„Jungs, lasst das mit dem HipHop“

27.12.2014, 09:00 Uhr
„Jungs, lasst das mit dem HipHop“

© dpa

Hallo Hausmeister! Denkst du an Nürnberg, denkst du an …

Thomas D: Nämbercher Roschdbratwörschd! Was sehr lustig ist, weil ich ja Vegetarier/Veganer bin. Also warum denke ich an Würste? Sicherlich auch, weil dieses Wort Euren schönen Akzent so wunderbar widerspiegelt. Und den mag ich sehr. Diese schöne Färbung der deutschen Sprache, die ihr habt: dieses Weiche und Runde, das da ab und zu rauskommt. Und natürlich denke ich beim Stichwort Nürnberg an den Kunstverein.


Im alten KV (damals noch in der Hintere Cramergasse, derzeit im Untergrund an unbekanntem Ort aktiv, ab Oktober 2015 wieder im Z-Bau) habt ihr vor vielen Jahren eines eurer ersten Konzerte gespielt.

Thomas D: Das war ein Haufen Freaks, der eigentlich eine ganz andere Musik hörte, aber offen genug war für diese neue Musikrichtung HipHop mit deutschen Texten. Die haben uns gebucht, wir sind da hin, und da waren dann zum ersten Mal in meinem Leben tatsächlich Leute mit Thomas-D-Schildern. Um genau zu sein, hatte einer ein selbst gemaltes Schild, auf dem stand „Thomas“, und zwei, bei denen stand „D“ drauf, und das haben sie dann abwechselnd hochgehalten – natürlich nie gleichzeitig! Das war schon der Hammer.
 

Stimmt es, dass damals die Polizei den Auftritt beendet hat?

D: (lacht) Du sprichst mit dem schlechtesten Gedächtnis in der Band. Ich kann mich echt nicht mehr erinnern. Aber was mir immer erzählt wird, ist, dass es eine Rockband gab, die nebenan probte und die immer in den KV rüber ist, weil es da Bier gab. Nach unserem Konzert haben wir noch bei denen im Übungsraum gefeiert. Und deren Bassist hat damals zu uns gesagt: „Also, ihr seid ja echt nette Jungs, aber das mit dem HipHop, das müsst ihr mal ganz schnell vergessen. Weil das wird auf jeden Fall nix.“ (lacht)
 

„Jungs, lasst das mit dem HipHop“

© Günter Distler

Bist du nun eigentlich Vegetarier oder gehst du den ganzen Weg zum Veganismus?

D: Ich bin am liebsten Veganer. Aber ich bin kein Hardliner, der es so strikt betreibt, dass er dann lieber gar nix isst. Ich bin viel unterwegs, und da kommt dann halt auch mal Sahne in die Salatsauce. Oder versuch mal an den Tankstellen dieser Welt etwas anderes als ein Käsebrötchen zu kriegen. Da ist es mir dann egal. Ich esse auch Pommes rot/weiß, und die Majo ist mit Sicherheit mit Ei. Bei mir zu Hause habe ich vegane Mayonnaise.
 

Nochmal zu Nürnberg: Als der kleine Nürnberger Alternativsender Radio Z vor Jahren euren Song „Frohes Fest“ spielte, gab es mächtig Ärger…

D: Ja, es gab Zeiten, da wurde das mit dem Jugendschutz ein wenig ernsthafter betrieben. „Frohes Fest“ steht tatsächlich auf dem Index, worauf wir damals aber sehr stolz waren. Das hatten wir ja von den Ärzten gelernt: Wenn du ein Stück auf dem Index hast, dann hast du es geschafft! Später gab es dann aber noch mal Ärger, mit dem Stück „Arschloch“ auf unserer zweiten Scheibe „Vier gewinnt“. Ein ganzes Album zu verbieten, schied aber natürlich vollkommen aus, also sind wir hin und haben mit denen geredet. Und haben ihnen erklärt, dass wir durchaus sehr positiv denkende Menschen sind und als Band eher Gutes im Sinn haben. Auf dem Stück „Arschloch“ geht es aber um die Gegenseite: Um einen, der die Fantas nicht mag und für den wir einfach nur Arschlöcher sind. Das haben die Herren dann aber auch Gottseidank kapiert.
 

