Nahe am Bildungshunger, weit weg vom Establishment

24.8.2017, 17:18 Uhr
Der Bayreuther Uni-Campus aus der Luft.

© UB Der Bayreuther Uni-Campus aus der Luft.

Das Schlagwort lautete "Bildungskatastrophe". In Umlauf gebracht hatte es der Publizist Georg Picht im Jahr 1964. Er beschrieb damit folgendes Szenario: Die komplexen Probleme des materiellen und sozialen Lebens könnten künftig nur gelöst werden, wenn in Deutschland deutlich mehr Akademiker ausgebildet würden. Diese größere Zahl von Akademikern müsse strukturell differenzierter und vor allem in weitaus kürzerer Zeit ausgebildet werden als bisher üblich.

Die Folge dieses Katastrophenszenarios war ein unerwarteter Bildungsboom. Immer mehr Schüler strebten aufs Gymnasium und immer mehr Studierende an die Hochschulen – die bald aus allen Nähten platzen. Neue akademische Ausbildungsplätze sollten her.

Dass ab 1970 überall in Deutschland der damals neue Typ der Fachhochschulen entstand, löste das Problem nur teilweise. Es kam deshalb die Idee auf: Wir gründen neue Universitäten – und zwar am besten dort, wo es bisher weit und breit noch keine gibt.

Bildungspolitisch ging es darum, bundesweit möglichst gleiche Zugangsmöglichkeiten zum Hochschulsystem zu schaffen. Außerdem sollten strukturschwache Regionen gezielt gestärkt werden.

Grundlage dieses Plans waren Empfehlungen des deutschen Wissenschaftsrates: Demnach sollten bis zum Jahr 1982 an insgesamt 30 neuen Hochschulen 400 000 neue Studienplätze geschaffen werden, um eine Gesamtzahl von einer Million Studienplätzen zu erreichen.

In Bayern endete die Suche nach einem neuen Uni-Standort in Bayreuth: Die Stadt schien weit genug entfernt von den damals bestehenden Standorten Erlangen, Regenburg und Würzburg. Zum anderen lag sie zentral in dem geplanten Einzugsgebiet, das Oberfranken und Teile der Oberpfalz umfasste.

Zum 1. Januar 1972 wurde die Universität Bayreuth vom Bayerischen Landtag per Gesetz "errichtet". Die – damals wie heute – drängende Frage "Wie mache ich aus einem Stück Papier einen funktionierenden Campus?" sollte – damals wie heute – ein Strukturbeirat beantworten.

Diesem Strukturbeirat gehörte der bereits ausgewählte Gründungspräsident der neuen Uni, Prof. Klaus Wolff, an. Er schrieb später: "Jede Gründung einer neuen Universität beruht auf einer spezifischen wissenschaftspolitischen Überzeugung, deren Verwirklichung mit der Schaffung dieser Universität erreicht werden soll" und "jede Universität gewinnt die ihr eigene Identität erst dadurch, dass sie eine abstrakte Definition in konkreter Aufgabenstellung umsetzt."

Der Strukturbeirat konzentrierte sich darauf, der neuen Uni genügend "konzeptionelles Startkapital mitzugeben", meinte Wolf, "das es ihr ermöglichen sollte, sich rasch einen überdurchschnittlichen Platz zu erarbeiten". Denn ihm war klar: "Nur mit Masse allein können wir keinesfalls konkurrieren."

Heraus kam eine genaue Definition von Schwerpunkten, denen sich die neue Uni zu widmen habe: Sie hießen "Experimentelle Ökologie", "Makromolekulare Chemie" und "Afrikanologie". Dazu kamen ein Forschungsinstitut für Musiktheater sowie die Studiengänge "Technischer Physiker" und "Wirtschaftsjurist".

Außerdem galt die "Schnittstellenphilosophie": Wissenschaftliche Lehre und Forschung sollten ganz gezielt an den Berührungs- und Überschneidungspunkten verschiedener Disziplinen stattfinden. Mit dem überwiegend naturwissenschaftlichen Profil stand auch rasch fest: Möglicherweise denkmalgeschütze Gebäude im Stadtkern waren für einen Umbau in großzügige Laborräume eher ungeeignet. Einzige Option waren Bauplanungen außerhalb der Stadt.

Zum Wintersemester 1975/76 begann an der Uni Bayreuth der Forschungs- und Lehrbetrieb – mit 625 Studierenden, 24 Professoren und einer Professorin in den Fächern Biologie, Mathematik, Physik, Sport und Erziehungswissenschaften.

