Pascales Bilder erzählen von Sehnsucht

7.10.2017, 10:00 Uhr
Pascales Bilder erzählen von Sehnsucht

© Fotos: Victoria Porcu

"Kunst ist meine Sprache, damit kann ich mein Innerstes am besten ausdrücken", erklärt mir Pascale Memar Bachi und schaut mich mit ihren schwarz umrandeten Augen aufmerksam an. Der Raum, in dem wir sitzen, hängt voller Bilder. Auf der Wand hinter uns sind Pascales. Die Tür der Gregor-Galerie steht offen und man hört, wie draußen ein Nieselregen einsetzt. Vorsichtig fragt Pascal mich, ob es okay ist, wenn sie sich eine Zigarette anmacht. Ist okay.

Bei ihrer Vernissage haben wir uns kennengelernt. Doch der eine Abend hat nicht für Pascales Werke, die Geschichten dahinter und ihre eigene Geschichte gereicht. "In meinen Bildern kann man genau sehen, wie ich mich fühle", sagt sie.

Die 20-jährige Syrerin hat in den vergangenen Jahren große Veränderungen durchlebt. Als ich sie frage, wann sie und ihre Familie mit dem Flugzeug von Aleppo nach Deutschland gekommen sind, antwortet sie sofort: "Am 19. Juli 2014." Davor hat sie vier Jahre lang den Krieg miterlebt und sich nach anfänglicher Angst an einen neuen Alltag gewöhnt. "Die Leute gehen zur Arbeit oder ins Café, du weißt nicht, was als Nächstes passiert, also versuchst du einfach, so weiterzumachen wie bisher."

Pascale hat sich ihr Leben anders vorgestellt, sie wollte auf die Universität von Aleppo gehen und Kunst studieren. Ihre Bilder erzählen nicht von der Flucht, sondern von der Sehnsucht nach dem, was sie zurücklassen musste. "Syrien ist wie meine Mutter. Stell dir vor, du hast deine Mutter drei Jahre lang nicht gesehen."

Sie deutet auf ein Bild, auf dem im Hintergrund grau und zwischen Nebelschwaden eine Stadt zu sehen ist. Am unteren Bildrand stehen kleine und große Menschen. Sie sind weit weg von ihrer Heimat und warten darauf, zurückkehren zu können. "Aber sie haben noch Hoffnung, deshalb habe ich sie auch in Farbe gemalt", sagt Pascale.

Pascales Bilder erzählen von Sehnsucht

Die Kunst ist ihr Ventil und ihr Halt. Schon in jungen Jahren entdeckte Pascale für sich das Malen. Damals zeichnete sie nur mit Kohle und Bleistift, bis sie vor einem Jahr auf Pinsel und Acryl umstieg. Zur Übung mit dem neuen Werkzeug malte sie das Bild "Asleep" von Pablo Picasso nach. Die abstrakten Formen ihres großen Vorbilds finden sich auch in Pascales Motiven. "Ich will nicht das sehen, was ich jeden Tag sehe. Ich möchte etwas Neues sehen, also warum sollte ich versuchen, die Realität nachzumalen?", sagt sie und zuckt die Schultern.

Auch vor Kritik an der Gesellschaft schreckt sie nicht zurück. Sie zeigt mir ein Bild, das mit Gesichtern übersäht ist. In der Mitte steht eine nackte Frau, auch ihr Körper ist mit Gesichtern bedeckt. Jedes hat einen eigenen Ausdruck, doch insgesamt wirken sie bedrohlich auf mich. Ich fühle mich etwas beobachtet.

"Sie versucht, sich zu verstecken. Sie leidet an den Erwartungen der Gesellschaft", sagt Pascale. Frauen stehen unter höherem gesellschaftlichen Druck als Männer. Die Anforderungen an ihr Aussehen und ihre Leistungen sind enorm. Pascale betont: "Mir ist es egal, was andere über mich denken. Ich möchte so sein, wie ich bin, und nicht wie die Gesellschaft es mir vorgibt zu sein."

Pascale weiß, was sie will. Gleichgültig, ob sie in einem oder in zehn Jahren wieder in ihre Heimat zurück kann. "Meine Zukunft liegt in der Kunst", sagt sie bestimmt. Mit ihrer ersten Ausstellung ist sie ihrem Traum einen Schritt nähergekommen.

 

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