"Wir sollten mehr Respekt vor dem Wetter haben" (Teil 1)

5.3.2013, 06:33 Uhr

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Warum können Sie eigentlich nicht vorhersagen, wie das Wetter in den nächsten drei Monaten wird?

Thomas Ranft: Weil wir in einem chaotischen System leben. So, wie der berühmte Flügelschlag eines Schmetterlings einen Sturm auslösen kann, so gibt es auf das Wetter unglaublich viele Einflüsse, die jetzt noch nicht passiert und deshalb nicht vorhersagbar sind. Stellen Sie sich zum Beispiel eine Pfütze auf einer Straße vor. Über der Pfütze ist die Temperatur kälter als um sie herum, weil die Sonne den Asphalt stärker erhitzt als das Wasser. Wenn jetzt ein Auto durch die Pfütze fährt, wird dieses Mikroklima geändert. Dasselbe passiert auch beim Wetter: Ich weiß nicht, ob und wann dieses imaginäre Auto am Himmel entlangfährt und das bestehende Wetter durcheinander bringt bzw. verändert. Das ist das Chaos, auf das wir uns jeden Tag einstellen und versuchen, durch Berechnungen vorhersagbar zu machen. Deswegen sind langfristig auch keine Vorhersagen möglich. Das wird auch in 1000 Jahren noch nicht klappen, da bin ich mir sehr sicher.

Dann müsste in der Rückschau doch leichter zu erklären sein, warum der Winter so trüb war, wie er war?

Thomas Ranft: Im Moment können wir das leider auch nur beobachten und beschreiben. Aber nicht immer haben wir eine passende Erklärung dafür. Vielleicht können wir in 200 Jahren mehr sagen, weil wir erkannt haben, dass sich beispielsweise die Meeresströmung über Island verändert hat oder vielleicht auch die Wassertemperaturen. Dadurch haben sich dann die Hochs und Tiefs anders verhalten. Aber dafür brauchen wir, wie gesagt, längere Zeitreihen. Es kann auch eine einfache Erklärung geben: Es war halt einfach mal so und dafür gibt es keinen höheren Grund. Das letzte Mal acht Stunden Sonnenschein am Stück hatten wir übrigens im September. Das ist also 150 bis 160 Tage her. Da ist man natürlich schon auf Entzug.

Wann wird es denn jetzt endlich richtig Frühling?

Thomas Ranft: Stück für Stück wird es jetzt immer wärmer. Man will es eigentlich kaum akzeptieren, weil es in den vergangenen Jahren wirklich Schlag auf Schlag ging und die Temperaturen im März oder April sofort über die 20 Grad gestiegen sind. Zumindest bis jetzt sieht es aber so aus, als ob es dieses Jahr tatsächlich Schritt für Schritt schöner wird. Das ist ja vielleicht auch gar nicht so schlecht. Die Leute haben jetzt wirklich die Nase voll vom trüben Wetter. 

Wieso ist das Wetter bei uns eigentlich so, wie es ist?

Thomas Ranft: Wir haben hier in Europa, und vor allem in unserem Breitengrad, schon ganz schön Glück, dass wir hier leben. In Nordamerika sieht es auf demselben Breitengrad ganz anders aus. Bei uns ist es im Vergleich dazu deutlich milder und weniger extrem.

Es gibt mehrere Zutaten, die dafür verantwortlich sind. Wir haben zum einen das Glück, dass bei uns die Berge eher von West nach Ost verlaufen. Die Alpen liegen – salopp gesagt – quer, während die Rocky Mountains in Nordamerika von Nord nach Süd verlaufen. Wir liegen, genauso wie Nordamerika, in einer Westwindzone. Nur dort funktioniert das nicht so gut. Deswegen gibt es dort des Öfteren einen Kaltluftstrom, der aufgrund der Rockys ziemlich weit in den Süden gelangt und dort für Wetterextreme sorgt, wie zum Beispiel heftigste Gewitter, die sich zu einem Tornado ausweiten. Das ist bei uns überhaupt nicht der Fall.

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Zudem sind wir in einer noch akzeptablen Entfernung zum nächsten großen Wasser, nämlich dem Atlantik. Damit sind wir nicht in einer kontinentalen Wettersituation wie zum Beispiel in Polen oder Russland. Dort ist es im Sommer extrem trocken und heiß und im Winter arg frostig. Wir haben durch dieses Westwetter immer noch eine relativ milde Luftströmung, auch im Winter. Denn der Atlantik ist im Winter nicht zugefroren. Und weil zu Zweidritteln Westströmung bei uns herrscht, ist die Luft mild aber auch nicht zu trocken oder zu nass.

Gerade im Frühjahr haben wir deshalb eine der vitalsten Regionen überhaupt auf der Welt. Ich hatte mal einen Biologen als Studiogast, der mir das Phänomen auf seine Weise erklärt hat. Zugvögel ziehen bei uns im Herbst ja nicht weg, weil es bei uns so hässlich ist, sondern kalt. Eigentlich könnten sie ja dann gleich das ganze Jahr über im Süden bleiben. Aber sie kehren Jahr für Jahr wieder zu uns zurück, weil es hier so großartig ist. Und das ist das Entscheidende: Sie kommen hierher, weil es kaum eine Region auf der Welt gibt, die solche perfekten Klimabedingungen aufweist, wie sie hier herrschen. Wir leben in einer der besten Regionen auf der Erde, was das Wetter betrifft.

Sind Wettervorhersagen in unseren Breitengraden dann eher unspannend?

Thomas Ranft: Ich finde das durchaus spannend, Wettervorhersagen für Deutschland zu machen. Manche Kollegen von mir würden es sich schon manchmal gerne etwas extremer wünschen. Aber ich bin ja nicht nur Wettermann, sondern auch Privatmensch und da ist man ganz froh, wenn man nicht gerade im Tornado steckt.

Welche Wetterlage ist für Meteorologen besonders reizvoll?

Thomas Ranft: Sonnenschein pur und wolkenloser Himmel: Das ist ein Szenario, dass für Meteorologen eher langweilig ist. Spannend für uns, aber leider auch ein Stück weit gefährlich für die Bevölkerung, sind Sommergewitter. Wenn sich aus dem Nichts innerhalb einer Stunde eine mächtige Gewitterwolke aufbaut und sich die Schleusen öffnen und die Welt sprichwörtlich untergeht, das ist spannend. Faszinierend dabei ist, wie schnell sich so etwas entwickelt aber auch wieder in sich zusammenfällt.

Ich muss aber auch sagen: In Zeiten von "Wir sitzen ja im Auto oder sicher in der Wohnung vor dem Fernseher", glauben die Menschen nicht, dass das Unwetter sie in beträchtliche Gefahr bringen kann, wenn man sich draußen aufhält. Deswegen gebe ich den Rat: Wenn eine dunkle Wolke herannaht und sie sieht aus wie eine Gewitterwolke, dann kann ich nicht weiter Fußball spielen auf einem freien Feld oder im See schwimmen, sondern dann muss ich mich in Sicherheit bringen. Zum Beispiel in ein Auto oder ins Haus. Wir sollten mehr Respekt vor dem Wetter haben.

Teil 2 des Interviews mit Thomas Ranft beschäftigt sich mit dem Mythos Bauernregeln, warum der April macht, was er will und wieso manche Menschen so empfindlich auf Wetteränderungen reagieren.

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