LiteratuReise: Tanja Kinkel hat Geschichte im Blut

14.8.2018, 15:27 Uhr
Unsere Autorin auf den Spuren Tanja Kinkels in Bamberg: Hier an deren Lieblingsplatz vor der Alten Hofhaltung am Domplatz.

© privat Unsere Autorin auf den Spuren Tanja Kinkels in Bamberg: Hier an deren Lieblingsplatz vor der Alten Hofhaltung am Domplatz.

In der Regnitz spiegelt sich der warme Schein der Abendsonne. Ein goldener Schleier liegt über den Fachwerkbauten der Altstadt. Nur die spitzen Türme des Doms durchbrechen das malerische Panorama. Die Stadt Bamberg gleicht einem historischen Spektakel. Es ist Tanja Kinkels Stadt. Ich möchte wissen, woher deren Vorliebe für historische Themen kommt.

Ich habe die renommierte Schriftstellerin und Bestsellerautorin, die vor allem für ihre historischen Werke bekannt ist, zuvor bei einer Lesung in Ansbach besucht. Endlich eine Chance, sie einmal live zu erleben!

Tanja Kinkel ist eine zierliche, elegante Frau. Die graublauen Augen lächeln verschmitzt Richtung Publikum. Unwillkürlich sehe ich die achtjährige Tanja vor mir, die schon damals leidenschaftlich gerne Geschichten geschrieben hat. Aufgewachsen ist sie in Bamberg. Einer "extrem historischen Stadt", wie sie selbst sagt. Ihre literarische Vorliebe verdanke sie nicht zuletzt ihrer Heimatstadt.

Verträumte Gässchen

Einige Tage nach der Lesung möchte ich mich selbst vom Zauber Bambergs überzeugen. Und tatsächlich – ich spaziere keine fünf Minuten durch die sonnige Altstadt, da haben sie auch schon mein Herz gewonnen: die verträumten Gässchen, die historischen Fassaden, die goldenen Zunftschilder. Ich kann gerade noch ein schmachtendes Seufzen unterdrücken.

Tanja Kinkel zieht es alle drei Wochen hierher, obwohl sie seit 30 Jahren in München lebt. Wer kann es ihr verdenken? Auf der Regnitzbrücke vor dem barocken Rathaus gebe ich mich ganz dem romantischen Flair vergangener Zeiten hin. Und vergesse prompt, dass ich mich in Bayern befinde – und nicht im Venedig des Jahres 1755.

Doch meinen Träumereien wird ein jähes Ende gesetzt. An mir vorbei marschiert eine lange Touristengruppe, unschwer erkennbar an den knielangen Cargohosen und den einheitlichen Headsets. Allen voran plärrt die Reiseleiterin irgendwas auf Englisch. Tja, in einer Stadt, die seit 25 Jahren zum Unesco-Weltkulturerbe gehört, muss man sich die Romantik eben mit anderen teilen.

Auf zum nächsten ultimativen Tourismusmagneten: dem Kaiserdom. Ich brauche kein Google Maps, um dorthin zu finden. Das gotische Bauwerk erhebt sich imposant über der Stadt, umgeben von der Neuen Residenz und der Alten Hofhaltung. Letztere schaue ich mir ganz genau an. Ich weiß, dass es Kinkels liebstes Bauwerk in Bamberg ist. Der Gebäudekomplex mit seiner eindrucksvollen Renaissancefassade diente einst als Wohnstätte für Bischöfe. "Die hatten ein Glück", denke ich wehmütig.

Im selben Moment spricht mich ein nettes Ehepaar an: "Wissen Sie, wo der Rosengarten ist?" Zusammen machen wir uns auf den Weg dorthin. Der berühmte Garten im Innenhof der Neuen Residenz ist auch Teil meiner Tagesplanung. Dort angekommen, werde ich nicht enttäuscht. Der Name ist Programm: In einer gepflegten Anlage leuchten hunderte bunte Blüten um die Wette. Zwischen den Beeten führen zierliche Wege zu einer steinernen Brüstung hin. Von dort aus habe ich Blick auf die gesamte Altstadt.

Wie oft die Autorin hier wohl Inspirationen gesammelt hat? Ich kann mich nur schwer von dem Anblick losreißen, doch mein Magen hat sich bereits protestierend gemeldet. Bei all den Eindrücken habe ich ganz vergessen, etwas zu essen. Wieder am Fuß der Stadt angekommen entdecke ich das "Café am Dom".

Tanja Kinkel schwärmt von dessen süßen Leckereien. Verstohlen blicke ich mich um. Natürlich sitzt sie jetzt nicht hier. Aber ich nehme im Außenbereich Platz und bestelle einen Eiskaffee mit extra viel Vanilleeis.

Als sich die Bedienung gerade zum Gehen wendet, platzt es dann aus mir heraus: "Entschuldigen Sie, kennen Sie Tanja Kinkel?" Überraschte Augen, dann eifriges Nicken. "Ja, ja! Die ist oft bei uns, für Termine vor allem. Oder mit ihrer Mama." Ein Familienmensch ist sie also auch. Zufrieden löffle ich mein Eis und erinnere mich an ihr freundliches Lächeln bei der Lesung.

"Für einen Roman benötige ich circa zwei Jahre. Aber nicht so, wie Sie jetzt denken", hat Tanja Kinkel dem lauschenden Publikum erzählt. "Eineinhalb Jahre gehen für pure Recherche drauf. Das mache ich aber gern. Ich bereise Städte, besuche Bibliotheken und wühle in alten Schriften."

Interessiert lehnte ich mich nach vorne und rutschte fast von der Stuhlkante. Zum Glück ging das Klappern meines Stuhls im munteren Applaus unter. Nach der Veranstaltung stand ich entschlossen auf, doch ein paar eifrige Besucher hatten dieselbe Idee wie ich. Sie huschten bereits vor mir zur Bühne, um die Autorin persönlich zu sprechen.

Von Historie geprägt

Als ich an der Reihe war, wurde ich plötzlich nervös. Ich schluckte schwer, aber Tanja Kinkel lächelte mir aufmunternd zu. Also los: "Sie kommen ursprünglich aus Bamberg, richtig? Gibt es dort Stellen, die Sie literarisch geprägt haben?" Ihre Augen leuchteten auf. "Einige!" Die nächsten Minuten verbrachten wir in entspanntem Smalltalk.

Zum Schluss deutete ich auf den Stapel Autogrammkarten neben ihr. "Darf ich mir da eine nehmen?" Natürlich durfte ich. Fast fühlte ich mich, als hätte ich das Autogramm eines berühmten Rockstars abgesahnt. Eben eines Rockstars der Literaturwelt.

Inzwischen ist mein Glas leer, und das Café will schließen. Ich nutze die lauen Abendstunden für einen letzten Spaziergang durch die ehemalige Fischersiedlung. Mittlerweile verstehe ich, dass die Autorin gar nicht anders konnte, als über vergangene Zeitalter zu schreiben. Wem Historie jahrelang eingeflößt wird, dem liegt sie irgendwann im Blut.

Am besten gefällt mir, wie Tanja Kinkel es selbst ausdrückt: "Geschichte war für mich nie etwas, das ich nur im Museum zu sehen bekam. Sondern etwas, das ich täglich bei jedem Gang einatmen konnte." Ich atme noch mal tief ein und steuere dann Richtung Bahnhof.

 

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