„Die Ideologie ist menschenverachtend“

28.3.2015, 10:00 Uhr
„Die Ideologie ist menschenverachtend“

© Foto: Harald Sippel

Als die diversen Vorreden vorbei sind, kommt ein eher kleiner, nicht unbedingt dürrer Typ auf die Bühne. Optisch ein totaler Normalo. Doch der Typ war viele Jahre lang Neo-Nazi, ein ziemlich aktiver sogar. Das „Neo“ lässt er selbst übrigens weg. Er spricht nur von Nazis, egal ob frühere oder jetzige. Er reist viel herum und tritt oft in Schulen auf. Dort spricht er über seine Nazi-Vergangenheit – und warum er ausgestiegen ist.

Wer wird Nazi?

Nazis werden Ostdeutsche, Jugendliche, deren Eltern Alkoholiker sind, und/oder die seit früher Kindheit misshandelt worden sind — soweit das Klischee. „Stimmt nicht (immer)“, sagt Felix. Er selbst stammt aus einer gutbürgerlichen, weltoffenen Familie.

Gefährdet sind vielmehr Jugendliche, die sich gegen alles (Gesellschaft, Schule) und jeden (Eltern) auflehnen und um jeden Preis provozieren wollen. Aber auch junge Leute, die mit vielen Missständen um sich herum unzufrieden sind und daran etwas ändern wollen.

Wie wird man Nazi?

„Vor allem über die Musik“, sagt Felix, der selbst als „flex“ zur Nazi-Liedermacherszene gehört hat. „Ein Ohrwurm lässt dich tagelang nicht los“, sagt Felix, „über die menschenverachtenden Texte denkst du nicht groß nach.“ Die eigene Nazi-Musik, die sonst kein Mensch hört, schweißt die „Bewegung“ zusammen. Und dann kommt noch die Literatur dazu: „Schule lehnt man ab, aber Nazi-Bücher verschlingt man“, sagt Felix.

Was glaubt ein Nazi?

Manipuliert durch die einschlägige Lektüre, leugnet er vor allem die Judenvernichtung im Dritten Reich, den Holocaust. Alles nur eine Erfindung der Amis, behauptet der Nazi. Der Beweis ist doch ganz einfach: Wegen der Massenvernichtungsmittel im Irak haben die USA dort Krieg angefangen. Später stellte sich heraus: Die Massenvernichtungsmittel gab es gar nicht. Na also, glaubt der Nazi, genauso haben die Amis damals das „gute Deutschland“ überfallen. Und diese Wahrheit darf man nicht mal laut sagen, sonst wird man eingesperrt. Also ist man doch selbst ein Verfolgter, glaubt der Nazi.

Was will der Nazi?

Angeblich nur Frieden! Und damit meint er eine „Volksgemeinschaft“, in der alle die gleiche Hautfarbe haben, das Gleiche denken und das Gleiche sagen. Und weil das die meisten Leute gar nicht wollen, ist man eine unterdrückte Minderheit, die für ihre Ziele kämpfen muss. Gegen den Staat, gegen alle, die gegen einen sind – weil man ja recht hat, weil man auf der guten Seite steht. Davon ist der Nazi überzeugt. „Die Ideologie ist sehr arrogant“, sagt Felix. „Man empfindet kein Mitleid gegenüber den Opfern und versucht auch nicht, sich in einen Menschen hineinzuversetzen, der unter der Ideologie leiden muss.“

Und warum steigt er aus?

Bei Felix gab eine Haftstrafe wegen diverser Kleinigkeiten den Ausschlag. Die Zeit im Knast war zwar nur relativ kurz, aber für Felix umso prägender. Denn auf dem Gang, in dem seine Zelle lag, waren ansonsten nur Abschiebehäftlinge eingesperrt. Mit denen hat er sich viel unterhalten. Und dabei gelernt: Flüchtlinge sind keine anonyme Masse, die unser Land überschwemmt. Es sind Menschen, von denen jeder einzelne ein schlimmes Schicksal hinter sich hat, sonst wäre er nicht geflohen.

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