Plötzlich fängt das Herz an, Blut zu pumpen

3.10.2016, 07:13 Uhr
Plötzlich fängt das Herz an, Blut zu pumpen

© Thomas Correll

Christopher Kokott hat vor sich auf dem Tisch eine kleine Kamera stehen, die in einem Winkel von 360 Grad aufnehmen kann. Sie filmt also alles, was im Raum passiert. In der Hand hat Christopher ein Smartphone mit einer speziellen App, die der 16-Jährige gemeinsam mit seinen Mitschülern entwickelt hat. Auf dem Kopf – noch nicht über die Augen gezogen – trägt er eine 3D-Brille. Nur, was tut Christopher da eigentlich?

Er erschafft eine virtuelle Realität. Zunächst steuert er über sein Handy die Kamera, die den Raum abfilmt. Die Aufnahme speichert er auf dem Smartphone. Das Smartphone spannt er dann in die 3D-Brille ein, es macht klick. Er gibt die Brille an einen neugierigen Zuschauer weiter. Der sieht nun den Raum wie er war, als ihn die Kamera zwei Minuten zuvor aufgenommen hat. Er kann sich nach allen Seiten drehen, es ist faszinierend, wie real alles aussieht. Christopher erklärt: "Wir könnten damit theoretisch einen Action-Blockbuster drehen, man wäre dann mittendrin im Film."

Dann demonstriert er, was die App noch kann. Sie erschafft nicht nur eine virtuelle Welt per Kamera, sie verknüpft diese auch mit der realen Welt. Das nennt sich dann: "augmented reality" (AR). Es funktioniert so: Eine Tablet-Kamera kann beispielsweise ein Modell eines menschlichen Herzens erkennen. Die App erweckt dieses Modell zum Leben. Man sieht, wie das Blut hindurchgepumpt wird, und bekommt außerdem Informationen, wo sich welche Teile des Herzens befinden.

Plötzlich fängt das Herz an, Blut zu pumpen

© Harald Sippel

Endlose Möglichkeiten

Das alles haben nicht etwa Wissenschaftler konzipiert und entwickelt, sondern die Schüler des Ohm-Gymnasiums selbst. Die Schule belegte damit den 2. Platz beim bundesweiten Wettbewerb "Ideen bewegen" der von der Firma Samsung ins Leben gerufenen Initiative "Digitale Bildung neu denken".

Betreuer des Projekts ist Lehrer Thomas Zapf. Er erläutert die schier endlosen Möglichkeiten der Kombination aus virtueller und wirklicher Welt, besonders durch den Einsatz der 3D-Brillen: "Die Schüler könnten auf der Raumstation ISS oder dem Mars Versuche durchführen." Der Unterricht werde "anschaulicher und eindrücklicher".

Andreas, Rick, Benedikt, Thomas und Sayan (alle 17) stehen beim 3D-Drucker. Hier entsteht das Herz, das später durch die App lebendig wird. "Wir drucken das Herz und bemalen es, die Biologen stellen die Informationen dazu zusammen und die Informatiker schreiben die App", erklärt Andreas die Arbeitsteilung.

Wie das im Alltag funktioniert, beschreibt Christopher: "Wir treffen uns einmal die Woche zur Lagebesprechung, gearbeitet wird hauptsächlich daheim." Im Stundenplan seien dafür 90 Minuten pro Woche vorgesehen, es dauere aber durchaus mal länger. Nicht so schlimm, sagt Christopher, "denn es macht viel Spaß".

Die AR-Pioniere kommen jetzt in die 12. Klasse, das Abi steht bevor. Da stellt sich natürlich die Frage, wie es mit dem Projekt weitergeht. "Wir haben es zwar ins Leben gerufen, aber es ist so gedacht, dass es die Schüler, die nach uns kommen, weiterführen", erklärt Christopher.

Dreidimensionaler Bauplan

Schließlich gebe es noch viel zu tun. Die App soll auf verschiedenen Geräten funktionieren, weiter verbessert und irgendwann auch veröffentlicht werden. Geplant ist auch, sie an der Schule ganz gezielt einzusetzen. So könnte am Eingang ein Bauplan an der Wand hängen, den die App erkennt und dann dreidimensional darstellt. Einen bestimmten Raum zu finden, wäre viel einfacher. Oder die App liefert Infos zu in der Aula hängenden Kunstwerken.

Bei soviel Zukunftsmusik könnte man fast vergessen, dass man hier in einer Schule ist. Fast. Denn plötzlich ertönt der Gong zur nächsten Stunde. Christopher verabschiedet sich lächelnd: "Ich muss los, wir haben jetzt Deutsch."

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