Langer Unterricht, wenig Freizeit

14.8.2018, 10:00 Uhr
Langer Unterricht, wenig Freizeit

Hallo, ich bin Louis, 16 Jahre alt. Ich komme aus Le Mans. Dort findet jedes Jahr das berühmte Autorennen "24 heures du Mans" statt. Und dort befindet sich auch meine Schule, das Lycee Bellevue. Sie besteht aus einer ehemaligen Abtei und aus einem Neubau. Ungefähr 1300 Schüler gehen auf diese Schule.

Mit dem Bus fahre ich jeden Morgen zur Schule und zurück. Dafür brauche ich etwa 20 Minuten in der Früh und fast eine Stunde am Abend. Der Unterricht fängt um 8 Uhr an, manchmal auch später. Mittags kann ich eine Stunde oder zwei Stunden Pause machen, je nach Stundenplan. Dann folgt der Nachmittagsunterricht, meistens bis 18 Uhr.

Mein schlimmster Tag war voriges Schuljahr am Dienstag: zuerst zwei Stunden Deutsch, danach Geschichte bis um 12 Uhr, anschließend eine Stunde Mittagspause, danach wieder Deutsch bis 14 Uhr, dann Wirtschaft bis 15 Uhr und außerdem noch eine Stunde Mathe. Zum Schluss folgten noch zwei Stunden Sport bis um 18 Uhr. Was für ein Tag!

Weil ich Lust hatte, ein bisschen mehr ins deutsche Schulsystem einzutauchen, um es besser kennenzulernen und um meine Sprache zu verbessern, entschloss ich mich voriges Jahr, einen Austausch über das Brigitte-Sauzay-Programm des Deutsch-Französischen Jugendwerks (DFJW) zu machen. Für einen Franzosen bedeutet das, drei Monate in Deutschland bei einem Austauschpartner zu verbringen; vorher oder danach kommt der deutsche Austauschpartner dann nach Frankreich.

Meine Schule empfiehlt so einen Austausch und übernimmt auch die gesamten Fahrkosten. Mein Austausch fand in Fürth am Hardenberg- Gymnasium statt, weil meine Mutter dort jemanden kennt.

Langer Unterricht, wenig Freizeit

© F.: privat

Mein Austauschpartner heißt Marvin, und er war in der 10. Klasse. Es ist aber auch möglich, einen Austauschpartner über das Internet zu finden. Das haben andere Schüler aus meiner Schule gemacht.

In Deutschland habe ich gemerkt, dass die Schüler hier schon sehr früh sortiert werden und bereits nach der Grundschule in unterschiedliche Schulen gehen. Das ist in Frankreich anders. Nach der Grundschule kommen alle Schüler ins "College", wo sie vier Jahre verbringen.

Am Ende der "3eme‘‘, was der 9. Klasse entspricht, haben die Schüler die Wahl, entweder auf dem Lycee General ou technologique (Gymnasium) zu gehen, eine Berufsschule zu besuchen oder eine Ausbildung zu machen. Es gibt keine Real- oder Hauptschule! Um aufs Gymnasium zu kommen, muss man eine Prüfung schreiben, die "Brevet" heißt. Wenn du ins Lycee kommst, musst du nach der "Seconde" (10. Klasse) wählen, welchen Zweig du nehmen willst: entweder S ( Wissenschaften), ES (Wirtschaft) oder L (Literatur). Dann sind deine ganzen Fächer nach deinem Zweig festgelegt. Wenn du zum Beispiel Literatur nimmst, hast du kein Mathe mehr, aber stattdessen mehr Französisch.

Ich persönlich bin im Wirtschaftszweig (ES), weil ich mich für Wirtschaft und für das aktuelle Geschehen interessiere. Aber auch weil ich in der "Terminale" (Abschlussklasse) dann keinen Wissenschaftsunterricht mehr habe.

Grüppchenbildung in der Klasse

Dadurch, dass die Schüler in Deutschland nicht so zahlreich in einer Klasse sind, habe ich den Eindruck, dass sie besser mit dem Lehrer auskommen. Im Gegensatz dazu sind die Klassen in Frankreich sehr voll, in meiner Klasse waren dieses Jahr 36 Schüler. Deswegen herrscht in den Klassen weniger Disziplin.

Natürlich wirkt sich die große Zahl auch auf das Gemeinschaftsgefühl aus, weil sich innerhalb der Klasse Gruppen bilden. In meiner deutschen Klasse war das kaum der Fall. Die Schüler gingen gut miteinander um, und das finde ich gut, weil einfach die Stimmung besser ist.

Das Verhältnis zwischen Schüler und Austauschpartner kommt natürlich immer auf die einzelnen Leute an. Sowohl in Deutschland als auch in Frankreich hatte ich einen sehr guten Kontakt mit meinem Fürther Austauschpartner, wir haben viel zusammen gemacht, und ich habe sehr viel von Franken entdeckt. Im Gegensatz dazu hat eine Freundin von mir ihre Austauschpartnerin gewechselt.

Ich finde es wichtig, sich für die Hobbys des Austauschpartners zu interessieren, und gemeinsam etwas zu unternehmen. Meistens entsteht dadurch ein guter Kontakt, und es macht dann richtig Spaß. Vor allem muss man versuchen, die Sprache des Austauschpartners zu sprechen. Das ist manchmal schon sehr anstrengend.

Hobbys nur am Wochenende

Was ich in Deutschland gut finde, ist, dass die Schüler viel mehr Zeit haben, außer der Schule noch was anderes zu machen, zum Beispiel einen Tanzkurs. Das gibt es in Frankreich gar nicht.

Oder mehr Sport, und dadurch Zeit mit anderen Leute als nur den Schulkameraden zu verbringen. So lernt man einfach viele Leute kennen. Die Freizeit hier hat mir sehr gefallen. Während meines Austauschs war ich jeden Tag um 13 Uhr fertig, und um 14 Uhr war ich im Freibad oder mit Freunden unterwegs. So was ist in Frankreich unmöglich! Die Schule kostet viel Zeit, und dann sind auch noch Hausaufgaben zu machen.

Für meine Hobbys wie Schwimmen oder Laufen habe ich während der Woche keine Zeit, vielleicht nur am Mittwochnachmittag oder am Abend. Ansonsten ist dafür das Wochenende da. Man kann schlecht etwas unternehmen, und das ist ein bisschen frustrierend. Andererseits haben wir in Frankreich zwischen den Schuljahren zwei Monate Sommerferien.

Auf jeden Fall empfehle ich euch, so einen Austausch zu machen, weil drei Monate im Ausland viel bringen. Zwangsläufig wirst du dich in der Sprache verbessern; aber man entdeckt ja auch viel Neues, und man lernt neue Leute kennen. Viele junge Franzosen sind an einem Sauzay-Austausch mit deutschen Schülern der 8. bis 11. Klasse interessiert. Bewerbt euch dafür auf www.dfjw.org

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