Ein Paradies für den Geldbeutel

28.9.2017, 17:55 Uhr
Der Blick aus Alicias Fenster. Hinter dem Plattenbau schimmern die Berge.

© privat Der Blick aus Alicias Fenster. Hinter dem Plattenbau schimmern die Berge.

"Hä? Hast du deinen Erstwunsch für das Auslandssemester nicht bekommen?", fragte mich ein Kommilitone ein paar Monate vor der Abreise. Dabei runzelte er die Stirn, neigte den Kopf leicht zur Seite und beäugte mich unterschwellig grinsend.

Ähnlich haben weitere Bekannte reagiert, als ich ihnen erzählte, dass ich während meines Master-Studiums ein Semester in der slowenischen Hauptstadt Ljubljana verbringen werde. Damals bekam ich den Eindruck, einem automatischen Rechtfertigungsdruck ausgesetzt zu sein – nur weil ich für den Erasmus-Aufenthalt nicht nach Rom oder Barcelona gehe.

Gleichzeitig fühlte ich mich durch die neugierigen Nachfragen ertappt. Denn: Eine felsenfeste Begründung, warum es ausgerechnet nach Slowenien geht, gab es für mich nicht.

Die Stadt sollte größer als mein deutscher Studienort sein, und ich wollte mich tendenziell Richtung (Mittel-)Osteuropa bewegen. Die endgültige Entscheidung für Ljubljana fiel jedoch durch die positiven Randbedingungen: eine kostengünstige Anbindung nach Hause, englischsprachige Kurse und Reiseberichte von Freunden. Inzwischen wohne ich seit einem Monat in Ljubljana und kann über die Bedenken der anderen nur schmunzeln: Das charmante Städtchen an der Ljubljanica hat mich auf vielfältigste Art überrascht. Warum ich froh bin, für mein Auslandssemester dort gelandet zu sein, hat verschiedene Gründe:

Im Herzen Europas

Viele Städte behaupten von sich, "im Herzen Europas" zu liegen. Ljubljana scheint auf diesen Titel einen ernstzunehmenden Anspruch zu haben: Slowenien grenzt an Österreich, Ungarn, Italien und Kroatien. Auch innerhalb des Landes sind viele attraktive Reiseziele gefühlt – und praktisch – nicht mehr als zwei Stunden entfernt.

Da steigert es bereits die Reiselust, am Busbahnhof zu stehen, und sich auszumalen, ob man nach Skopje in Mazedonien, nach Sarajevo in Bosnien, oder nach Celje in die slowenische Toskana fahren möchte.

Prima Nahverkehr

Ljubljana liegt, von den Julischen Alpen teilweise umrandet, in einem Tal, so dass die Stadt angenehm eben ist. Die Stadtplaner haben ausgiebig Fahrradwege angelegt sowie ein ausgeklügeltes Fahrrad-Leihsystem entwickelt.

Für nur drei Euro im Jahr kann man sich für maximal eine Stunde am Stück ein Fahrrad ausborgen. Da liegt es nicht fern, mal auszuprobieren, ob man morgens mit dem Bus oder nicht doch mit dem Fahrrad schneller an der Uni ist.

Klein mit Großstadtflair

Von den circa zwei Millionen Einwohnern Sloweniens wohnen fast 300 000 in der Landeshauptstadt. Verglichen mit Nürnberg, Berlin oder Hamburg mag einem diese Anzahl bescheiden vorkommen.

Für meinen Geschmack hat die Stadt eine gute Größe: Sie ist übersichtlich genug, dass man auch Freunde am anderen Stadtende abends auf ein Gläschen Wein treffen kann. Trotzdem ist sie groß genug, dass man sich nach einer Erasmus-Woche nicht bereits durch alle Clubs getanzt hat. Und wenn man in der Stadt unterwegs ist, tut man sich schwer, keine Kommilitonen zu treffen.

Einfache Sprache

In Ljubljana kann man vor dem Studienbeginn einen dreiwöchigen Sprachkurs absolvieren. Seitdem sind mir Alltagsformeln auf Slowenisch geläufig. Meinen Wortschatz erweitere ich täglich durch das Mitlauschen von Gesprächen auf der Straße oder das Lesen von Werbeplakaten.

Im Slowenischen gibt es nur wenige, leicht nachvollziehbare Ausspracheregeln. Zudem hat die Sprache nur drei Zeitformen: Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft.

Preiswerte Mahlzeiten

Aufgrund der Wirtschaftsleistung Sloweniens hatte ich getippt, dass die Preise hier nur geringfügig niedriger sind als die deutschen. Diese Vermutung hat sich beim Lebensmitteleinkauf bestätigt. Nicht damit gerechnet hatte ich, dass ich kaum kochen würde: In Slowenien gibt es ein staatlich finanziertes System, dank dessen jeder Student Anspruch auf Subventionierungen in regulären Restaurants hat. Für nur zwei bis maximal vier Euro bekommt man dort Suppe, Salat, Hauptgericht und Obst als Nachtisch. Fragt sich nur, wie man bei solch üppigen Mahlzeiten überhaupt zum Studieren kommen soll.

Seid spontan!

Jeder muss selbst wissen, ob es ihn in eine Klein- oder Großstadt zieht. Und ob er sein Englisch testen oder eine völlig neue Sprache lernen möchte. Doch grundsätzlich hat mich die Suche nach einem Ort für das Auslandssemester zwei Dinge gelehrt:Um ein halbes oder ganzes Jahr im Ausland zu verbringen, reicht manchmal das Bauchgefühl. Man braucht keine ausgearbeitete dialektische Erörterung. Vertraut auf euch selbst und darauf, dass ihr mit einer Portion Eigeninitiative überall nette Leute kennenlernen werdet.

Und habt keine Scheu, die Ecken dieser Welt zu erkunden, die bei den Kommilitonen nicht so hoch im Kurs sind. Wer sagt denn, dass ich in Slowenien keine schöne Zeit haben kann? Oder vielleicht sogar eine angenehmere, weil das Land noch nicht auf dem Radar von Billigfliegern ist und man als Student nicht mit den Touristen um einen Platz auf dem Barhocker konkurriert.

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