Hau ab, dich lassen wir nicht mitspielen!

30.6.2015, 10:00 Uhr
Hau ab, dich lassen wir nicht mitspielen!

© Foto: Katharina Tontsch

Frau Distler, gibt es Mobbing an Hochschulen beziehungsweise im studentischen Bereich?

Bianca Distler: Zunächst ist es wichtig, zu definieren, was Mobbing überhaupt ist: Allgemein bezeichnet man damit das Anfeinden, Schikanieren oder Diskriminieren untereinander oder durch Vorgesetzte; entgegen der landläufigen Meinung handelt es sich aber nicht um einen Rechtsbegriff. Und: Nicht jeder Konflikt bedeutet Mobbing, das ist ganz wichtig zu unterscheiden. Doch kommen Konflikte auch an Hochschulen unter Studierenden vor.

 

Woran liegt das? 

Bianca Distler: Das liegt mitunter daran, dass Hochschulen sogenannte Non-Profit-Organisationen sind und nicht den Gesetzen des Wettbewerbs unterliegen. In vielen anderen Bereichen wäre es möglich, entsprechend auszuweichen, sich zum Beispiel einen anderen Arbeitsplatz zu suchen oder eine Versetzung anzuregen. Dozenten oder Studierende können aber häufig nicht einfach schnell die Hochschule wechseln.

 

Würden Sie uns mal einen typischen Fall für Mobbing an der Hochschule schildern?

Bianca Distler: Typisch wäre folgendes Fallbeispiel: Eine Studentin hat in ihrem Studiengang im 3. Fachsemester keine Freunde und leidet unter depressiven Verstimmungen. Von der Gruppe, die sich zur gemeinsamen Bearbeitung von Seminarthemen trifft, wird sie gezielt gemieden. Gelächter ertönt, wenn sie den Raum betritt. Die anderen besetzen die Plätze so, dass sie sich nur in die hintere Reihe setzen und das Besprochene nur am Rande verfolgen kann. Die Folge: Die Studentin meldet sich zu den Prüfungen wieder ab, weil ihr die erforderlichen Vorleistungen durch das Seminar fehlen.

 

Das klingt ja schon ziemlich übel, kommt sowas häufig vor?

Bianca Distler: So schlimm sicher nicht. Natürlich gibt es öfter Konflikte, und zwar immer dann, wenn Interessen und Bedürfnisse aufeinanderstoßen, die nicht vereinbar sind. Aber längst nicht jeder Konflikt artet in Mobbing aus.

 

Wie wird denn Mobbing in diesem Kontext definiert?

Bianca Distler: Ein Konflikt eskaliert dann zu Mobbing, wenn die Auseinandersetzung mit der betroffenen Person in den Vordergrund rückt. Die persönliche Schwächung und Diffamierung des anderen wird zum Hauptziel.

 

Können Sie da ein paar ganz konkrete Verhaltensweisen nennen?

Bianca Distler: Einige Beispiele sind: ständiges Unterbrechen; Kontaktverweigerung durch abwertende Blicke oder Gesten; wie Luft behandeln; hinter dem Rücken des Betroffenen schlecht über ihn reden; Gerüchte verbreiten; den Gang, die Stimme oder Gesten nachahmen, um jemanden lächerlich zu machen; sexuelle Annäherungen oder verbale sexuelle Angebote. Ganz wichtig in diesem Zusammenhang ist: Wer passiv mitmacht, ist genauso mitverantwortlich für die Eskalation!

 

Was kann ich denn tun, wenn ich mich gemobbt fühle?

Bianca Distler: Das Entscheidende ist, sich rechtzeitig und sehr entschieden zur Wehr zu setzen. Die besten Chancen zu einer Konfliktregulierung liegen in der Anfangsphase! Je weiter ein Mobbingprozess vorangeschritten ist, desto schwieriger wird es, ihn zu unterbrechen oder gar aufzuhalten.

 

Und was gibt es da für konkrete Tipps?

Bianca Distler: Auch hier wieder eine kleine Liste: kühlen Kopf bewahren, keine hilflose Opferrolle annehmen; einen Aktionsplan erstellen: Was will ich tun? Wer kann mir dabei helfen?; das Mobbing dokumentieren, Beweise sichern; Hilfe und Beratung einholen, zum Beispiel beim Vertrauensdozenten, bei der Studienberatung, der Frauenbeauftragten oder der psychologisch/psychotherapeutische Beratungsstelle. Viele Opfer schämen sich und leiden still vor sich hin. Studierende sollten daher den Mut haben, sich an eine Vertrauensperson zu wenden, die helfen kann.

 

Was ist eigentlich aus der Studentin aus Ihrem typischen Beispiel geworden?

Bianca Distler: Die Studentin kam von einer anderen Uni. Sie schreibt nun die ausstehenden Prüfungen bei uns an der Uni Erlangen-Nürnberg und setzt auch hier ihr Studium fort. Aufgrund der besonderen Situation konnten wir eine Ausnahmeregelung treffen und den Studienortwechsel noch während des laufenden Semesters ermöglichen.

 

Ist sowas der Regelfall?

Bianca Distler: Nein, natürlich nicht. Ein Studienortwechsel aufgrund von zwischenmenschlichen Differenzen an der Hochschule sollte der allerletzte Ausweg sein – auch weil damit der Mobber sein Ziel erreicht.

 

Interview:

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