Nürnberger Schüler: "Ich durfte großspurig auftreten"

20.3.2018, 10:00 Uhr
Nürnberger Schüler:

© privat

Das Thema Gesetzgebung ist oft trocken und im Unterricht schwer zu vermitteln. Vor allem am Gymnasium, wo es in der 12. Klasse nur eine Stunde Sozialkunde pro Woche gibt. "So ist auf Initiative unseres Schüler-Arbeitskreises Politik ein EU-Simulationsplanspiel an unsere Schule geholt worden", erzählt Sozialkunde-Lehrer Matthias Göller, der sich am Labenwolf-Gymnasium Nürnberg um politische Bildung und Fördergelder für solche Projekte kümmert.

Mit Hilfe des "Centrums für Angewandte Politikforschung" der Ludwig-Maximilians-Universität München konnten die 90 Zwölftklässler erste Einblicke in das politische Leben gewinnen. Jeder Teilnehmer bekam eine Mappe, mit der er sich auf seine Rolle und das Thema vorbereiten konnte.

Die Schüler verwandelten sich in verschiedene Akteure der Europäischen Union: in Abgeordnete verschiedener Fraktionen im Europäischen Parlament, in Lobbyisten und in Mitglieder der Europäischen Kommission und des Ministerrats. Das Thema lautete: "Zero Waste. Klima und Umweltpolitik in der Europäischen Union."

Konkret sollten die Abiturienten in ihren Rollen überlegen und diskutieren, welche Entscheidungen getroffen werden sollten, um das Plastikaufkommen in der EU – zum Beispiel in Form von Plastiktüten – zu minimieren. Zudem sollten Alternativen gefunden werden.

Vier Jugendliche haben uns erzählt, wie sie das Planspiel erlebt und welche Erfahrungen sie gemacht haben.

Nürnberger Schüler:

Umweltminister

Nora (17) sollte sich in die Rolle des Umweltministers von Österreich versetzen und brachte sich im Ministerrat ein:

Ich habe mich in meiner Rolle wohlgefühlt, konnte mich dank der bereitgestellten Infos gut hineinversetzen und mich gut einbringen. Es war ganz schön schwierig, im Ministerrat eine Regelung zu finden. Denn die anderen haben sich viel Mühe für ihre Interessen gegeben. Wir haben lange gebraucht und viel diskutiert.

Ich fand es interessant zu sehen, wie lange der Gesetzgebungsprozess dauert. Ich hatte das vorher unterschätzt. Aber es hat auch Spaß gemacht. Mir hat jedoch der Abschluss gefehlt, über das Gesetz tatsächlich abzustimmen.

Nürnberger Schüler:

Europapolitiker

Johann (17) verwandelte sich in einen CSU-Europapolitiker, er war auch Vorsitzenden seiner Fraktion:

Ich war im Umweltausschuss und kämpfte dort um Mehrheiten für meine Position. Es hat Spaß gemacht, die bayerische CSU-Mentalität zu vertreten und etwas großspurig aufzutreten. Ich konnte vor allem die freien Liberalen auf meine Seite ziehen und auch rechtere Mitglieder überzeugen.

Im Planspiel sollten zwar die verschiedenen Schritte des Gesetzgebungsprozesses gezeigt werden, aber es fehlte bei den Parteien der linke und rechte Rand. Und das entspricht nicht der Realität, was ich kritisch finde. Wenn es diese Parteien gegeben hätte, wären die Abstimmungen anders ausgefallen.

Nürnberger Schüler:

Lobbyist

Benedikt (18) hatte die Aufgabe, als Lobbyist die Abgeordneten auf seine Seite zu bringen:

Der Arbeitsbogen hat mich gut auf meine Rolle vorbereitet. Ich sollte Politiker auf die Seite der Plastikindustrie ziehen und wurde dafür mit guten Argumenten ausgestattet. Diese beleuchteten natürlich nur einen Teil der Wahrheit – den, der auch den Interessen der Plastiklobby entspricht.

Das Planspiel war eine tolle Möglichkeit, in das Arbeitsfeld reinzuschauen, das einem meist schleierhaft vorkommt. Außerdem war es eine geniale Alternative zum Frontalunterricht. Die Erfahrungen prägen sich ein. Ich musste zu Europa nicht mehr viel lernen. Gerne hätte ich noch mehr Zeit damit verbracht.

Nürnberger Schüler:

EU-Kommissar

Vincent (17) schlüpfte in die Rolle eines EU-Kommissars, der sich den Gesetzesentwurf mit ausgedacht hat:

Ich habe im Umweltausschuss mitdiskutiert. Dabei bemerkte ich, wie groß der Einfluss der Lobby ist. Bevor die Plastiklobby ihre Argumente vorbrachte, hatten wir einen Kompromiss gefunden. Danach wurde der Gesetzentwurf abgelehnt.

Ich habe festgestellt, dass es schwierig ist, Menschen dazu zu bringen, etwas zu verändern. Und wie schnell sich Meinungen je nach Info ändern. Der Lerneffekt beim Planspiel war enorm. Wie die anderen hätte ich mir mehr Zeit dafür gewünscht und dass Randparteien eine Rolle gespielt hätten.

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