Reizthema Glyphosat: Wie sieht es im Landkreis aus?

1.12.2017, 05:55 Uhr
Reizthema Glyphosat: Wie sieht es im Landkreis aus?

© Foto: Julian Stratenschulte/dpa

Peter Schnell, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Gunzenhäuser Stadtrat ist von Christian Schmidts Aktion ganz und gar nicht angetan. "Das war kein Alleingang, das war von langer Hand vorbereitet und mit der CSU abgesprochen. Aber das ist das Hinterletzte, gerade in so einer schwierigen Situation wie der in der sich Deutschland gerade befindet. Der Mann muss entlassen werden, ich wundere mich über die SPD, dass die so ruhig bleiben." Die Kanzlerin habe Schmidt zwar gerügt, aber wenn sie sage, dass sie ihm inhaltlich zustimme und sich kurz vorher noch mit ihm treffe, dann wisse man doch, was gespielt werde.

Zu Glyphosat sagt er, das Herbizid müsse auf jeden Fall verboten werden. Besondere Sorge bereitet ihm in diesem Zusammenhang das Insektensterben. "Dass Glyphosat Insekten vernichtet, ist eine ökologische Katastrophe." Gerade, da es so vielfältig eingesetzt werde, vom Hobby-Gärtner bis zur Landwirtschaft. Er hofft, dass es dann in fünf Jahren mit dem Verbot endlich klappt. Allein der Verdacht, dass das Herbizid krebserregend sein könne, müsse doch für ein Verbot reichen. Freilich sei Glyphosat nicht allein verantwortlich für das Insektensterben, sondern auch andere Herbizide. "Aber wenn wir 80 Prozent weniger Insekten in den vergangenen dreißig Jahren haben, dann müssen wir doch was machen! Sonst müssen wir irgendwann selbst bestäuben", sagt Schnell.

Herbizide nicht alleinige Übeltäter

Dieter Proff, Leiter des Fachzentrums für Pflanzenbau am Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) in Ansbach, sieht für das Insektensterben nicht nur die Herbizide als alleinige Übeltäter: "Wir haben auch einen Verlust von Nahrungsflächen für die Bestäuber." Aber natürlich spiele auch eine Rolle, dass nicht mehr so viele Unkräuter blühen, weil Ernteflächen abgespritzt werden.

Fritz Rottenberger ist Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbands und sieht das ganze naturgemäß etwas anders. Der Landwirt aus Pfofeld wünscht sich, dass Politiker und Bevölkerung nicht nur das eine Gift Glyphosat sondern das große Ganze sehen: "Das ist eine komplexe Sache, die momentan ziemlich hochkocht."

Reizthema Glyphosat: Wie sieht es im Landkreis aus?

© Archivfoto: Marianne Natalis

Im Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen werde das Unkrautvernichtungsmittel heute nicht mehr in dem Maße eingesetzt, wie es durch die öffentliche Diskussion den Anschein habe. "Das Abspritzen von Grün im Getreidefeld vor der Ernte gibt es so nicht mehr", berichtet Rottenberger. Früher habe man das Unkraut in Getreidefeldern mit Glyphosat vernichtet, inzwischen werde dieses Getreide, wenn es stark mit Unkraut durchwachsen ist, aber nicht mehr zwei Wochen vor dem Schnitt mit dem Herbizid behandelt, sondern einfach gemäht und in einer Biogasanlage verwertet. Das Dreschen des Getreides sei heute nicht mehr unbedingt nötig, da man nicht mehr so sehr auf das Getreide angewiesen sei. Bei der vorherigen Praxis sagt er, "da hätte schon mal Glyphosat im Bier landen können."

Nur eingesetzt, wo es nötig ist

Das bestätigt so auch Dieter Proff vom AELF in Ansbach. "Die Vorerntebehandlung wird so gut wie nicht mehr praktiziert. Im Prinzip wird Glyphosat nur noch dort eingesetzt, wo es nötig ist."