Im Gegensatz zu den Ärzten habt ihr aber nie versucht, euer Frühwerk von der Verbotsliste wieder runterzukriegen.

D: Ach nö. „Frohes Fest“ ist ein Stück, auf das wir heute noch stolz sind. Wir spielen die Nummer auch noch manchmal in der vorweihnachtlichen Zeit. Allerdings macht das Lied auch nur dann Sinn. Das jetzt wieder vom Index runterzukriegen, scheint uns aber etwas zu überbewertet. Es stört uns nicht, und wir haben echt andere Dinge zu tun, als uns jetzt um so Indexleichen zu kümmern.
 

Stichwort „Ärzte“: Wie Bela, Farin und Rod scheinen euch nie der Spaß und die geilen Gags, Ideen und Einfälle auszugehen. Auf der anderen Seite zelebriert ihr aber auch diese unfassbare Selbstironie, wie man sie außer bei den Ärzten kaum irgendwo findet. Ich denke an das großartige Hörspiel-Intro auf eurer 2004er Scheibe „Viel“, wo ihr nach Frankfurt in einen HipHop-Club fahrt und dort nicht reinkommt. Oder zuletzt in dem schrägen Videoclip zu „Danke“, wo euch Florian Lukas als Leichen in bester „Immer Ärger mit Harry“-Manier durch die Weltgeschichte fährt.

D: (lacht) Ja, grandios! Auf der einen Seite wird unser Humor immer verschobener, immer krasser, immer kranker. Vor allem, wenn man ihn mit denselben Leuen teilt. Aber gleichzeitig Humor, Selbstironie und Sarkasmus in den Texten zu zelebrieren, das ist echt harte Arbeit. Da wird scharf nachgedacht über alles, ständig abgewogen und immer versucht, noch mal einen doppelten Boden einzuziehen und Freiraum für Interpretation zu schaffen. Über den Texten sitzen wir am längsten, da gibt es auch die meisten Diskussionen.

„Jungs, lasst das mit dem HipHop“

© Günter Distler

Gut, manchmal sind es wirklich die bescheuertsten Ideen überhaupt. Was haben wir gelacht über die Zeile von Smudo bei „Das Spiel ist aus“ auf dem neuen Album, wo wir uns selbst in einem sehr hohen Alter sehen, aber immer noch Rap machen. Da haben wir uns gefragt: Über was würde man dann wohl rappen? Und da stellt sich der Smudo eben vor, er ist in einer Eisernen Lunge, und die heißen Schwestern tanzen um ihn herum. Am Anfang der Strophe wird er erst einmal wiederbelebt: „Knie nieder und gib’s mir Mund zu Mund – und ich komm’ wieder. Und du pumpst und pumpst!“ Und dann kommt er wieder und fängt sofort an auszuteilen. Und am Schluss würde jeder Rapper von der Straße singen: „Ey, Schwester: Lutsch meinen Schwanz!“. Weil wir aber schon so alt sind und wahrscheinlich auch schon an Mobilität eingebüßt haben, heißt es bei uns: „Schwester, wasch meinen Schwanz!“ (lacht sich am Telefon weg)
Ich mein, der Smudo war selbst als Zivildienstleistender im Altenheim tätig – der weiß, wovon er singt! Weil er selbst Leute gewaschen hat, dort, wo sie selbst nicht mehr hinkamen. Das wird uns wahrscheinlich auch noch blühen. Über dieses ganze Szenario haben wir erst mal ewig gelacht und dann eine noch längere Zeit gesagt: „Nee, das können wir unmöglich veröffentlichen“. Es hat dann noch mal ein halbes Jahr gedauert, bis wir uns wieder mit dem Gedanken angefreundet haben, dass wir die Nummer wahrscheinlich doch bringen werden. So geht der Humor bei uns immer durch mehrere Ebenen.
 

Wie arbeiten Die Fantastischen Vier heute?

