Weißenburg-Gunzenhausen: Flüchtlingsunterkünfte gehen aus

14.2.2016, 06:00 Uhr
Weißenburg-Gunzenhausen: Flüchtlingsunterkünfte gehen aus

© Maurer

Landrat Gerhard Wägemann ist einigermaßen ratlos, wie er und seine Verwaltung einen erneuten Ansturm wie im vergangenen Jahr verkraften sollen. „Uns gehen die Optionen aus.“ Der Wohnungsmarkt in Weißenburg-Gunzenhausen sei leer gefegt, sagte er im Gespräch mit unserer Zeitung. Ein angekündigtes staatliches Förderprogramm bewegt vielleicht noch den einen oder anderen zur Renovierung und anschließenden Vermietung, aber die Zahlen des Vorjahres werden wohl kaum noch zu schaffen sein.

Grob gesagt ein Promille der Asylbewerber, die im vergangenen Jahr nach Deutschland kamen, fanden in Weißenburg-Gunzenhausen eine Un­terkunft. Aktuell leben hier etwa 1000 Menschen, die aus ihrer Heimat ge­flohen sind und auf ein Bleiberecht in Deutschland hoffen. CSU-Politiker Wägemann ist mit seinem Parteichef Horst Seehofer auf einer Linie, dass es eine Obergrenze für den Zuzug braucht. 200000 bundesweit oder eben rund 200 im Landkreis – das ist aus Sicht des Landrats bewältigbar.

Andere sehen das anders. Das Regionalforschungsinstitut Empirica hat untersucht, in welchen Regionen Deutschlands am besten anzusiedeln wäre, berichtete die Wirtschaftswoche. Hauptkriterien: günstiger Wohnraum, ein solider Arbeitsmarkt mit freien Stellen und Kapazitäten an Schulen. Und Weißenburg-Gunzenhausen gehört zur Gruppe der Landkreise, die bei dieser Gegenüberstellung beson­ders gut abschnitten. Als einziger Landkreis in Bayern fiel er in die Topkategorie mit „sehr günstigen“ Vo­raussetzungen.

Flüchtlinge aufs Land, heißt die Devise nach Meinung des Regionalforschungsinstituts. Das würde der In­tegration dienen. Allerdings sei klar, dass das etwas kostet, machte Empirica-Vorstandsmitglied Harald Simons deutlich: „Wenn die Flüchtlinge in die Oberpfalz statt nach München sollen, muss das Geld auch dorthin fließen“, zitiert ihn die Wirtschaftswoche. Nun liegt Altmühlfranken zwar nicht in der Oberpfalz, aber die Botschaft ist klar.

Im Landratsamt ist man skeptisch, wie das funktionieren sollte. In den Hochzeiten Ende des vergangenen Jahres kam Woche für Woche ein ganzer Reisebus voller Menschen nach Weißenburg-Gunzenhausen. „Das sind jede Woche etwa zehn Wohnungen“, rechnete Sebastian Münch vor. Zusammen mit Karin Vedder koordiniert er die Flüchtlingssituation im Landkreis. Aktuell kommt pro Woche etwa ein Dutzend Menschen. Dadurch hat der Druck etwas nachgelassen, aber wie lange das so bleibt, ist ungewiss. „Zehn Wohnungen in der Woche – das kann nicht so weitergehen“, macht Wägemann deutlich.

„Daran ändert auch nichts, dass wir in der Verwaltung die Abläufe optimiert haben, um Anmietungen schneller abwickeln zu können“, pflichtete ihm Vedder bei.

Merkels letzte Chance

Wägemann hofft nun ebenso wie die übrigen bayerischen Landräte darauf, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel tatsächlich eine europäische Lösung erreichen kann. „Das wäre aus Sicht aller das Optimale. Aber ob sie das schafft, daran haben wir schon erhebliche Zweifel.“ Dann wird Anfang März der Landkreistag entscheiden, wie es weitergeht. Falls die Landräte mit dem Ergebnis nicht zufrieden sein sollten, steht im Raum, die Aufgabe komplett dem Staat, sprich den Bezirksregierungen zu überlassen. Die Drohung zeigt, wie angespannt die Lage ist. Wägemann: „Wir als Weißenburg-Gunzenhausener bringen schon seit Anfang November mehr Menschen dezentral unter als in Sammelunterkünften. Dabei hat gesetzlich die Gemeinschaftsunterkunft Vorrang.“

Das Asylpaket II wird aus der Sicht des Landrats den Zustrom nicht spürbar verringern. „Wenn es keine europäische Lösung gibt, muss man sich auf Bundesebene Gedanken machen.“ Die in diesem Jahr anstehenden Landtagswahlen werden den Druck auf die Regierung weiter erhöhen, ist der CSU-Politiker überzeugt. „Die Bürger erwarten, dass in dieser Frage gehandelt wird.“ Und das beschere der AfD den enormen Zulauf. Wenn es dann um die Arbeit in den Parlamenten gehe, hätte sich bei Republikanern, Schill-Partei oder NPD in der Vergangenheit stets schnell gezeigt, dass die angeblichen Lösungen nur heiße Luft waren, „aber erst mal hat man sie dann da drin sitzen“.

Diese politische Entwicklung macht Wägemann Sorge: „Deshalb schreibe ich ja beispielsweise auch Briefe an Ministerpräsident Horst Seehofer und Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm.“ Weil sich der Landesbischof von Obergrenzen distanzierte, ging Wägemann ihn an, dass vonseiten der evangelischen Kirche bislang wenig kam, was die Unterkünfte angeht.

„Weiboldshausen war nur durch die harte Haltung von Pfarrer Joachim Piephans durchsetzbar. Sonst war nur noch Burgsalach.“ Auch beim Bonhoeffer-Haus in Kattenhochstatt ist die Landeskirche bislang eher bremsend in Erscheinung getreten. Die ganze Flüchtlingsthematik habe ihm persönlich sehr zugesetzt, bekannte der Landrat. „Ich bin überzeugt, dass meine gesundheitlichen Probleme vor Weihnachten damit zusammenhängen, weil mir das nachts nachgeht. Das belastet mich.“

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