Beim Pausen-Snack ein bisschen Politik

2.5.2016, 10:08 Uhr
Beim Pausen-Snack ein bisschen Politik

© Fotos: Lena Ender, Colourbox.de/Montage: Karin Maul

Der Mann im blauen Sakko blickt durch die vielen Stuhlreihen im Klassenzimmer C23. Etwa 40 Jugendliche schauen ihn abwartend an. „Zu meiner Zeit als Schüler wärt ihr jetzt die Streber“, begrüßt er sie. Die Schüler lachen. „Ihr verbringt freiwillig eure Pause, um mit mir über Politik zu sprechen! Das find ich gut.“ Der Mann, der das sagt, ist Arif Taþdelen. Er ist integrationspolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion und Mitglied des Ausschusses für Arbeit und Soziales, Jugend, Familie und Integration.

Als er sich vorstellt, erzählt er unter anderem auch, wie seine Familie als Gastarbeiter 1982 nach Deutschland kam. „Integration konnte damals nicht organisiert werden“, sagt er. Es habe keine Sprachkurse gegeben, viele hätten geglaubt, in die alte Heimat zurückgehen zu können. Deshalb habe man die Integration „dem Zufall überlassen“. Integration ist auch das heutige Thema der Politischen Pause.

Aber was genau ist jetzt diese Politische Pause? Einmal im Monat – in der einstündigen großen Mittagspause – treffen sich Schüler von der Unterstufe bis zur Oberstufe, um vor allem über aktuelle politische Themen zu sprechen. Dazu laden sie einen Experten ein, der erst etwas zu sich erzählt, danach dürfen die Schüler Fragen stellen, die anschließend zu einer Diskussion führen sollen. „Das ist auch unser Ziel“, erklärt Gabriel Lammers. „Die Schüler bekommen die Möglichkeit, selber zu denken und zu überlegen. Die Politische Pause soll kein Vortrag des Experten werden.“

Gabriel geht in die Q11 und ist seit diesem Jahr Schülersprecher am Labenwolf-Gymnasium. Er erklärt das Konzept: „Wir wollen das Prinzip einer Pause beibehalten.“ Das heißt: Die Schüler dürfen währenddessen essen und trinken, rein und raus gehen – wie in einer echten Pause.

Die Idee dazu ist gemeinsam mit Direktorin Andrea Franke entstanden. Die Schule ist seit diesem Jahr auch „Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage“, setzt sich durch ihren Arbeitskreis „AK Sozial“ immer wieder für gute Zwecke ein – und tut nun auch etwas für die politische Bildung der Schüler. „Wir wollten gerne zusätzlich zum AK Sozial intellektuelle Inhalte bieten“, sagt der Schülersprecher. Das Konzept der Politischen Pause hat die SMV ausgearbeitet.

Gabriel erzählt, dass im Sozialkundeunterricht aktuelle politische Ereignisse meist gar nicht angesprochen werden. „Viele Themen sind nicht nur aktuell, sie betreffen auch irgendwie jeden von uns. Mit der Politischen Pause können wir diese auch außerhalb des Unterrichts gemeinsam besprechen und auf eine Weise, die nicht ganz so trocken ist.“

Unter anderem haben die Schüler sich schon mit Terrorismus in Europa und dem Syrien-Konflikt beschäftigt. In der dritten Ausgabe ging es nun um Integration. Um Geflüchteten mehr bieten zu können, möchte Arif Taþdelen „Migranten fördern und fordern“. Sie sollen die Chance erhalten, sowohl finanziell vom Staat unterstützt zu werden als auch kostenfrei Deutsch lernen zu können. Ein geplantes bayerisches Integrationsgesetz soll’s richten.

Politik menschlich machen

Nun dürfen die Schüler ran. Die Diskussion startet mit vielen Fragen: Sieht sich Taþdelen öfters mit Klischees oder Vorbehalten zu seiner Herkunft konfrontiert? Er lacht und antwortet keck: „Im Landtag habe ich den Spitznamen ,Lieblingstürke‘!“ Dass es aber auch Politiker gibt, die Muslime allgemein noch kritisch sehen, leugnet er nicht.

Die Schüler interessieren sich auch für die Asylpolitik und den Stimmverlust der SPD bei den vergangenen Wahlen. Die Fragen werden immer mutiger und direkter gestellt. Jemand fragt, warum auch so viele Stimmen an die AfD gegangen sind.

Viele Menschen seien „politikverdrossen“, fühlen sich von der Politik im Stich gelassen. Deshalb sieht sich der Politiker von ihnen auch immer wieder mit Vorwürfen konfrontiert. Was er aber nicht versteht: „Viele sind von der Flüchtlingskrise gar nicht betroffen, ihr Alltag hat sich dadurch nicht verändert. Aber sie regen sich trotzdem darüber auf!“ Genau diese Reaktion verstehen die Schüler auch nicht.

Daher ganz wichtig: „Die Politik menschlicher machen“, findet Taþdelen. Dazu fordert er die Jugendlichen auf, das, was ihnen wichtig ist, gerne mit ihm zu teilen und auch Vorschläge für Verbesserungen zu machen.

Plötzlich gongt es, viele Schüler stehen auf, müssen zum Unterricht. Doch nicht alle. Wer noch Zeit hat, versammelt sich in einem kleinen Kreis um den Politiker. Die Diskussion geht angeregt weiter.

Verwandte Themen


Keine Kommentare