Ich hatte einen Albtraum . . . als Zirkusattraktion

23.5.2016, 10:00 Uhr
Ich hatte einen Albtraum . . . als Zirkusattraktion

© dpa

Ich hatte einen Traum: Auf meinem Kopf und dem meiner Leidensgenossen befand sich ein buntes Hütchen. Wir stellten uns im Kreis in der Manege des Zirkus „Larnik“ auf, als der Trommelwirbel des Orchesters einsetzte. Im Publikum klatschten und brüllten Löwenfamilien, Robbenpärchen und halbwüchsige Paviane. Lautstark mampften sie aus Knistertüten Fleischbrocken und frischen Fisch und bissen in saftige Äpfel.

Aus dem Rüssel unseres afrikanischen Dompteurs erklang gellendes Trompeten. Sofort begannen wir, die dressierte Männergruppe aus Germany, als die Attraktion des diesjährigen Zirkusprogramms auf allen Vieren im Takt vorwärts zu hopsen. Hinter mir versuchte mich der dicke Josef in den Hintern zu boxen, vor mir stoppte plötzlich der alte Franz wegen seiner Luftnot, so dass wir alle aufliefen und umfielen.

Der Elefantenlehrer fuchtelte mit der langen Gerte im Rüssel ärgerlich vor unserer Nase herum. Ängstlich folgten wir seinem Befehl und stellten uns zur Polonaise auf. Im Takt der Musik hüpften wir auf einem Bein vorwärts, hoben den rechten Arm und schrien gemeinsam „Hoch lebe Zirkus Larnik“. Weil wir es so gut gemacht hatten, zauberte unser Lehrer für jeden von uns eine Praline aus seinem Rüssel.

Beim Rückweg in unsere Käfige begleitete uns eine gewaltige Applauswelle, vor allem die Löwenkinder kreischten übermütig. In der Pause begafften uns die Robben in unseren Käfigen und wunderten sich über unser Menü aus Schnitzeln, Kartoffelsalat und Schokoladeneis.

Obwohl es in unseren engen Unterkünften warm und kuschelig war und wir einen vollen Magen hatten, fingen manche von uns an, vor Kummer und Heimweh zu weinen. Das war so entsetzlich, dass plötzlich alle schluchzten. Sehnsuchtsvoll dachten wir an unser Zuhause, unsere Familien und unser selbstbestimmtes Leben.

Angesichts unseres schwermütigen Zustandes wurden die Internisten Prof. Löwe und Dr. Panther geholt. Sie untersuchten uns gründlich und bescheinigten uns beste Gesundheit. Ein Tumult übertönte diese unwahre Aussage.

Der dicke Ramazotti, der vor seiner Gefangennahme Wrestler gewesen war, schmiss sich derartig verzweifelt gegen die Käfigtüre, dass sie aufsprang. Blitzschnell öffnete er auch unsere Türen. Jeder von uns rannte, so schnell er konnte, weg von diesem grausamen Ort. Die löwigen Aufpasser brüllten, schlugen mit ihren Peitschen auf uns ein, bedrohten uns mit ihren Reißzähnen und versuchten, uns einzufangen.

Mit Glück schafften wir es, uns unter den Wagen der Zirkusmitarbeiter zu verstecken. Nach Stunden des Bangens retteten uns die Leute von „International Pupils Rescue Germany“ und brachten uns endlich zu unseren Familien zurück . . .

In diesem Moment läutete der Wecker und ich wachte auf.

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