Ich sehe was, was du auch siehst

20.3.2018, 20:13 Uhr
Szenenfoto aus „Battlestar Galactica“: Das Mädel im roten Kleid heißt „Nummer 6“ und ist ein Zylon, einer von ganz vielen intelligenten Kampfrobotern, die nur ein einziges Ziel haben: die Vernichtung der Menschheit. Um diesem Ziel näherzukommen, macht sich „Nummer 6“ an einen Wissenschaftler ran, der für ein entscheidendes Sicherheitssystem der Menschen zuständig ist.

© NBC Universal Szenenfoto aus „Battlestar Galactica“: Das Mädel im roten Kleid heißt „Nummer 6“ und ist ein Zylon, einer von ganz vielen intelligenten Kampfrobotern, die nur ein einziges Ziel haben: die Vernichtung der Menschheit. Um diesem Ziel näherzukommen, macht sich „Nummer 6“ an einen Wissenschaftler ran, der für ein entscheidendes Sicherheitssystem der Menschen zuständig ist.

Die schon etwas Älteren sind mit Lassie und Fury aufgewachsen, andere mit dem Prinzen von Bel Air und in Beverly Hills 90210, wieder andere mit MacGyver und Baywatch: TV-Serien kennt und schaut jeder. Darüber redet jeder und/oder er weiß Bescheid – denkt er zumindest.

Wer mehr als nur sein Halbwissen pflegt, ist entweder eingefleischter Fan – oder Wissenschaftler: "TV-Serien sind inzwischen als Forschungsgegenstand an der Universität angekommen", sagt Katharina Gerund, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Erlanger Lehrstuhl für nordamerikanische Literatur- und Kulturwissenschaft, der von Prof. Heike Paul geleitet wird.

Dort beschäftigt man sich schon seit einigen Jahren mit Populärkultur, unter anderem mit Spielfilmen, Musik und populärer Literatur. "Seit einiger Zeit liegt auch ein Schwerpunkt auf TV-Serien, die weit über die USA hinaus ein anerkanntes kulturelles Phänomen darstellen", erklärt Katharina Gerund.

Vor allem befassen sich die Erlanger Forscher mit Serien, die in den USA "Prestige-TV" beziehungsweise "Quality-TV" heißen." Beide Begriffe machen klar: Es geht hier nicht um Sendungen, die bei uns gerne mal als "Unterschichten-Fernsehen" bezeichnet werden.

Das betrifft nicht nur die reinen Inhalte, sondern auch das Image. Es geht nämlich um Serien, die auch von Intellektuellen gerne gesehen werden – oder von Leuten, die sich dafür halten. Und umgekehrt: Wer solche Serien schaut, gilt als Intellektueller.

Nein, hier geht es nicht um „Akte X“: Dana Scully, pardon, die Schauspielerin Gillian Anderson spielt auch in der TV-Serie „American Gods“ eine wichtige Rolle. Im Kampf zwischen alten Göttern aus der Mythologie und den Götzen der modernen Gesellschaft verkörpert sie „Media“, die Göttin der Medien, die auf Bildschirmen und Displays angebetet wird. „Media“ tritt dabei in vielerlei Gestalt auf, zum Beispiel als David Bowie, Marilyn Monroe oder Judy Garland.

Nein, hier geht es nicht um „Akte X“: Dana Scully, pardon, die Schauspielerin Gillian Anderson spielt auch in der TV-Serie „American Gods“ eine wichtige Rolle. Im Kampf zwischen alten Göttern aus der Mythologie und den Götzen der modernen Gesellschaft verkörpert sie „Media“, die Göttin der Medien, die auf Bildschirmen und Displays angebetet wird. „Media“ tritt dabei in vielerlei Gestalt auf, zum Beispiel als David Bowie, Marilyn Monroe oder Judy Garland. © Ed Araquel/Fox

Rein formal erläutert Katharina Gerund den Begriff "Prestige-TV" so: "Es handelt sich meist um ästhetisch hochwertige Produktionen und recht komplexe Erzählungen, in die man nicht so einfach reinzappen kann, wenn man mitkommen möchte. Diese brechen oft mit Konventionen und haben komplexe Hauptpersonen. Weitere Kennzeichen sind etablierte Regisseure und hochkarätige Schauspieler."

Die Hauptfiguren sind übrigens in der Regel männlich – noch. "Das ändert sich gerade", erläutert Katharina Gerund, "es gibt zunehmend Prestige-Serien, die sich um starke Frauen drehen" – zum Beispiel "Veronica Mars" und "Jessica Jones". TV-Serien als Forschungsthema sind der eine Trend. Dass sich Wissenschaft einer breiten Öffentlichkeit präsentiert, ist ein anderer. Was also liegt näher, als diese beiden Trends zu verknüpfen?

Vor diesem Hintergrund steht die Reihe "One Evening – One Series". "Das Format bietet einem breiten Publikum die Gelegenheit, neue amerikanische TV-Serien kennenzulernen und darüber zu diskutieren", erläutert Katharina Gerund, die das Programm mitkonzipiert hat.

Dabei bringen junge Wissenschaftler aus der Erlanger Amerikanistik den Besuchern jeweils eine US-Serie näher (siehe Kasten unten). Nach einer kurzen theoretischen Einführung gibt es eine oder zwei Folgen aus der jeweils 1. Staffel einer Serie zu sehen. "Wir wollen natürlich nicht zu viel verraten", sagt Katharina Gerund, "sondern nur neugierig machen".

Danach kann und soll eifrig diskutiert werden – natürlich auf Englisch. "Denn die Abende sind nicht nur für Fans der jeweiligen Serie und für Informationshungrige gedacht, sondern auch für Fremdsprachenlerner", sagt Katharina Gerund.

Sie selbst wird dabei die Serie "Fresh off the Boat" vorstellen. In dieser Sitcom geht es um das Alltagsleben einer asiatisch-amerikanischen Familie. "Das ist etwas Besonderes", sagt Katharina Gerund, "denn in vergleichbaren Sitcoms aus den USA stehen in der Regel typische weiße Mittelschichtfamilien im Mittelpunkt."

Was kann die Forschung aus solchen Darstellungen lernen? "Zum Beispiel, wie die Vorstellung von Familie in verschiedenen kulturellen Kontexten aussieht und wie sie sich historisch wandelt", antwortet Katharina Gerund. "Wir fragen: Welche Normen und Werte bestimmen das Familienleben und welche Werte werden hier verhandelt? Und wie wirken solche Darstellungen zurück in die Gesellschaft?"

Was die Serien selbst betrifft, sind solche Rückwirkungen bereits deutlich sichtbar. Früher hat man sich möglichst repräsentative Wälzer daheim ins Bücherregal gestellt, um Gäste zu beeindrucken. "Heute", sagt Katharina Gerund, "können hochwertige Schuber mit den gesammelten DVDs einer Serienstaffel ebenso ein Statussymbol sein".

Das Programm steht auf www.dai-nuernberg.de

 

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