Im Fränkischen verwurzelt

10.2.2016, 13:00 Uhr
Im Fränkischen verwurzelt

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Irritierte Blicke und Kommentare wie „uncool“ sind Linda Böhringer und ihre Freundinnen inzwischen gewöhnt. Sie ernten Stirnrunzeln, wenn sie anderen erzählen, dass sie am Wochenende keine Zeit haben, weil sie mit fränkischen Liedern auftreten — bei Geburtstagen, Heimatabenden und Vereinsfesten der Generation 50 plus. „Viele haben eine falsche Vorstellung von Volksmusik“, meint Katrin Sluzalek. „Die denken dann an Lieder wie ,Ein Stern‘ und so, aber das sind ja Schlager.“

Die Eschenbacher Madli singen stattdessen mit einem breiten Grinsen zum Beispiel „Semmer ledi, semmer lusti“ (Sind wir ledig, sind wir lustig). Selbstbewusst intonieren die neun jungen Frauen: „Ich tu, wos ich will, und ich tu, wos ich mooch. So a rotznosets Bärschla kriech ich doch alle Tooch!“ (Ich tue, was ich will, und ich tue, was ich mag. So einen rotznäsigen Burschen krieg‘ ich doch alle Tage.)

Die Lieder sollten zu den Sängerinnen passen, findet Heidi Böhringer, die die Gruppe seit 35 Jahren leitet. Dann mache das Singen gleich noch mehr Spaß, und vor allem wirke man nur so authentisch und ziehe das Publikum in seinen Bann.

Sirtaki statt Schuhplatteln

„Man muss Traditionen pflegen, aber nicht so starr“, erklärt die Eschenbacherin. „In der Volkstanzgruppe tanzen wir auch mal einen Sirtaki, wenn es den Jugendlichen Spaß macht.“ So habe schon die erste Generation der Eschenbacher Madli die teils über 100 Jahre alten Liedtexte leicht für sich verändert. Heute umfasst das Repertoire der jungen Frauen etwa 30 Stücke — darunter viele Weihnachtslieder.

Denn in der Adventszeit sind die Auftritte der in Tracht gekleideten Sängerinnen besonders gefragt. „Ich bin wahrscheinlich schon auf der Bühne gestanden, als ich noch im Bauch meiner Mama war“, erzählt Julia Scheuerpflug. „Und wenn ich abends nicht einschlafen konnte, sang mir meine Mama die Lieder der großen Madli vor.“ So hat die 19-Jährige die fränkische Volksmusik von klein auf lieb gewonnen und ist — wie die meisten ihrer Mitstreiterinnen — von Kindesbeinen an in der Volkstanzgruppe Eschenbach aktiv. Dazu gehören neben den Madli auch eine Theater-, eine Schuhplattler- und eine Kindergruppe.

Die neun Sängerinnen proben während der Schulzeit immer Montagabend für eine Stunde im Wohnzimmer von Heidi Böhringer oder deren Eltern in Eschenbach, einem Ortsteil des beschaulichen Markt Erlbach im mittelfränkischen Landkreis Neustadt/Aisch-Bad Windsheim.

Bei den Proben geht es lustig und ganz entspannt zu. „Viele kommen schon von einer anderen Probe, etwa mit der Theatergruppe, oder müssen später noch ihre Hausaufgaben machen“, berichtet Böhringer. „Da dürfen die Mädels beim Singen ruhig sitzen — auch wenn man immer sagt, das sei schlechter fürs Zwerchfell.“

Berührende Momente

Was den jungen Frauen so viel Spaß an der Volksmusik macht? „Man berührt die Menschen und kann ihnen etwas geben“, sagt Heidis Tochter, Jana Böhringer. „Das motiviert zusätzlich, weiterzumachen.“ Außerdem kommen die Madli durch ihre Auftritte viel herum und lernen neue Menschen kennen.

Das ergibt sich, weil die Eschenbacherinnen überwiegend auf kleinen Bühnen, auf Kirchweihen, im Freilandmuseum und in Wirtshäusern singen und dort nah am Publikum dran sind. „Und unsere Zuhörer sind neugierig“, ergänzt Katrin, und die anderen stimmen lachend zu.

Von sechs der aktiven Eschenbacher Madli haben bereits deren Mütter in der Gruppe gesungen, die sich 1981 gegründet hat. Nach 30 Jahren beendeten die „Großen“ mit einem Konzert im Jahr 2011 ihre Karriere und überließen den Jungen das Feld. Bei ihnen gibt es in nächster Zeit aber möglicherweise Veränderungen, denn zwei der Sängerinnen machen heuer ihren Realschulabschluss, weitere zwei ihr Abitur.

Noch sind aber alle mit Begeisterung dabei und in den vergangenen Jahren auch persönlich gewachsen. „Man braucht schon Selbstbewusstsein, um sich auf die Bühne zu stellen“, weiß Heidi Böhringer. „Die Madli sind ein Team geworden, es sind Freundschaften entstanden.“

Obwohl Gleichaltrige die Volksmusik nur wenig schätzen, stehen die Eschenbacherinnen zu ihrem ungewöhnlichen Hobby. „Dialekt und Brauchtum werden von vielen als etwas angesehen, das nicht mehr in die Zeit passt“, bedauert die Leiterin der Gruppe. „Globalisierung wird absolut gelebt — schon in der Schule. Kaum einer traut sich mehr, Mundart zu reden.“

Dabei ist Brauchtum für die Unternehmerin und Verwaltungsfachangestellte auch Ausdruck von Individualität und ein Stück Heimat. Zumindest in Eschenbach wird sie wohl weitergepflegt. „Eine dritte Generation steht schon in den Startlöchern“, berichtet Heidi Böhringer. „Aber ich weiß nicht, ob ich die noch einmal leiten werde.“

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