Impfstoff gegen rechte Propaganda

21.2.2017, 09:47 Uhr
Der Hesselberg – Schauplatz der Nazi-„Frankentage“ und gleichzeitig Zeuge von außergewöhnlichen Beispielen für Zivilcourage.

© Foto: Beringer – Limes-Luftbild.de Der Hesselberg – Schauplatz der Nazi-„Frankentage“ und gleichzeitig Zeuge von außergewöhnlichen Beispielen für Zivilcourage.

Herr Prof. Scherb, warum legen Sie gerade auf die Themen Politischer Extremismus und Menschenrechte so großen Wert? Ein Didaktik-Fach sollte doch für alle Themen offen sein!

Achim Scherb: Das liegt am Ort Nürnberg. Die FAU ist mit zwei Fakultäten in einer Stadt beheimatet, die sich mit Erfolg bemüht, ihre Geschichte als Stadt der Reichsparteitage mit aufzuarbeiten. Zugleich entwickelt sie sich zur Stadt der Menschenrechte. Es gibt immer wieder Versuche von Rechtsextremisten, die nationalsozialistische Vergangenheit Frankens propagandistisch zu nutzen. Das zeigt, wie wichtig politische Bildung ist. Deshalb liegt ein Schwerpunkt von Forschung und Lehre  im Fach Didaktik der Sozialkunde auf den Themen Demokratie und Menschenrechte. Wenn wir angehende Sozialkunde-Lehrer entsprechend ausbilden, ist das eine Strategie, um Schüler immun gegen extremistische Propaganda zu machen.

 

Sie veranstalten zu dieser Thematik seit mehreren Jahren ein dreitägiges Außenseminar im Evangelischen Bildungszentrum Hesselberg. Dieser Ort ist mit öffentlichen Verkehrsmitteln nur schwer zu erreichen. Warum ist das so wichtig für Sie?

Scherb: Es ist die Aufgabe einer Universität, in ihre Region hineinzuwirken. Nach meiner Wahrnehmung ist die FAU im südlichen Mittelfranken vergleichsweise wenig präsent. Aber gerade der Hesselberg eignet sich bei dieser Thematik vorzüglich als außeruniversitärer Lernort.

 

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© Foto: Falk

Warum gerade der Hesselberg?

Scherb: Der Hesselberg ist in einer Dissertation von Thomas Greif als "Heiliger Ort der Täter" bezeichnet worden. Die Nazis haben dort unter der Ägide des Gauleiters Julius Streicher ihre "Frankentage" abgehalten. Bis zu 100 000 Menschen sollen zum Hesselberg gepilgert sein. Aber um den Süden Mittelfrankens nicht auf die Nazi-Ideologie zu reduzieren, sollen die Studierenden auch didaktische Konzepte entwickeln, um ganz andere Aspekte aufzuzeigen. Zum Beispiel die Fälle von Zivilcourage, die es im Dritten Reich durchaus gab.

Sie nennen in diesem Zusammenhang immer wieder die Gemeinde Arberg. Was ist an diesem Ort besonders?

Scherb: Arberg ist der Ort, an dem die derzeitige Präsidentin der Jüdischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, vor der Verfolgung durch die Nazis gerettet wurde. Kreszentia Hummel, eine Arberger Bauersfrau, hatte Charlotte als ihr uneheliches Kind ausgegeben und so vor den Nazis versteckt. Der damalige katholische Ortspfarrer Josef Scheiber hat diese Aktion gedeckt. Dieses konkrete Beispiel für Zivilcourage bietet aus meiner Sicht eine unschätzbare Chance, um ein ortsbezogenes Konzept zu erarbeiten, das Bildung zum Thema Menschenrechte vermittelt.

 

Welche Bildungsmöglichkeiten sollen dann in diesem Fall am Hesselberg und in Arberg aufgebaut werden? Wie stellen Sie sich das konkret vor?

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© Foto: privat

Scherb: Es gibt positive Signale aus der Verwaltung und dem Gemeinderat Arberg, einen zentralen Ort am Marktplatz für eine Dauerausstellung zu nutzen. In praxisorientierten Bachelor-Arbeiten könnten Studierende hierzu konkrete Gestaltungspläne erarbeiten. Ein sichtbares Zeichen soll auf die Personen hinweisen, die hier im Zentrum stehen. Denkbar wäre eine Plastik mit der Darstellung der Person Kreszentia Hummel, die ein Kind an die Hand nimmt.

 

Und was sollte Ihrer Meinung nach am Hesselberg gezeigt werden?

Scherb: Es existiert eine Ausstellung, in der die Geschichte der nationalsozialistischen "Frankentage" rekonstruiert und anschaulich vermittelt wird. Diese Ausstellung sollte am Hesselberg als Dauerausstellung platziert werden. Eine gute Möglichkeit dazu böte das evangelische Bildungszentrum, das sich am Ort des Geschehens befindet.

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© Foto: Oberhäußer

Wo ist diese Ausstellung jetzt?

Scherb: Leider nicht am Hesselberg. Ich habe den Eindruck, dass die evangelische Kirche manchmal Berührungsängste hat. Immerhin ist bekannt, dass damals in den umliegenden Städten, wie zum Beispiel in Gunzenhausen, insbesondere die evangelische Kirche eine politische Nähe zu den Nazis gepflegt hat. Dabei würde sich mit einer angemessenen wissenschaftlichen und pädagogischen Unterstützung eine große Chance eröffnen, diese Geschichte aufzuarbeiten.

 

Was kann Ihr Fach am Standort Nürnberg nachhaltig dazu beitragen?

Scherb: Die Universität ist der Ort, an dem Leute dazu ausgebildet werden, historisch-politische Bildung zu vermitteln und in die Region hinein zu wirken. Wir entwickeln gerade ein Konzept dafür, das in einen Master-Studiengang münden soll. Dabei wollen wir mit dem internationalen Studiengang Human Rights zusammenarbeiten. Nürnberg ist mit dem Memorium, dem Menschenrechtsbüro und dem Doku-Zentrum der ideale Ort für die wissenschaftliche Begleitung solcher Konzepte.

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