Druck auf Ungeimpfte "aufrecht erhalten"

Regionale Krankenhausampel: Erlanger Experte sieht darin Vorteile

2.11.2021, 17:23 Uhr
Eine regionale Krankenhausampel? Für diesen Vorschlag ist Bernhard Seidenath (CSU), Vorsitzender des Ausschusses für Gesundheit und Pflege des bayerischen Landtags

© Marijan Murat, dpa Eine regionale Krankenhausampel? Für diesen Vorschlag ist Bernhard Seidenath (CSU), Vorsitzender des Ausschusses für Gesundheit und Pflege des bayerischen Landtags

Bernhard Seidenath (52) ist Jurist und war als Ministerialrat von 2001 bis 2008 Pressesprecher im bayerischen Sozialministerium. Seit drei Jahren ist Seidenath (CSU) Vorsitzender des Ausschusses für Gesundheit und Pflege des bayerischen Landtags. Dort plädiert er für eine Regionalisierung der Krankenhausampel und den Druck auf Ungeimpfte aufrecht zu erhalten.

Herr Seidenath, die Lage an der Corona-Front in Bayern wird wieder sehr kritisch. War es ein Fehler, in den letzten Monaten so stark zu lockern?
Bernhard Seidenath: Das glaube ich nicht. Die Menschen waren der Einschränkungen einfach überdrüssig. Für die Wirtschaft und das gesellschaftliche Leben ist die Rückkehr zu einer gewissen Normalität wichtig. Wir sind dieses Wagnis mit Vorsicht eingegangen.

Medizinisch gesehen ist es aber doch kein Argument, wenn man einer Sache "überdrüssig" wird.
Seidenath: Gesundheitspolitisch ist es kein Argument, aber wir wollen Regeln machen, an die sich die Menschen halten. Auf Dauer können Sie an den Menschen vorbei keine Regeln erlassen. Die Menschen hätten weitere Verschärfungen wie einen Lockdown nicht mehr eingesehen und sich nicht daran gehalten. Wir wollen das Gesundheitssystem nicht überlasten und den Menschen helfen, die es nötig haben.

Auf dem Weg zur Überlastung sind wir derzeit. Die Krankenhausampel dürfte in wenigen Wochen auf Rot springen, wenn die Entwicklung so weitergeht. Was passiert dann?
Seidenath: In einigen Regionen mussten wir jetzt schon Patienten verlegen, weil es keine Betten mehr gibt. Ich denke, das Kabinett wird am Mittwoch (3.11.) beschließen, die Krankenhausampel regionaler zu gestalten. Im Südosten Bayerns gibt es Regionen mit extrem hohen Inzidenzen, so dass dort Maßnahmen ergriffen werden müssen, damit das Gesundheitssystem nicht überlastet wird.

Seit drei Jahren ist Seidenath (CSU) Vorsitzender des Ausschusses für Gesundheit und Pflege des bayerischen Landtags. Dort plädiert er für eine Regionalisierung der Krankenhausampel. 

Seit drei Jahren ist Seidenath (CSU) Vorsitzender des Ausschusses für Gesundheit und Pflege des bayerischen Landtags. Dort plädiert er für eine Regionalisierung der Krankenhausampel.  © Foto Video Sessner GmbH / Andreas Köhler

Können Sie bestätigen, dass die Spannungen in der Gesellschaft zunehmen?
Seidenath: Mir liegt ein Hilferuf einer Krankenschwester aus Ansbach vor mit dem dringenden Appell "Bitte lasst euch impfen". Dergleichen häuft sich. Mir macht Sorge, dass die Schärfe der Auseinandersetzung zunimmt. Es gibt immer radikalere Ansichten.

Was kann die Politik tun, damit sich die Fronten zwischen Geimpften und Impfgegnern oder Impfskeptikern nicht noch weiter verhärten?
Seidenath: Ich halte nichts von einer Impfpflicht, die nur zu einer weiteren Verhärtung führen würde. Viele Impfskeptiker würden sich wohl impfen lassen, wenn es einen Totimpfstoff gäbe. Ein solcher Impfstoff - Novavax - ist für das erste Quartal 2022 angekündigt. Mit dem wäre es einigen wohler. Leider ist viel Schräges im Umlauf über die vorhandenen Impfstoffe. Das bekommt man aus den Köpfen nicht 'raus, auch wenn es ganz seltsame Sachen sind, die durch nichts belegt sind. Wer sich bisher nicht überzeugen ließ, sollte sich doch bitte 'mal die Zahlen in Südostbayern anschauen. Nicht die Impfung macht Probleme, sondern die Infektion.

Das predigt die Politik seit es Impfstoffe gibt, aber ein nicht geringer Teil der Bevölkerung glaubt das nicht. Wenn die Krankenhäuser voll sind, was bleibt dann noch übrig außer Zwang und die Erhöhung des Drucks auf Ungeimpfte?
Seidenath: Man wird sich etwas überlegen müssen. Wir haben den nicht Geimpften schon Daumenschrauben angelegt, etwa durch kostenpflichtige Tests. Möglicherweise wird man die Test-Regeln noch schärfer kontrollieren müssen. Möglicherweise kann man von 3G auf 3G plus gehen, weil ein PCR-Test nun einmal genauer ist. So etwas wird in Regionen, in denen die Krankenhausampel auf rot steht, gemacht werden müssen. Wir müssen vermehrt Booster-Impfungen vornehmen, weil Impfdurchbrüche vermehrt auftreten. Diese Menschen erkranken in der Regel nicht schwer, können aber das Virus weiter tragen. Wichtig ist, dass sich auch Geimpfte bei Erkältungssymptomen testen lassen, ob sie nicht doch Corona haben. Das ist für sie auch kostenlos.

"Druck aufrecht erhalten"

Eine Rückkehr zu kostenlosen Tests für alle unterstützen Sie nicht?
Seidenath: Das hielte ich für falsch. Wenn wir keine Impfpflicht haben wollen, brauchen wir deutliche Anreize. Und es ist natürlich ein Anreiz, sich impfen zu lassen, wenn die Tests etwas kosten. Diesen Druck müssen wir auf jeden Fall aufrecht erhalten.

Wenn Sie die Ampel regionalisieren wollen, droht dann nicht wieder ein ganz kleinteiliger Flickenteppich, weil die Regeln dann von Landkreis zu Landkreis unterschiedlich sind?
Seidenath: Schon früher gab es auf der Basis der Inzidenzregelungen von Landkreis zu Landkreis verschiedene Regeln. Ja, wir wollten es einheitlich gestalten, aber wenn es in Südostbayern regionale Hotspots gibt, warum sollten dann die Menschen etwa in Hof oder Bayreuth dieselben verschärften Regeln erdulden müssen? Die Regionalisierung ist das mildere Mittel.

Kurz bevor die Infektionszahlen in die Höhe schossen, wurde in Bayern grünes Licht für Weihnachtsmärkte ohne besondere Auflagen gegeben. War das ein Fehler?
Seidenath: Von einem Fehler würde ich nicht reden wollen. Jeder muss selbst entscheiden, welches Risiko er eingeht. Weihnachtsmärkte finden im Freien statt, wo die Ansteckungsraten geringer sind. Aber es wird noch dauern, bis jeder unbeschwert auf einen solchen Markt gehen kann wie das zuletzt 2019 der Fall war.

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