haben wir bereits mehrfach von dem Papier, dem Druck, der Farbauswahl, dem Einband, dem Lesebändchen, der Bindung und all diesen Dingen geschwärmt, die viel kosten, aber nicht unbedingt massenhaft gewertschätzt werden. Nun reicht die Feststellung, dass wir das wieder tun müssten, es uns nun aus Gründen der Wiederholung allerdings sparen. Zumal es eine ganze Reihe andere Dinge zu sagen gibt. Etwa über den Inhalt dieses schönen Buchs.

Wieland hat als Herausgeber unter anderem „Das Buch der Tagebücher“ und „Das Buch des Reisens“ das Licht des Buchhandels erblicken lassen. Mit diesen kostspieligen Prachtbänden (48 Euro) hat er eine Leserschaft, die sich mancher Romancier auch der Zahl nach wünschen würde. „Das Buch der Deutschlandreisen“ ist nun aber kein fader Aufguss einer bereits einmal verwendeten Idee (Reisen), sondern im Grunde deren verfeinerte Fortsetzung.

Illustre Reiserunde

Die auf ein Land konzentrierten Reiseberichte lassen in den Augen berühmter oder doch in jedem Fall interessanter Menschen die Idee vom Charakter eines Landes aufscheinen. Sie zeigen Entwicklungen, sie lassen Klischees durch die Jahrhunderte hörbar werden und immer wieder sorgen sie dafür, dass man schmunzelnd den Blick des Fremden auf den eigenen Eigenheiten spürt und den Reisenden mitunter einfach Recht geben muss.

Die Gruppe an Reisenden, die man durch Deutschland begleitet, ist illuster. Wir haben den römischen Feldherrn Cäsar, der sich über die herben Germanen am Rhein wundert, aber auch den großen Casanova, der auf eine Stippvisite in Sanssouci vorbeischaut. Der norwegische Märchenerzähler Hans Christian Andersen gastiert am Musenhof in Weimar, Dostojewski fleht in Baden-Baden seine Frau um Geld an, das er ein ums andere Mal verspielt, Mark Twain geht in Heidelberg wandern, Thomas Wolfe betrinkt sich auf dem Münchner Oktoberfest, John F. Kennedy verliebt sich in deutsche Pudel, Andy Warhol besucht eine deutsche Fleischfabrik an Weiberfastnacht – was natürlich einfach übel ausgehen muss. Cees Nooteboom besucht den deutschen Osten nach dem Mauerfall und zu guter Letzt darf der Leser auch noch eine japanische Reisegruppe bei ihrer atemlosen Deutschland-Visite begleiten.

Sehr schön zu lesen ist das alles. Mal erheiternd und komisch, mal nachdenklich, mitunter bestürzend, wenn etwa die amerikanische Journalistin Lee Miller beobachtet, wie die Deutschen nach Kriegsende reihenweise umkippen, als sie zum Besuch des Konzentrationslagers Buchenwald gezwungen werden. Immer aber sind die Berichte dieses Buchs mit Gewinn zu lesen. Weil jeder etwas hat, das ihn besonders, das ihn wichtig macht.

Karten für die Lesung gibt es bei der Buchhandlung Meyer im Vorverkauf oder nach Verfügbarkeit an der Abendkasse.

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