Manchmal funkt es erst auf den zweiten Blick

26.8.2013, 15:47 Uhr
Manchmal funkt es erst auf den zweiten Blick

© Montage: Ralph Meidl

Seit Jahren steigt die Zahl der jungen Menschen, die nach ihrer Berufsausbildung das (Fach-)Abitur nachholen. Die Staatliche Berufsoberschule (BOS) in Nürnberg zum Beispiel hat seit einiger Zeit Hochkonjunktur.

Einen Beitrag dazu hat auch Christina (23) geleistet. Sie hat 2011 die allgemeine Hochschulreife an der BOS erlangt – und studiert nun Wirtschaftsmathematik an der Uni in Erlangen.

Wenn sie ihren Studiengang nennt, schauen sie die meisten leicht befremdet an und fragen dann: „Wie bist du denn darauf gekommen?!“ Denn nach der mittleren Reife hatte Christina noch eine ganz andere Richtung eingeschlagen und eine Ausbildung zur pharmazeutisch-kaufmännischen Assistentin (PKA) gemacht.

„Die Arbeit in der Apotheke hat mir gefallen, weil sie abwechslungsreich ist und auch meine Kollegen toll waren. Aber die Arbeitszeiten waren eben nicht so gut“, erklärt die jetzige Studentin ihre Motivation für eine berufliche Neuorientierung.

Am meisten hat sie jedoch gestört, dass es in ihrem Beruf – abgesehen von einer privaten Fachschule oder dem Pharmazie-Studium – kaum Aufstiegsmöglichkeiten gibt. Da Pharmazie einen ähnlich utopischen Numerus Clausus wie Medizin hat und sich die Privatschule aus ihrer Sicht finanziell nicht lohnt, hat Christina beschlossen, etwas ganz anderes zu machen, und die allgemeine Hochschulreife an der BOS Nürnberg nachgeholt.

Sie wollte einfach „mehr“, wie es viele der Berufsoberschüler ausdrücken. Und bisher ist sie sehr glücklich mit ihrem Studiengang, der eine Kombination aus Wirtschaft, Informatik und Mathematik bietet. „Ich könnte mir vorstellen, nach dem Studium in der Marktforschung oder Unternehmensberatung zu arbeiten, das interessiert mich beides sehr“, sagt sie lächelnd.

Christina ist bei weitem nicht allein. Längst nicht alle, die auf dem Zweiten Bildungsweg zur Hochschulreife gelangen, studieren danach etwas, das mit ihrem zuvor erlernten Beruf zu tun hat.

Zum Beispiel Sandra (28). Auch sie kennt das Problem mit den fehlenden Weiterbildungsmöglichkeiten. Sie hatte nach der mittleren Reife eine Ausbildung zur Medizinischen Fachangestellten gemacht und anschließend weiter bei ihrem Ausbilder gearbeitet.

Doch mit Mitte 20 wurde ihr klar, dass sie nicht den Rest ihres Lebens in diesem Beruf arbeiten wollte. „Ich hatte keine Möglichkeit, mich zu spezialisieren wie zum Beispiel Krankenschwestern das können. Und die Bezahlung war auch alles andere als gut“, erzählt sie. Sandra holte ihr Fachabitur nach und studiert nun Wirtschaftsinformatik an der Technischen Hochschule Nürnberg.

In den Traumberuf gestolpert

Für Michael (22) diente die Ausbildung zum Fremdsprachenkorrespondenten vorrangig als Ausgangspunkt für seinen weiteren Werdegang. Denn schon während der Ausbildung wurde ihm klar, dass er beruflich nicht nur auf seine Kenntnisse in Englisch und Italienisch festgelegt werden wollte.

Auch er holte die allgemeine Hochschulreife an der BOS nach. Durch die Ausbildung hatte er den entscheidenden Vorteil, dass ihm seine Sprachkenntnisse angerechnet wurden und er keine zweite Fremdsprache mehr belegen musste. Nun studiert er im Hauptfach Politikwissenschaft in Erlangen „Das entspricht genau meinen Vorlieben“, schwärmt er. „Ich weiß zwar noch nicht genau, wo ich nach dem Studium arbeiten möchte, aber das liegt vor allem daran, dass mich viele Bereiche interessieren. Von internationalen Organisationen bis zum diplomatischen Dienst könnte ich mir so gut wie alles vorstellen.“

Manchmal stolpert ein junger Erwachsener auch rein zufällig über seinen Traumberuf. Bei Rebecca (24) passierte das zum Beispiel am anderen Ende der Welt. Sie nahm nach ihrer Ausbildung zur Pharmazeutisch-Technischen Assistentin (PTA) das Fachabitur in Angriff, bestand jedoch im ersten Anlauf die Probezeit nicht.

Um die Zeit bis zum Beginn des nächsten Schuljahres nicht sinnlos verstreichen zu lassen, ging sie für ein halbes Jahr als Au-pair nach Australien, wo sie ihr Englisch verbessern wollte. Und erst dort merkte sie, wie sehr ihr die Arbeit mit Kindern liegt und wie viel Spaß sie daran hat, ihnen etwas Neues beizubringen.

Sie schaffte ihre Fachhochschulreife im zweiten Anlauf und studiert nun Religionspädagogik an der Evangelischen Fachhochschule in Nürnberg. Für sie hat sich der Aufenthalt in Australien also gleich doppelt gelohnt. Alle erschienenen Teile unserer Serie „Wege zum Studium“ sind unter dem gleichnamigen Button auf unserer Homepage www.szene-extra zu finden.

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