Meinungen in sozialen Medien

Zuspruch und fiese Vorwürfe: So reagiert Franken auf das alkoholfreie Gasthaus zur "Sägemühle"

Saskia Muhs

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2.2.2024, 17:27 Uhr
Wirtin Kerstin Gößl mit einer großen Auswahl akoholfreier Getränke im Gasthof Sägemühle. 

© Berny Meyer, NN Wirtin Kerstin Gößl mit einer großen Auswahl akoholfreier Getränke im Gasthof Sägemühle. 

Nicht nur während des "Dry January" gibt es in der "Sägemühle" in der Fränkischen Schweiz seit Januar keinen Alkohol mehr – das bleibt auch an allen anderen Tagen künftig so. Kein Alkohol heißt aber nicht gleich Verzicht auf leckere Drinks: Auf der Karte der Wirtschaft in Großenohe findet man eine imposante Auswahl aus Bier, Wein, Secco oder auch Gin - allesamt alkoholfrei.

Der Grund für die Umstellung ist die Vergangenheit des Betreibers: Koch Vladimir Kloz ist trockener Alkoholiker, der erst kürzlich einen Entzug hinter sich gebracht hat. Für das Paar gab es deswegen nur zwei Optionen: Den Gasthof für drei Monate zu schließen, während Kloz in der Klinik ist, oder den Alkohol von der Getränke- und auch Speisekarte zu nehmen. Auch wir hatten vor einigen Tagen darüber berichtet.

Großer Medienrummel, durchwachsene Reaktionen

In den sozialen Medien schlug der alkoholfreie Gasthof große Wellen: Allein unter unserem Posting befinden sich derzeit mehr als 800 Likes und rund 70 Kommentare – ganz zu schweigen von den weiteren Hunderten unter den Beiträgen der Wirte Gößl und Kloz. Die allermeisten Kommentare unter den Beiträgen zum Gasthof Sägemühle lesen sich positiv und verständnisvoll: "Wenns Essen gut ist, dann braucht's keinen Alkohol. Daheim trinke ich ja auch nicht zu jedem Essen ein Bier" oder "Er schafft damit auch für andere (trockene) Alkoholkranke eine sichere Zone - das ist so unglaublich wertvoll."

Doch hin und wieder liest man auch den ein oder anderen wütenden und verständnislosen Kommentar: "Na dann viel Erfolg mit deiner Kneipe....da braucht man nimmer hingehen" oder "lange können die so nicht existieren" und "Franken ohne Bier, ist ja wie Italien ohne Sand". Unumstritten ist: Alkohol ist eine legale Droge, die gesellschaftlich nach tausenden Jahren etabliert ist. Das erste Bier wurde laut bisherigen archäologischen Erkenntnissen schließlich bereits vor rund 5000 Jahren von den Sumerern gebraut – wenn es womöglich auch nicht so viel Alkohol enthielt, wie heutige Sorten.

"Viele haben selbst ein Problem, das sie sich nicht eingestehen!"

Doch genauso unumstritten ist der Zusammenhang von Alkoholkonsum und Krankheiten wie Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder psychischen Leiden und Suchterkrankungen – das belegen zahlreiche Studien der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS). Laut der Barmer Krankenkasse wurden allein im Jahr 2022 rund 217.000 Menschen ambulant oder stationär wegen einer Alkoholsucht behandelt. Warum also der große Widerstand im Wirtshaus ab und zu mal auf Alkohol zu verzichten?

Sägemühlen-Wirtin Kerstin Gößl erklärt sich das in unserem Telefonat folgendermaßen: "Alle, die vehement dagegen wettern, teils sogar von Diktatur oder einer erzieherischen Maßnahme sprechen, haben selber ein Problem mit Alkohol, das sie sich nicht eingestehen wollen." Damit meine sie natürlich nicht die Menschen, die extra für ein Bier in ein Wirtshaus gehen, sondern die, die wegen des Essens kommen, aber es nicht einmal ein paar Stunden ohne einen Schluck Alkohol aushalten, erklärt sie.

Unverständnis weckt bei ihr auch der Umgangston der Kritiker auf Social Media: "Sind sich die Leute nicht bewusst, dass sie sich selbst mit Aussagen auf dieser Art auf Facebook und Instagram öffentlich blamieren? Schließlich könnte das ja auch ihr Chef lesen." Treffen tun sie Kommentare dieser Art glücklicherweise trotzdem nicht, Kerstin Gößl und ihr Mann stehen nach wie vor voll und ganz hinter ihrem neuen Konzept.

Einen Kommentar gab es dann doch, der sie verärgert zurückließ, erinnert sich Gößl: "Eine Frau hat mir vorgeworfen, ich hätte das alles inszeniert, um durch den Medienrummel mehr Aufmerksamkeit zu generieren, da sei es ja kein Wunder, dass der Mann trinke". Gößl handelte instinktiv richtig, meldete den Kommentar und blockierte die entsprechende Person sofort.

Neues Konzept kommt an

Trotz verletzender Ausreißer: "Wir würden alles nochmal ganz genau so machen", sagt die Wirtin zum Schluss unseres Gesprächs stolz. "Solche Gäste brauchen wir hier eh nicht: Vergangenen Sonntagnachmittag war es so voll, dass kaum noch ein Auto auf den Parkplatz gepasst hat", erzählt sie. Wir wünschen weiterhin 100 Prozent Spaß an der Arbeit und viel Erfolg, trotz oder sogar wegen null Promille Alkohol im Angebot.

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