Aus Hilfe wurde Freundschaft

17.12.2016, 09:00 Uhr
Aus Hilfe wurde Freundschaft

© Foto: Elisabeth Adam

Über eine Bekannte ihrer Mutter, die im Flüchtlingsheim von St. Jobst Kinder betreut, hat Antonia von Samra Khalil erfahren. Sie hatte keinen Platz in einem staatlichen Deutschkurs bekommen – und so keine Chance, unsere Sprache zu lernen.

Samra und ihre zwei kleinen Kinder sind vor etwas mehr als einem Jahr aus dem Irak nach Deutschland geflohen. Vater Achmed und der ältere Sohn Ismael (17) sind schon etwas länger da. Achmed geht jeden Nachmittag in einen Deutschkurs, Ismael kann bereits so gut Deutsch, dass er eine Ausbildung zum Mechaniker begonnen hat.

Die kleinen Kinder, Mustafa (11) und Dahnia (8), lernen Deutsch in der Schule. Nur Samra kümmert sich um Haus und Kinder und hat keine Möglichkeit, die Sprache zu lernen. Das konnte Antonia nicht hinnehmen. Also hat sie Kontakt zu der Familie aufgenommen und sich „sofort wohlgefühlt und mit Samra angefreundet“, erzählt sie.

Das war im April. Seitdem fährt die 16-Jährige jeden Freitag in einer doppelten Freistunde während des Unterrichts zur Wohnung der Familie am Stadtpark und bringt Samra Deutsch bei. Für die Grammatikübungen hat sie das Arbeitsheft „Berliner Platz“ besorgt. Doch vor allem das Reden und Zuhören hilft beim Erlernen einer neuen Sprache.

Kinder verbessern ihre Mutter

So nehmen Antonia und Samra zum Beispiel gerade das Perfekt durch. Um das neu Erlernte gleich anzuwenden, trägt Antonia ihrer „unglaublich fleißigen und bemühten“ Schülerin auf, die Erlebnisse des Tages im Rückblick zu schildern. Samra fängt an: „Heute habe ich Frühstück gemacht. Ich habe Eier gemacht. Die Obst . . .“

Bevor Antonia den Fehler verbessern kann, ruft schon Mustafa dazwischen: „Nein, es heißt das Obst! Und sag’ nicht immer gemacht. Sag’ lieber: Ich habe Eier gekocht!“ Der Elfjährige sitzt dabei und ist ganz begierig darauf, sein Können zu beweisen. Um die Kleinen auch zu beschäftigen, darf jeder von seinem Tag erzählen. Manchmal stellt Samra Zwischenfragen auf Arabisch an ihre Kinder, die dann als Übersetzer dienen.

Doch das meiste scheint sie zu verstehen. Das ist laut Antonia ein großer Fortschritt. Denn als die 42-Jährige hierher kam, verstand sie kaum ein Wort Deutsch und auch fast kein Englisch. Immerhin beherrschte sie bereits das lateinische Alphabet. Zum Dank für den privaten Sprachkurs backt Samra einen duftenden Kuchen und bietet ihrer Lehrerin frisches Obst und Limonade an.

Das wäre aber gar nicht nötig. Antonia geht sehr gerne zu den Khalils. Sie fühlt sich bei der Familie wohl und bewundert vor allem ihren Optimismus. „Trotz ihres schlimmen Schicksals sehen die Khalils alles positiv und sind dankbar“, sagt Antonia.

Auch außerhalb des Deutschunterrichts trifft sich die 16-Jährige und inzwischen auch ihre Familie gerne mit den Khalils. Zum Beispiel haben sie im Sommer gemeinsam gegrillt und das Erfahrungsfeld zur Entfaltung der Sinne besucht. Erst kürzlich waren Antonias Großeltern mit den kleinen Kindern am Christkindlesmarkt.

Antonia hat also über ihr ehrenamtliches Engagement neue Freunde gewonnen. Trotzdem hofft sie, dass Samra bald einen Platz in einem richtigen Deutschkurs bekommt, damit sie die Sprache gründlich von einer qualifizierten Lehrkraft erlernen kann.

 

Verwandte Themen


Keine Kommentare