"Mut zum Studium": Unterstützung für Studenten

4.4.2018, 10:44 Uhr

In einer Vorlesung gar nichts mehr kapieren; eine Hausarbeit völlig versieben; bei einer Klausur durchfallen – kann alles jedem mal passieren im Studium. Wessen Eltern selbst studiert haben, können ihn dann trösten: Das kennen wir, Kopf hoch, weiter geht’s!

Wer der Erste aus der ganzen Familie ist, der jemals eine Hochschule von innen sieht, hat es da weitaus schwerer. Dem sagt keiner: Halb so wild, wird schon noch! Der ist mit seinen Problemen ziemlich allein.

Im Fachjargon heißen solche Studierenden "First in Family", abgekürzt FiF. Und speziell um solche FiF geht es bei dem Programm "Mut zum Studium" an der Technischen Hochschule (TH) Nürnberg (siehe auch Info-Kasten unten rechts).

"Kern des Projektes sind Tandems: Sie bestehen aus Erstsemestern oder Studieninteressierten, die wir Studienpioniere nennen, und erfahrenen Studierenden aus einem höheren Semester, den sogenannten Studienbegleitern", erläutert TH-Kanzlerin Andrea Gerlach-Newman.

Von Zweifeln geplagt

Das Prinzip ist einfach: Der Studienbegleiter nimmt den Studienpionier unter seine Fittiche und erklärt ihm, wo was zu finden ist und wie Hochschule funktioniert. Der Trick dabei: Der Studienbegleiter war selbst ein FiF und weiß daher genau, wo seinem Schützling der Schuh drückt.

Denn fest steht: Wer aus einer nicht-akademischen Familie frisch an die Hochschule kommt, wird – trotz aller Begabung – von Zweifeln geplagt: Ist ein Studium wirklich das Richtige für mich? Soll ich mich darauf einlassen? Und wie finde ich mich in dieser völlig fremden Welt zurecht? So war es auch bei Justin Burton (22). Dem gelernten Gießereimechaniker wurde im Beruf schnell klar: "Ich will nicht immer dasselbe machen!" Justin absolvierte die BOS und entschied sich für das Fach Werkstofftechnik an der TH: "Das war fachlich nahe an dem, was ich gelernt hatte, und ich dachte, das passt zu mir."

Doch anfangs hatte Justin trotzdem "ziemlich Angst". An der TH traf er dann auf seinen Studienbegleiter Daniel Bienenstein, der außer ihm noch zwei weitere FiF betreute. "Da kannte ich dann gleich am ersten Tag auf einen Schlag drei Leute", erinnert sich Justin, "das hat mir enorm geholfen."

Daniel wiederum hatte sich gleich zu Beginn des Programms zum Studienbegleiter coachen lassen. "Ich war sofort begeistert von der Idee, denn ich war selbst ein FiF. Als ich angefangen habe, war ich recht schüchtern, und so ein Programm hätte mir sehr gutgetan", sagt er. "Daher war es für mich klar, dass ich da mitmache und meine Erfahrungen an andere weitergebe."

Tipps unter Insidern

Daniel hat den klassischen zweiten Bildungsweg hinter sich: Hauptschule, Realschule, FOS. Inzwischen studiert er Werkstofftechnik im 3. Master-Semester.

Da ein Tandem in der Regel aus derselben Fakultät stammt, kann der Studienbegleiter auch Insider-Tipps geben. Beispiel: Professor A schreibt seine Mathe-Vorlesung an die Tafel, Professor B arbeitet mit Power Point. "So etwas müsste der Anfänger erst selbst rausfinden", erklärt Daniel. "Wenn er das gesagt bekommt, kann er sich gleich für den Professor entscheiden, dessen Vorlesungsstil ihm besser passt." Daniels ehemaliger Schützling Justin ist inzwischen selbst Studienbegleiter geworden und bildet Tandems zusammen mit neuen FiF. Die Paarungen stellt jeweils die Projektkoordinatorin Sylvia Wening zusammen: "Da gibt es nur ganz selten Schwierigkeiten", berichtet sie. In der Regel verstehen sich die Tandems so gut, dass sie auch in der Freizeit einiges zusammen machen.

Zum Teil kommen auch recht ungewöhnliche Tandems zustande: Justin hat im Wintersemester eine Mutter von zwei Kindern betreut, die mehr als zehn Jahre älter ist als er selbst. "Hat prima geklappt", meint er.

Egal, wie die privaten Umstände aussehen: Hilfe beim Start an der Hochschule kann jeder FiF gut gebrauchen. Inzwischen haben Daniel und Justin eine Liste mit den wichtigsten Tipps parat.

Auf Platz 3: Erkundige dich rechtzeitig, damit du keine Anmeldefristen für die Prüfungen versäumst! Platz 2: Nimm Einsicht in deine Prüfungsarbeiten. Das steht dir zu! Ganz oben steht Tipp Nummer 1: Was du im 1. Semester vergeigst, ist nur sehr schwer aufzuholen. Also fang rechtzeitig vor den Prüfungen zu lernen an! Nach Weihnachten ist es meistens schon zu spät.

Infos zum Programm

Das Programm "Mut zum Studium" an der Technischen Hochschule (TH) Nürnberg geht zurück auf einen bundesweiten Wettbewerb der Stiftung Mercator und des Stiftverbandes für die Deutsche Wissenschaft im Jahr 2013. Dabei zählte die TH zu den zehn Gewinnern unter 61 Bewerbungen – als einzige Hochschule in Bayern.

Die Fördersumme betrug insgesamt 300 000 Euro. 130 000 Euro davon wurden in Form von Stipendien (300 Euro pro Monat) an Programmteilnehmer ausbezahlt. "Mut zum Studium" startete im Wintersemester 2014 mit 42 Studienbegleitern und 106 Studienpionieren. Seitdem haben 645 Tandems teilgenommen: 435 "First in Family"-Erstsemester sowie 210 studieninteressierte Schüler wurden von insgesamt 206 geschulten Studienbegleitern unterstützt.

Laut TH-Vizepräsident Prof. Nils Oberbeck lässt sich der Erfolg des Programms sogar in Zahlen messen. Verglichen mit anderen FiF hätten die Teilnehmer an "Mut zum Studium" die besseren Abschlussnoten. Zudem sei die Zahl der Studienabbrecher in der Gruppe deutlich geringer.

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