Ein Präsident, der weiterhin lehren will

31.3.2015, 20:15 Uhr
Ein Präsident, der weiterhin lehren will

© Foto: Harald Sippel

In den Kronleuchter sollen Energiesparlampen. Auf den Schreibtisch kommt ein großer Monitor und ein Telefon mit Freisprechanlage. Ansonsten darf der Neue aber kaum etwas an seinem neuen Arbeitsplatz verändern. „Das Büro des Präsidenten hat große Tradition, ich kann nicht einfach die Bilder von der Wand nehmen“, sagt Joachim Hornegger. „Ich muss die richtige Balance finden, zwischen der Würde des Amtes und zweckmäßiger Moderne.“ Der 47-Jährige antwortet gerne sofort auf E-Mails und ruft an, wenn etwas zu klären ist, statt einen Vermerk für später ins Protokoll aufnehmen zu lassen. Seinen Kalender hat er ab heute aber nicht mehr selbst in der Hand, der liegt nun im Präsidialbüro bei Sekretärin Gisela Heinrici. Darin trägt sie die Grußworte ein, die Hornegger jetzt sprechen muss, Treffen mit Ministern und Besuche von Nobelpreisträgern. Ein Präsident vertritt seine Universität nach außen. Er muss viel lesen, neue Professoren einstellen und jede Promotionsurkunde persönlich unterschreiben – forschen kann er nicht mehr. „Dass ich die Wissenschaft jetzt aufgebe, fällt mir sehr schwer“, sagt Hornegger. Neun Jahre lang hat der Informatiker den Lehrstuhl für Mustererkennung geleitet, an dem zurzeit 70 Doktoranden forschen. „Aber ich habe mich um das Präsidentenamt beworben, weil ich neben den nötigen Repräsentationsaufgaben auch die gestalterischen Möglichkeiten sehe, die Universität ganz wesentlich zu beeinflussen.“

Joachim Hornegger hat von 1987 bis 1991 in Erlangen studiert und 1996 promoviert. „Ich war ein furchtbarer Student“, erinnert er sich. „Ich war so fokussiert und wollte das nur möglichst schnell hinter mich bringen.“ Gleich zu Beginn hat ihn die Aussage eines Professors schockiert, der sagte: „Wenn Sie glauben, neben dem Studium Zeit für eine Freundin zu haben, dann haben Sie sich getäuscht.“ Hornegger hat es trotzdem geschafft und ist noch immer mit seiner Frau Belinda zusammen. Sie wohnen mit ihren beiden Kindern, 11 und 13 Jahre alt, in der Fränkischen Schweiz. „Die Geschichte zeigt auch, dass man aufpassen muss, was man den Erstsemestern erzählt, denn das bleibt hängen“, sagt er.

Hornegger sagt, dass ihm die Lehre sehr am Herzen liege. Er arbeitet gerne mit Studenten zusammen, denn „das hält jung“. Auch während seiner Zeit in der Industrie, als Entwicklungsingenieur für Medizinische Bildverarbeitung bei Siemens Medical Solutions, lehrte er einen Tag in der Woche. Und sogar als Präsident plant er, eine Vorlesung anzubieten, wenn in zwei Wochen das Sommersemester beginnt. „Ich muss schauen, ob das auf Dauer klappt, aber wenn sogar ein Siemens-Vorstand eine Vorlesung bei uns halten kann, dann sollte sich der Präsident der Universität vielleicht auch die Zeit dafür nehmen.“

Karl-Dieter Grüske übergibt seine Amtskette an den neuen Präsidenten Joachim Hornegger. Foto: Harald Sippel

Karl-Dieter Grüske übergibt seine Amtskette an den neuen Präsidenten Joachim Hornegger. Foto: Harald Sippel © Harald Sippel

Nach fünf Jahren entschied Hornegger sich gegen eine Manager-Karriere und für die Wissenschaft. Er kehrte 2003 an die FAU zurück: „Ich wollte mich fachlich noch weiterentwickeln.“ Er baute den Studiengang Medizintechnik auf, wurde Sprecher der Informatik, Prodekan der Technischen Fakultät und schließlich 2011 Vizepräsident für die Forschung an der FAU. „60 Stunden Arbeit pro Woche hatte ich auch bislang schon“, sagt er. „ Ich kenne den Kalender meines Vorgängers – wesentlich mehr Belastung wird es jetzt auch nicht werden, aber die Tätigkeiten ändern sich.“ Ein Vizepräsident macht den Job nebenher und ehrenamtlich, ein Präsident in Vollzeit. Er hat das letzte Wort und entscheidet durch gezielte Berufung neuer Professoren, wohin sich die Uni entwickelt. Hornegger hat zwei Jahre lang als Gastwissenschaftler in den USA geforscht, am renommierten Massachusetts Institute of Technology (MIT) und an der Stanford University. „Ich kenne Elite-Universitäten von innen und muss sagen, wir brauchen uns da als FAU nicht zu verstecken“, sagt er. „Wir können von ihnen lernen, dass man im Haus sehr offen mit Kritik umgeht, dass Leistung bewertet wird und Schwächen benannt. Sie können von uns lernen, dass man auch eine soziale Verantwortung gegenüber seinen Mitarbeitern hat.“

Hornegger ist einen Marathon gelaufen, um sich zu beweisen, dass er das schaffen kann. Danach hat er mit dem Laufen aufgehört. Er fährt Mountainbike und spielt seit einem Jahr Saxophon. Mit 47 ist er jetzt der jüngste Uni-Präsident in Bayern und der zweitjüngste in Deutschland. Nur der Chef der Uni Gießen ist mit 41 Jahren noch jünger. Hornegger ist sehr selbstbewusst und das soll seine FAU auch sein. Er will, dass sie als junge dynamische Universität wahrgenommen wird, bei Schülern und Nachwuchswissenschaftlern. Seiner Frau hat er versprochen, dass er als Präsident nicht noch mehr arbeiten wird als bisher: „Die Sekretärinnen haben klare Anweisungen, dass Termine nach 18 Uhr und am Wochenende eine spezielle Rücksprache brauchen.“ Für August hat die Familie schon drei Wochen Urlaub in den USA gebucht. Hornegger überlegt auch, noch einen vierten Vizepräsidenten einzusetzen, um die Arbeit besser zu verteilen. Vielleicht mit den Schwerpunkten Weiterbildung, Wissenstransfer, internationale Studiengänge und Lehrerausbildung. Auf seinen neuen Job freut er sich „riesig“.

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