Mutiger Schüleraustausch: Zwillinge trennen sich für ein Jahr

25.1.2016, 10:00 Uhr
Mutiger Schüleraustausch: Zwillinge trennen sich für ein Jahr

© Foto: Astrid Löffler

Ob sie ihre Zwillingsschwester Paula vermisst? „Nicht so“, sagt Emma. „Ich habe ja jetzt Julia.“ Julia ist 13, kommt aus einem verschlafenen Dorf in Spanien und ist ein echter Austauschprofi. 2015 war die Achtklässlerin schon sechs Monate in Frankreich, gerade verbringt sie ein halbes Jahr in Nürnberg. Anschließend wird sie Emma für die gleiche Zeit mit in ihre Heimat nehmen.

Ohne Handy

„Außerdem haben wir so viel Programm, dass wir gar nicht dazukommen, groß an Paula zu denken“, ergänzt Angelika Löw, die Mutter der Zwillinge. „Aber alles, was wir bisher von ihr gehört haben, war positiv und schön.“ Nur mit ihrem Französisch habe sich die Zwölfjährige anfangs in der Schule schwergetan und fast gar nichts verstanden, berichtet die Nürnbergerin.

Doch inzwischen habe sich Paula gut eingefunden. Ähnlich geht es Julia, die von null aus binnen nur drei Monaten sehr gut deutsch gelernt hat. Angelika Löw glaubt, dass das auch an der Philosophie des Vereins Aventuro liegt, der den Austausch vermittelt hat. Danach sind Handys, WhatsApp-Nachrichten und Skypen in die Heimat ebenso verboten wie das Mitnehmen von Büchern, CDs und DVDs in der Muttersprache.

Die Mädchen sagen, ihnen fehlten diese Dinge nicht. Vielleicht, weil die Gastfamilien bemüht sind, ihren Kindern auf Zeit möglichst viel von Land und Leuten zu zeigen. Julia etwa war mit Emma schon in Berlin und München, auf dem Nürnberger Christkindlesmarkt, im Hochseilgarten in Pottenstein, Schlittschuhlaufen und Wasserskifahren.

Außerdem geht die junge Spanierin mit zum Turnen, Schwimmen und zu den Orchesterproben, wo sie Klarinette spielt. Emma erwartet in Spanien unter anderem ein zehnwöchiger Urlaub im Badeort Almeria. „Wir haben ja von Ende Juni bis Anfang September Ferien“, erklärt Julia. Ansonsten unterscheide sich die Schule in Deutschland gar nicht so sehr von der in ihrer Heimat. Allerdings dauerten die Schulstunden dort 60 Minuten und nicht, wie hierzulande, 45 Minuten. Und in Spanien gibt es kein Mittagessen in der Schule.

„Wie sein eigenes Kind“

Mutiger Schüleraustausch: Zwillinge trennen sich für ein Jahr

© Foto: privat

„Man behandelt die Austauschschülerin wie sein eigenes Kind“, bilanziert Angelika Löw, die froh ist, zwei Kinder im Haus zu haben. „Man weiß ja, dass das auf Gegenseitigkeit beruht.“ Sechs Monate ohne ihre Tochter zu sein - anfangs habe sie sich das trotzdem nicht vorstellen können.

Durch die lange Vorbereitungszeit von einem Jahr habe sie sich aber gut darauf eingestellt. „Ich habe das ein bisschen mit einer Schwangerschaft verglichen“, sagt Löw. „Man trifft Vorbereitungen – und irgendwann ist der große Tag da.“

Vor einem Austausch muss einiges organisiert werden, etwa ob das eigene Kind so lange der Schule fernbleiben und welche Klasse die Gastschülerin besuchen kann. Brille und Zahnspange wollen nochmal überprüft werden. Und natürlich muss gepackt und das eigene Zimmer ausgeräumt werden für die Gastschülerin. Paula ist das gar nicht schwergefallen, nachdem sie Julia per Skype kennengelernt hatte.

Auch was den Schulbesuch betrifft, rät die Organisation Aventuro vom vermeintlich einfachen Weg ab. Austausch- und Gastschülerin sollten bewusst nicht dieselbe Klasse besuchen, berichtet Angelika Löw und erklärt: „Am Anfang ist es etwas unverständlich, aber dann merkt man, dass es so besser ist.“ Emma müsse nun ihre Freunde nicht teilen und Julia habe eigene Freunde gefunden.

Ohnehin gehen die Zwillinge an der Wilhelm-Löhe-Schule in Parallelklassen. Dort haben sie Englisch und Französisch. Für Paula war deshalb klar, dass sie nach Frankreich wollte, Emma zog es dagegen nach Spanien — obwohl sie bisher nur ein paar Worte Spanisch von ihrem Klavierlehrer kann und die Fremdsprache erst ab nächstem Schuljahr lernt.

Viel unterwegs

„Für Emma ist es im Moment etwas schwierig, zum Lernen und Hausaufgabenmachen zu kommen, weil wir so viel unterwegs sind“, berichtet ihre Mutter. Paula dagegen wird derzeit in Frankreich mit reichlich Schule konfrontiert. Denn dort geht der Unterricht bis 17 Uhr, und dann müssen noch Hausaufgaben gemacht werden. Zeit, einmal von der Bretagne bis nach Paris zu fahren, fand sich aber trotzdem.

Die Idee zum Austausch stammt übrigens von den Eltern Löw. „Uns waren Fremdsprachen schon immer wichtig“, sagt Angelika Löw. „Und uns war auch klar, dass man eine Sprache aus dem Schulbuch nicht so gut lernt wie in dem Land.“ Julia möchte möglichst viele Sprachen lernen, weil sie später gerne mal als Übersetzerin arbeiten würde. Wie hilfreich Fremdsprachenkenntnisse sein können, haben die Löws im vergangenen Sommer ganz unmittelbar erfahren, als sie die französischen und spanischen Gastfamilien kennenlernten.

„Wir hatten ein wunderschönes gemeinsames Wochenende“, erinnert sich Mutter Löw. „Nur mit der Kommunikation hatten wir Probleme. Wir hatten keine gemeinsame Sprache!“ Notdürftig Abhilfe schaffte ein Übersetzungsprogramm auf dem Tablet. Heute könnten wohl schon die Austauschschülerinnen übersetzen.

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