D: Wir treffen uns in Studios in Stuttgart, in Berlin oder bei mir hier in der Eifel. Außerdem haben wir eine Hütte in Österreich im Vorarlberg, wo wir uns zu Beginn jeder Albumproduktion zurückziehen, um uns gegenseitig upzudaten: Wo stehst du gerade, was gefällt dir, was willst du machen? So tasten wir uns wieder aneinander ran und werden wieder eine Band. Dort in Österreich gibt es kaum Handyempfang, keine Nachbarn, keine Familie und niemanden, der was von dir will. Das ist dann einfach nur du und deine Jungs!
Dort in der Hütte vollführen wir einen Seelenstriptease, der reicht von Selbstzweifeln über die letzten besten Witze hin zu einer potentiellen Zukunft. Ab da treffen wir uns dann in immer häufigeren Abständen, dazwischen kommunizieren wir über E-Mail. Für das letzte Album gingen laut And.Ypsilon über 700 Tracks hin und her: Fragmente von Musikstücken, Produktionen von anderen Leuten, Ideen von unserer Band … Aus denen haben wir die 13 Stücke herausdestilliert, die jetzt auf der neuen Platte sind. Die Texte werden meist zusammen geschrieben.
 

Fürs Protokoll: Wer war der erste, der auf Deutsch gerappt hat?

D: Sehr schwer zu sagen. Advanced Chemistry hatten ein paar Lieder. LSD hießen ein paar Jungs, keine Ahnung, wo die damals her kamen. Man kann aber auch Bands wie Trio nennen oder Falco, deren Umgang mit Sprache Züge von Sprechgesang hatte. Und: Es gab mal eine Coverversion der Sugarhill Gang von Thomas Gottschalk und Manfred Sexauer – das war zwar grauenhaft, aber gerappt, wenn man so will. So, wie Franz Beckenbauer eben auch mal einen Song gemacht hat. Aber: Wir waren die ersten, die bewusst eine komplette deutschsprachige Platte vorgelegt haben. Das war unser Verdienst. Wir würden aber nicht sagen, wir haben es erfunden. Wir waren halt mit dabei.
 

Gab es damals einen Austausch?

D: Da gab es wenig Kontakt. Wir saßen in Stuttgart und haben nicht gewusst, wie viele da draußen noch Hip-Hop machen. Als wir Michi Beck zum ersten Mal rappen hörten, war das schon ein Wunder für uns: Dass es da noch jemanden in unserer Stadt gibt, der auf diese komische Musik abfährt und die auch noch selbst praktiziert! Aber was damals in Heidelberg, in München oder in Köln – Berlin damals noch weniger – abgeht, davon hatten wir keine Ahnung. Das war ja eine Zeit vor Internet und Handys, vor Viva und MTV. Es gab keine Hip-Hop-Magazine, in den Medien fand diese Musik nicht statt.
 

Mit den Ghetto-Gangstern, die in den letzten zehn Jahren im deutschen Hip-Hop den Ton angegeben haben, hatten die Fantas nie ein Problem.

D: Das stimmt. Und ich glaube, ich weiß auch warum: Weil die tatsächlich eine ganz andere Generation sind. Für die bedeutet Old School die Generation nach uns. Wir sind aber noch älter – der Jurassic Park des deutschen HipHop. Da gibt es überhaupt keine Reibungsflächen. Wir tauchen nicht mal in deren Fadenkreuz auf.
 

Die letzte gute Rap-Scheibe?

D: Die neue Platte von Haftbefehl! Das ist der realste Gangsta-Rap überhaupt – I love it!
 

Und aus dem Pop?

D: Hozier! Der hat eine große Tiefe und fast schon etwas Leonard Cohen-mäßiges. Du hast das Gefühl, da steckt eine alte Seele in diesem jungen Körper.
 

Was ist das größte Missverständnis im Hip-Hop?

D: „Rappen kann doch jeder!“ Das habe ich früher oft gehört. Aus genau diesem Grund habe ich damals aber auch angefangen: Ich hab das bei Smudo gesehen und mir gedacht: Das kann ich auch! Aber genauso, wie nicht jeder singen kann, kann auch nicht jeder rappen.
 

Ist Stuttgart mit grünem Bürgermeister ein besserer Ort?