Nötig? Wo ist es das überhaupt? Vor allem um nach einem milden Winter, der die Unkräuter nicht mit Frost zu töten vermocht hat, diese zu beseitigen, bevor die neue Saat auf das Feld ausgebracht wird, aber auch um im Herbst noch Wurzeln auf abgeernteten Feldern abzutöten. Auch Zwischenfrüchte, die im Herbst ausgesät worden sind, um den Boden im Winter vor Erosion und die Gewässer vor Nährstoffeinträgen aus Feldern zu schützen, frieren nicht in jedem Winter ab, obwohl sie eigentlich keineswegs winterhart sind. Manchmal fehlt eben oft die eisige Kälte, die es braucht. Mit Glyphosat tötet Friedrich Rottenberger diese ab, um nachher den Boden sanft zu grubbern und für die neue Saat vorzubereiten, berichtet er. "Sonst werde ich denen so nicht mehr Herr", erklärt er.

Unterpflügen keine Option

Er könnte sie auch unterpflügen, das ist aber für ihn keine Option, denn der Boden ist im Frühjahr nass und aufgeweicht, "wenn ich da mit der schweren Maschine reingehe, fahre ich mir alles zusammen", erklärt er. Das ist auch für das durch die Zwischenfrüchte angeregte Bodenleben nicht gut. Für ihn heißt das in erster Linie, dass er Glyphosat nur verantwortungsvoll einsetzt, wenn es geboten ist und keinesfalls im Übermaß. "Es ist nicht so, dass wir einfach drauflos spritzen. Wir wollen ja unsere Böden auch nicht zerstören."

Sollte Glyphosat verboten werden, bleibt dem Pfofelder nur die Option mit anderen Herbiziden zu arbeiten, die aber nicht so umfassend wirken, wie Glyphosat, oder den Anbau von Zwischenfrüchten wieder einzuschränken.

Gleichwohl ist ihm auch bewusst, dass es Studien gibt, die Glyphosat ein Krebsrisiko bescheinigen. Allerdings gebe es auch Studien, die das eben nicht bestätigen. "Die einen sagen so, die anderen so. Aber wir als Bauern müssen da auch auf die Fachleute vertrauen. Wenn es definitiv krebserregend ist, gibt es keine Frage, da wären wir die letzten, die sagen, wir wollen damit weiterarbeiten", sagt Rottenberger. Das aber stehe nicht zweifelsfrei fest.

Fachliche Basis wahren

Er ist deshalb der Meinung, dass Schmidt mit seiner Weisung zur Ja-Stimme an den deutschen Vertreter bei der Abstimmung im EU–Parlament über die erneute Zulassung von Glyphosat richtig gehandelt habe: "Wir brauchen Politiker, die gegen den Strom schwimmen. Schmidt hat sich hingestellt und Verantwortung übernommen." Dieter Proff vom AELF sieht das fachlich ähnlich, politisch will er sich nicht äußern. "Im Prinzip haben wir gute Zulassungsverfahren, was Herbizide und Insektizide angeht. Wenn belastbar festgestellt wird, dass ein Stoff schädlich ist, wird er vom Markt genommen. Es sind auch schon Mittel verschwunden, aber das hat kein großes Medienecho ausgelöst", sagt er. "Man muss auch bei Glyphosat auf der wissenschaftlichen Basis bleiben."

Das Problem vor dem die Bauern bei einem Glyphosat-Verbot stehen sieht er als einen klassischen Zielkonflikt, denn wenn der Bodenschutz durch Zwischenfrüchte gewährleistet werden solle, bräuchten die Bauern auch Glyphosat.

"Ich muss Glyphosat nicht immer einsetzen, aber ich muss zumindest die Möglichkeit dazu haben", sagt Bauernobmann Rottenberger.

Peter Schnell glaubt: "Die Auswirkungen sieht man nur mittel- oder langfristig." Man müsse insgesamt hinkommen zu einer umweltverträglicheren Nahrungsmittelproduktion.

 

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