Bells Kampf gegen die Untoten

20.8.2016, 10:00 Uhr
Bells Kampf gegen die Untoten

© Anna Rechtern

„Haltet das Schild immer vor euren Körper!“, befiehlt ein Mann mit rauer Stimme. Er trägt braune, robuste Stiefel, auf seinem dunkelblauen Mantel prangt ein rotes Wappen. Sein Schwert hält er bedrohlich nach oben, das Schild schützend vor sich.

Kriegerin Bell schaut ihn mit großen Augen an und versucht, seine Körperhaltung nachzuahmen. „Stellt euch jetzt in Zweiergruppen auf!“, befiehlt der Krieger-Meister weiter. „Ich zähle bis drei, dann versucht eine Gruppe, die andere umzuhauen. Die Angegriffenen müssen sich natürlich schützen!“ Eins, zwei, drei – auf sie mit Gebrüll!

Bells Kampf gegen die Untoten

© Anna Rechtern

Nein, das ist keine Szene aus einem Mittelalter-Buch. Es ist der Alltag für 280 Jugendliche, die aus ganz Deutschland angereist sind, um für sechs Tage in der Fantasiewelt „Selbion“ zu leben. Kriegerin Bell heißt in Wirklichkeit Marleen und ist 16 Jahre alt. Es ist ihr erster Camp-Besuch: „Mein Freund macht schon zum dritten Mal mit; ich wollte es auch ausprobieren.“

Schauspielern macht ihr großen Spaß. Also hat Marleen sich für das Camp den Charakter Bell ausgedacht – und gleich eine ganze Lebensgeschichte dazu: Das Dorf, in dem Bell und ihre Schwester leben, ist von Untoten überfallen und abgebrannt worden. Um ihrem Dorf zu helfen, lässt Bell sich nun in einem Trainingslager zur Kriegerin ausbilden.

Zwerg D’reive ist der Chef

Das Trainingslager ist in echt das Zeltlager, in dem Jugendliche wie Marleen einen selbst gewählten Charakter verkörpern. „Am Anfang entscheiden sich alle, zu welcher Gruppe sie gehören möchten. Es gibt Magier, Krieger, Waldläufer, Heiler und Maester“, erzählt Bruno Wissenz, Leiter des Camps. 2008 hat er das Zeltlager ins Leben gerufen und ist seitdem als Zwerg D’reive dabei. Der Name klingt nicht danach, aber Zwerg D’reive hat hier die oberste Stellung. „Ich bin ein guter, manchmal etwas mürrischer Zwerg“, sagt Bruno lachend.

Der Fantasy-Fan ist besonders stolz auf das Konzept seines Zeltlagers, das einzigartig in Deutschland sei. „Wir führen Jugendliche an das Live-Rollenspiel, auf Englisch abgekürzt LARP, mit einer Art Ausbildung heran“, erzählt Bruno. „Spieler ohne LARP-Erfahrungen werden oft ins kalte Wasser geschmissen und wissen gar nicht, wie sie ihren Charakter überzeugend spielen können.“

Hier in der Fränkischen hingegen fungieren erfahrene Rollenspieler als Meister, begleiten die Gruppen die Woche über und geben ihnen Tipps und Aufgaben. Wer drei Jahre dabei war, gilt als fertig ausgebildet, kann in einer Schlacht bestehen oder als Magier schützende Zaubersprüche zur Abwehr von Untoten sprechen.

Rettet das Dorf!

Bells Kampf gegen die Untoten

© Anna Rechtern

Letztere werden gerade auch im angrenzenden Wald zu Morschreuth gebraucht. Hier geht es hoch her: Eine Gruppe ist in den dunklen Wald von „Selbion“ geeilt, um einem benachbarten Dorf zu helfen. Untote hatten das Dorf überfallen und komplett zerstört. Ziel der Mission ist es, das Dorf mit Ästen wieder aufzubauen.

Was die Spieler aber nicht wissen: Bruno und sein Team haben die verschiedenen Missionen schon Monate vorher geplant und einige Hindernisse eingebaut. Während die Spieler fleißig Äste sammeln, werden sie von Untoten überrascht. Innerhalb von Sekunden verwandelt sich der ruhige Wald in ein Schlachtfeld. Krieger stürzen sich auf die Untoten, während Magier mit Zaubersprüchen versuchen, ihnen „das Böse“ auszutreiben.

Die Untoten spielen normalerweise Schauspieler, die vor Beginn des Camps engagiert wurden. „Diesmal sind es aber unsere Knappen“, sagt Bruno. „Knappen“ heißen die jüngsten Teilnehmer des Camps. Sie sind unter 14 Jahre und haben keinerlei Erfahrung mit Live-Rollenspielen. „Damit sie keine Angst vor den Untoten haben, durften sie dieses Mal selber die Bösen spielen“, sagt Bruno.

Der 15-jährige Julian war als Krieger Teil der Mission: „Mir macht es Spaß, im Schildwall vorne zu stehen, und die Ausrüstung gefällt mir.“ Auch die Lagerfeuer und die tägliche Bewegung findet er toll, nur das Aufstehen um 7 Uhr nervt. Marleen hingegen freut sich nach sechs Tagen Dosenfutter und selbst gekochtem Mittelalter-Brei auf „was Richtiges“ zu essen: „Nach dem Camp gönnen wir uns auf jeden Fall einen Burger!“

 

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