D: Was durch diesen wahnsinnig bescheuerten und traurigen Polizeieinsatz an jenem „Schwarzen Donnerstag“ passiert ist, das hat den Schwaben verändert. Und dafür gesorgt, dass ein Grüner Bürgermeister werden kann, was einem Wunder gleichkam. Leider musste dadurch auch ein Mensch sein Augenlicht verlieren. Ob Stuttgart ein besserer Ort geworden ist, kann ich nicht sagen. Dafür bin ich zu selten in meiner alten Heimat. Aber es ist ein anderer Ort geworden, mit mehr Bewusstsein und Widerstand. Finde ich gut.
 

„Jungs, lasst das mit dem HipHop“

© Günter Distler

Schon mal eine Textzeile bei „MfG“ vergessen?

D: Aber hallo! Und da bin ich nicht alleine: Auch der Michi und der Smudo straucheln regelmäßig. Ich bin normalerweise total gut im Textelernen und kann auch die meisten Lines der anderen beiden. Aber bei „MfG“ war das ein Problem: Es gibt keine Geschichte, nur Buchstaben. Die einzige Rettung war, sich eine Geschichte zu überlegen zwischen diesen ganzen Abkürzungen. „ARD, ZDF und C&A“ heißt für mich „Erstes Programm, zweites Programm und drittklassige Klamotten“ – das stimmt so zwar nicht unbedingt, ist aber nun mal meine Eselsbrücke. Und so geht das durch das ganze Lied. Ich hab irre lang gebraucht, um den Text halbwegs zu können. Und bei diesem „halbwegs“ ist es bis heute geblieben.
 

Wann hast Du Dich zum letzten Mal selbst gegoogelt?

D: Das habe ich tatsächlich nur ein- oder zweimal gemacht. Wenn, dann schaue ich nach den Fantastischen Vier und speziellen Events wie zum Beispiel der laufenden Tournee.
 

Was kommt nach dem Auftritt bei der letzten „Wetten, dass..?“-Show?

D: Vor allem kein „Wetten, dass..?“ mehr. (lacht) Bei der Beerdigung des letzten großen TV-Riesens dabei gewesen zu sein, das empfinde ich als große Auszeichnung. Viel Zeit zum Feiern blieb uns aber nicht, weil schon am nächsten Tag direkt im Anschluss unsere Tour losging.
 

Was macht eigentlich Schwester S?

D: Eine gute Frage, die ich mir letztens auch gestellt habe. Ich kann’s Dir nicht sagen. Müssten wir mal den Moses fragen.
 

Warum ist die 2014er Neuauflage von Bob Geldorfs „Band Aid“-Projekt, mit der den Ebola-Opfern geholfen werden soll und an dem Michi Beck beteiligt ist, gleich noch mal geil?

D: Vielleicht deshalb, weil es die Aufmerksamkeit auf Menschen lenkt, denen es nicht so gut geht und denen geholfen werden kann. Aber ganz ehrlich: Ich bin auch kein Fan von dieser neuen Version und war auch keiner von der alten. Und war froh, als der Michi Beck sich gemeldet und das für uns übernommen hat. Die Kritik finde ich trotzdem typisch deutsch. Vor allem, weil ich es in meinem eigenen Denken und Gefühl voll nachvollziehen kann. (lacht) Und mir tut der Campino leid, der ja auch nix dafür kann. Da ruft sein alter Kumpel Sir Bob Geldof an und sagt: „Alter, wir müssen das noch mal machen!“ Und da denkt sich der Campino natürlich auch nicht „Hurra!“, sondern „Okay, die Pflicht ruft.“. Und dann kriegt er von Deutschland auch noch aufs Maul dafür. Das ist nicht fair, das haben er und alle, die mitgemacht haben, nicht verdient.
 

Stell dir vor, du feierst eine Gartenparty und darfst drei Bands einladen, die für dich und deine Freundinnen und Freunde aufspielen. Leichen willkommen! Wer spielt auf Thomas Ds Gartenparty?

D: Wow! Marvin Gaye muss unbedingt ran, der spielt am Nachmittag, dazu kann man schön veganes Barbecue machen. Wenn Silvester wäre, würde ich Frank Sinatra auftreten lassen, aber es ist ja eine Gartenparty im Sommer – draußen. Also: The Beatles! Und als letztes dann wahlweise Monster Magnet oder die Foo Fighters.
 

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