Freundschaft statt Schrecken

7.4.2016, 10:00 Uhr
Freundschaft statt Schrecken

© Foto: privat

„Was ist der Grund Ihres Besuchs?“: Das ist das Erste, was man bei der Ankunft am Tel Aviver Ben-Gourion-Flughafen gefragt wird. „Ein Austauschprogramm mit den Schülern der Ironi-Alef-Schule in Tel Aviv“, lautet unsere Antwort. Nach den Sicherheitschecks und Passkontrollen können wir endlich unsere Austauschpartner in die Arme schließen.

„Es fühlt sich an wie Heimkommen“, meint Tammy, eine von uns Deutschen, und beschreibt damit unser aller Gefühle. Denn wir haben unsere Austauschpartner während ihres Besuchs in Nürnberg vorigen Juli schon sehr lieb gewonnen und seither vermisst. Nach der Begrüßung verbringen wir den Schabbat-Abend bei einem guten Essen in den Familien.

Keiner unserer Partner ist streng religiös. Die meisten essen sogar Schweinefleisch und gehen am Schabbat lieber mit uns an den Strand als in die Synagoge. Doch die jüdische Prägung des Landes wird spätestens dann offensichtlich, als wir am nächsten Tag, einem Sonntag, in die Schule gehen. Allerdings nur für eine Stunde, denn danach steht eine Stadtführung durch den alten Teil Tel Avivs an.

Gemeinsames Kunstprojekt

Wir Deutschen müssen uns erst wieder daran gewöhnen, dass sich die Israelis bei jeder Gelegenheit, die sich während der Führung bietet, einfach hinsetzen – sei es auf eine Bank oder die Straße. Am Ende der Woche haben wir uns dieses Verhalten schon selbst zu eigen gemacht.

Ein Ausflug führt uns nach Jerusalem, eine besondere Stadt: Man spürt die Jahrtausende alte Geschichte und die Spiritualität an der Klagemauer und im Suk. Mit der tragischen Geschichte zwischen Juden und Deutschen werden wir dann in der internationalen Holocaust Gedenkstätte „Yad Vashem“ konfrontiert. Und auch am Mittwoch dreht sich bei unserem Kunstprojekt in der Ironi-Alef-Schule alles um die beklemmende Geschichte unserer Vorfahren.

Dazu haben wir vorher unsere Großeltern befragt und alte Familienbilder mitgebracht, die wir später in Nürnberg ausstellen – zusammen mit aktuellen Fotos unseres Austausches. So wollen wir ein Zeichen dafür setzen, dass wir den Schrecken von damals durch unsere Freundschaft überwunden haben.

„Es war sehr interessant, auch mal die Geschichte aus dem Blickwinkel der Deutschen zu hören. Wir sehen sie immer nur als Täter, und ich wusste gar nicht, dass sie unter der Roten Armee auch gelitten haben“, sagt Israeli Oar später zu mir. Das allein zeigt, dass unser Austausch nicht nur einen hohen Spaßfaktor hat, sondern auch für die Völkerverständigung wertvoll ist.

Doch genau diese Völkerverständigung scheint zwischen Israel und dem teilweise durchs israelische Militär besetzten Palästina zu fehlen. Zwar kann man auch in Israel in jeder Stadt die Minarette der Moscheen aufragen sehen, die aus der Zeit der arabischen Herrschaft stammen. Und in den Schmuckläden und auf dem Markt kann man mehr Andenken mit Fatimas Hand als mit dem Davidsstern kaufen. Aber Araber sehen wir keine.

Der ständige Zwist zwischen den beiden Völkern ist auch Thema in den Gesprächen mit meiner Gastfamilie. Dabei merke ich, dass sie gern die Möglichkeit hätten, freundschaftlich aufeinander zuzugehen. Doch von der israelischen Regierung werden die Palästinenser als Feinde stigmatisiert und die Bedrohung aus dem Gaza als Anlass für verschärfte Sicherheitskontrollen genommen. Zum Beispiel herrscht vielerorts eine fast erschreckende Militärpräsenz.

Unsere Taschen werden jedes Mal, wenn wir ein Kaufhaus oder öffentliches Gebäude betreten wollen, von bewaffnetem Sicherheitspersonal durchsucht. Und nach dem Schulabschluss heißt es für israelische Schüler nicht wie bei uns in Deutschland, ab ins Ausland oder an die Uni, sondern erst mal: Wehrdienst leisten. Im Großen und Ganzen allerdings erweisen sich die übermäßigen Sorgen unserer Eltern um die Sicherheit ihrer Kinder als unbegründet.

Alltag wie In Deutschland

In Deutschland wird Israel nahezu immer in einem Atemzug mit dem Nahost-Konflikt genannt, und man stellt sich ein Leben in ständiger Angst mit kriegsähnlichen Zuständen vor. Tatsächlich aber spürt man von dieser potenziellen Bedrohung durch die Palästinenser im Land selbst kaum etwas.

Das Leben läuft genauso ab wie bei uns: aufstehen, zur Schule gehen, Freunde treffen, einkaufen, Essen kochen, zu Bett gehen. Man könnte fast sagen, es herrscht ein erstaunliches Maß an Verdrängung, zumal man in Tel Aviv vor den Kriegshandlungen im Gaza sowieso sehr sicher ist.

Unser letzter Tag in Israel stellt gleichzeitig den Höhepunkt für viele von uns dar: Gemeinsam mit den Israelis fahren wir durch die Wüste zu der beeindruckenden, von dem biblischen König Herodes errichteten Festung Masada und weiter zur En-Gedi-Oase und zum Toten Meer. Das Gefühl bei einem fast schwerelosen Bad im Toten Meer lässt sich kaum beschreiben. Es ist unglaublich cool!

Das Abschiednehmen am Tag danach fällt uns schwer und ist nur mit dem Versprechen zu ertragen, dass wir uns gegenseitig jeden Tag schreiben und wieder besuchen.

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