Denn die vormalige Pädagogische Hochschule Bayreuth war zunächst als Erziehungswissenschaftliche Fakultät in die Universität eingegliedert worden. Zum Wintersemester 1977/78 wurde sie dann aufgelöst, und die didaktischen Fächer wurden in die Fakultäten der jeweils dazugehörigen Disziplinen integriert.

Im Lauf der folgenden Jahrzehnt wuchs die Uni Bayreuth nicht nur räumlich rund um die ursprüngliche Keimzelle. Im Jahr 2000 erweiterte sie ihre Forschungsschwerpunkte um sechs zusätzliche: Entwicklung von Rechtskultur und Wirtschaft/ Hochdruck- und Hochtemperaturforschung/ Kulturvergleich und interkulturelle Prozesse/ Molekulare Biowissenschaften/ Neue Materialien/ Nichtlineare Dynamik.

 

Bamberg: Ein langer Weg von der Akademie über die Gesamthochschule bis zur Uni

Bamberg hatte Anfang der 1970er Jahre damals eine Hochschule – zwar keine Universität (mehr), aber eine Gesamthochschule. Dieses – für Bayern damals wie heute ungewöhnliche – Konstrukt war 1972 geschaffen worden, als andernorts der völlig neue Typ Fachhochschule aufgelegt wurde.
Die Gesamthochschule war das Ergebnis einer Fusion. Nur der Zusammenschluss mit der 1958 von der Uni Würzburg in Bamberg gegündeten Pädagogischen Hochschule sicherte den Fortbestand der – damals in ihrer Existenz stark bedrohten  – Philosophisch-Theologischen Hochschule. Diese hatte eine lange Vorgeschichte:

1647: Der Bamberger Fürstbischof Melchior Otto Voit von Salzburg erweiterte das damalige Jesuitenkolleg, das auf eine von Kaiser Heinrich II. gegründete Domschule zurückging, um die beiden Fakultäten Philosophie und Theologie. Die Academia Bambergensis bekam bereits im Jahr darauf von Kaiser Ferdinand III. und Papst Innozenz X. alle akademischen Privilegien – und den Namen Academia Ottoniana.

1773: Bereits drei Jahre vorher hatte Fürstbischof Friedrich Karl von Schönborn eine Juristische Fakultät gegründet. Als nun Fürstbischof Adam Friedrichvon Seinsheim eine Medizinische Fakultät hinzufügte, wurde die Academia zur Universitas Ottoniano-Fridericiana, einer Uni mit den damals üblichen vier Fakultäten.

1803: Mit der Säkularisation kam das Ende der Universität in Bamberg. Die Fakuläten Theologie und Philosophie blieben allerdings als Lyzeum weiter bestehen. Erst im Jahr 1923 wurde wieder eine Philosophisch-Theologische Hochschule gegründet.
Diese Hochschule war während der NS-Zeit geschlossen. 1945 wurde sie mit Genehmigung der amerikanischen Militärregierung wieder eröffnet.

1947: Der Bamberger Uni-Rektor Benedikt Kraft forderte, die Bamberger Hochschule zu einer vierten Landes-Universität (neben Erlangen, Würzburg und München) auszubauen. Die Pläne verliefen letztlich im Sande. Auch wenn zeitweise einige naturwissenschaftliche Fächer gelehrt wurden, blieb die Hochschule bei ihrem philosophisch-theologischen Profil.

1979: Die seit 1972 bestehende Gesamthochschule wurde wieder zur Universität erhoben. Das Problem „Bayreuth bekommt eine neue Uni, und was ist mit Bamberg?“ war damit elegant gelöst. Die Uni Bamberg hatte damals sechs Fakultäten: Katholische Theologie/ Pädagogik, Psychologie und Philosophie/ Geschichts- und Geowissenschaften/Sprach- und Literaturwissenschaften/ Sozial- und Wirtschaftswissenschaften/ Soziale Arbeit (Fachochschul-Studiengang).

1988: Der alte Name kehrte zurück: Als Otto-Friedrich-Universität knüpfte die Bamberger Uni an ihre Tradition im 18. Jahrhundert an.

2007: Die Uni Bamberg strukturierte sich neu und verlagerte ihren Fachhochschulbereich nach Coburg. Seitdem gibt es folgende vier Fakultäten: Geistes- und Kulturwissenschaften (einschließlich dem Institut für Katholische Theologie)/ Humanwissenschaften/ Sozial- und Wirtschaftswissenschaften/ Wirtschaftsinformatik und Angewandte Informatik. Der Schwerpunkt liegt also klar auf den Geisteswissenschaften.

 

 

 

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