Wildschweine vermehren sich in Bayern explosionsartig

28.10.2013, 07:00 Uhr
Wildschweine vermehren sich in Bayern explosionsartig

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Die dunkle Rotte schleicht sich im Schutz der Dunkelheit an. Sie will plündern. Maisfelder, manchmal sogar Gemüsegärten in der Vorstadt, wie in Nürnberg-Fischbach, wo die Schwarzkittel aus dem Reichswald mühelos die Zäune überwinden und dann die Beete umgraben.

In manchen Gegenden wird die Wildschweinplage bereits zur Gefahr. Im Herbst sind auch die Frischlinge, also die die im Frühjahr geborenen Jungtiere, extrem mobil, wenn die Rotten im Schweins-Trab Straßen überqueren, kann das für Menschen böse ausgehen. Bachen können bis zu 150 Kilogramm schwer werden, die Keiler sogar bis zu 200. Zwar ist es immer noch besser, im Zweifelsfall ein Tier frontal zu rammen, als den Wagen zu verziehen und im Straßengraben zu landen, doch auch bei Frontalkollisionen mussten in diesem Jahr im Freistaat bereits tote Menschen beklagt werden.

Jagd per Hubschrauber

Bei Wernberg-Köblitz im Kreis Schwandorf griff die Polizei nun nach vier Wildunfällen binnen weniger Tage durch. Die Autobahn A93 wurde komplett gesperrt. Jagdpächter und Treiber durchkämmten das Gehölz neben der Trasse. Ein Polizeihubschrauber mit Wärmebildkamera entdeckte schließlich einen stattlichen Keiler, den darauf ein Jäger erlegte. 15.000 Euro Schaden waren bei den vier Unfällen entstanden, Personen kamen bei der Serie in der Oberpfalz nicht zu Schaden.

Schuld an der massenhaften Vermehrung der Wildschweinpopulationen sind die paradiesischen Zustände für die Tiere. Die Klimaerwärmung sorgt fast jedes Jahr für ein Mastjahr, auch schwache Frischling entwickeln sich dank des enormen Futterangebots prächtig. Mal gibt es Eicheln im Überfluss, in diesem Jahr sind es Bucheckern, die tonnenweise von den Bäumen regnen.

Aber auch die eigentlich ökologisch erwünschte Umstellung von Nadel- zu Mischwäldern gefällt den Schweinen. Unterm Laub gedeihen Würmer und Larven, die für die Schwarzkittel eine willkommene Eiweißquelle sind.

Am leckersten finden die Wildschweine aber Mais, und diese Pflanze gibt es seit einigen Jahren im Überfluss, weil damit die Biogas-Anlagen beschickt werden.

Wie stark die Populationen der Wildschweine zugenommen haben, lässt sich etwa an den Abschusszahlen für Mittelfranken erkennen. Von 160 Stück im Jahr 1980 steigerte sich die Zahl bis zur vergangenen Jagdsaison auf nunmehr 5041. Ebenso extrem fielen die Steigerungen binnen 32 Jahren in Oberfranken (von 319 auf 9360) und in der Oberpfalz (von 567 auf 11.036) aus.

Auch wenn die Landwirte in der Region über die Schäden durch Wildschweine jammern, am größten ist die Population der Schwarzkittel in Unterfranken. Dort steigerte sich die Zahl der Abschüsse seit 1980 von genau tausend auf jetzt 17.773. Und die Abschusszahl gibt nur eine ungefähre Relation zu den wirklichen Beständen.

Schlaue Schwarzkittel

Denn längst scheint es, als seien die Jäger mit ihrem Latein am Ende. Das Internet ist voll von Diskussionen über Kirrungen, das sind Plätze, an denen Wildschweine von Jägern mit Mais oder Resten aus den Apfelmost-Pressen angelockt werden — zum Abschuss. Aber die Tiere sind schlau und schlagen den Jägern immer wieder ein Schnippchen, indem sie sich auf langen nächtlichen Touren neue Futterquellen suchen.

Der Bayerische Jagdverband versucht sich zudem an einem Schwarzkittel-Monitoring: Im Netz tauschen sich Jäger über die Entwicklung der Wildschwein-Populationen aus. Für Laien zeigt die Karte nur Binsenweisheiten: Fast nur in den höheren Regionen des Freistaats sind die Schweine selten, also Frankenjura, Bayerwald und Alpenraum, ansonsten gibt es von Aschaffenburg bis vor die Tore Münchens fast ausschließlich dunkelrot markierte Gebiete, in denen jetzt Treibjagden dringend nötig seien, wie Landwirtschaftsminister Helmut Brunner meint.

Denn in wenigen Monaten beginnt die Rauschzeit, dann entstehen die Frischlinge des Frühjahrs. Bis zu acht Junge wirft eine Bache. Das Landwirtschaftsministerium geht inzwischen von einer alljährlichen Verdreifachung des Bestands aus.

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