Kreischalarm am roten Teppich

12.9.2015, 12:00 Uhr
Kreischalarm am roten Teppich

© dpa/AFP, Montage: Meidl

"Schatz, fändest du es verrückt, wenn ich am Wochenende meinen Job gegen Sex, Drugs and Rock ’n’ Roll eingetauscht hätte?" Genau das waren die Worte von Ulrich an seine Frau, als er nach einer Geburtstagseinladung des Rolling Stone Ron Wood nach Hause kam. Es war verrückt, aber es war sein Traum. Über Nacht wurde er vom Bausparberater zum persönlichen Galerist von Ronny.

Uli ist seit über 50 Jahren ein Hardcore Rolling Stones Fan, sammelte von Beginn an alles, was mit der Band zu tun hatte und führt heute das weltweit einzige Rolling-Stones-Fan-Museum in Lüchow. Die Stones persönlich wählten ein Bild von ihm für ihren Bildband zum 50-jährigen Band-Jubiläum aus. Fan sein ist für Uli kein Hobby, es ist sein Leben.

Bewusst oder nicht, Stars beeinflussen unser Leben. „Sie sind in der Öffentlichkeit hoch angesehen, haben ein dargestelltes Idealleben und entsprechen dem Schönheitsideal“, erklärt Diplompsychologin Johannah Elhardt. „In unserer Gesellschaft gibt Starkult neue Trends an, ein Star wird vermarktet und beeinflusst etwa die Mode. Manche Menschen sind nur neugierig, andere geben sich dem Starkult bedingungslos hin.“

Fotos auf Instagram

Aber was genau tut ein richtiger Fan? Darauf hat Nicole eine Antwort: „Ich informiere mich täglich und like auf Facebook alles, was mit ihm zu tun hat“. Gemeint ist der Fußball-Weltmeister Mario Götze. Nicole ist seit über einem Jahr Fan des Bayern-Spielers und hat auf Instagram eine eigene Fanseite. Sie ist über soziale Netzwerke täglich in Kontakt mit anderen Fans. „Wir tauschen Bilder und helfen uns gegenseitig.“ Persönlich kennt sie jedoch keinen der Leute.

Bei Stones-Fan Uli ist das anders. Er kennt die meisten Hardcorefans aus aller Welt persönlich und viele besuchen ihn in seinem Museum. „Ich war bis heute auf 167 Konzerten. Irgendwann kennt man die Leute in der ersten Reihe einfach.“ Und nicht nur die, auch die Band persönlich begrüßt Uli mit seinem blinkenden Zylinder in der ersten Reihe immer mit einem Daumen nach oben.

Als er sein Museum aufgemacht hat, stand er vor einem Problem: den Kosten. Die Erwerbskosten waren zwar gedeckt, jedoch blieb für Sanierungsarbeiten nicht mehr viel übrig. „Es dachten sich wohl viele, diesem durchgeknallten Typ muss man helfen.“ So packten viele Stones-Fans mit an. Auch bei seiner Sammlung erhält Uli Unterstützung. Er zeigt auf eine Bilderwand in seinem Museum mit Portraits des Stones-Frontmannes Mick Jagger. „Die hat mir seine ehemalige Englischlehrerin überlassen, als sie starb.“ Bei einem Ehepaar aus Magdeburg sei Uli sogar schon im Testament aufgeführt. „Sie wollen nicht, dass ihre Kinder die Stones-Artikel später auf Ebay verscherbeln, deshalb setzten sie mich als Erben ein.“

Das zeigt: Starkult kennt keine Grenzen. Auch Jennifer verehrt ihren Star ohne Kompromisse. Sie ist seit 2009 ein „Belieber“, also ein Fan des Popsängers Justin Bieber. Irgendwann kein Fan mehr zu sein, kann sie sich nicht vorstellen. In jüngster Zeit sorgte der Teenie-Star zwar vermehrt für negative Schlagzeilen wie Drogen-Eskapaden und Fahren unter Alkoholeinfluss, doch all das verzeiht ihm Jennifer. Er sei schließlich auch nur ein Mensch. „Aber ich finde es doof, dass er Drogen nimmt. Ich habe einfach Angst um ihn“, sagt sie. Ihr großer Traum ist es, ihr Idol einmal live zu sehen. „Koste es was es wolle.“ Auf die Frage, ob sie auch vor seinem Hotel campen würde, antwortet sie selbstverständlich mit „Ja“.

Es gibt allerdings auch einen Punkt, ab dem der Starkult zu weit geht, erklärt die Psychologin. „Wenn das Leben der Stars im Lebensmittelpunkt steht, kann dies in extremen Fällen zur Besessenheit führen. Werden dadurch eigenen Grundbedürfnisse wie reale Freundschaften oder die Familie vernachlässigt, besteht Gefahr.“

Uli kennt einige Härtefälle aus seiner Jugend. „Viele nahmen sich die Stones zum Vorbild, trugen lange Haare, nahmen Drogen und flogen von Zuhause raus.“ Er selbst sparte jede Mark um auf Konzerte zu gehen und sich T-Shirts zu kaufen. „Nur die langen Haare hatte ich auch. Deshalb gab es in der Bank einige Vorstandsbeschwerden“, verrät er schmunzelnd. Die Haare sind bis heute geblieben und Ulis Begeisterung auch. „Musiker sind sterblich. Es ist die Aufgabe von uns Fans, ihre Musik weiterzutragen.“

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