Qualität statt Quartalszahlen

2.11.2015, 17:11 Uhr
Qualität statt Quartalszahlen

© Stephanie Meißner

Steve Russell war noch Student, als er 1961 das erste Computerspiel programmierte: „Spacewar“. Darin steuern die Spieler ein Raumschiff und versuchen, das gegnerische Raumschiff abzuschießen. Das Spiel war nur einer kleinen Gruppe zugänglich, da es ausschließlich auf Universitätsrechnern lief. Heute gibt es immer mehr Spiele mit integrierter Onlinefunktion, die es immer mehr Spielern ermöglicht, gleichzeitig zu interagieren.

„Jeder, der Kinder hat, sieht, wie relevant das Medium Computerspiele ist“, begründet Prof. Jochen Koubek, warum der neue Master-Studiengang entstanden ist. „Man sollte es nicht den YouTubern oder Computerzeitschriften – die nur als Kaufberatung dienen – allein überlassen, Informationen über Computerspiele zu verbreiten.“

Der Studiengang vereint die Disziplinen Informatik und Medienwissenschaft und ist in seiner Kombination einzigartig in ganz Deutschland. Ob Computerspiele wirklich aggressiv machen, wie es manche Studien vorhersagen, werden die Studenten nicht selbst ermitteln. Vielmehr „schauen wir uns an, was aus diesen Studien wird,“ erklärt Koubek. Soll heißen: Erzielen die Spiele eher positive oder eher negative Resonanz in der Gesellschaft ?

Im Studiengang geht es nicht darum, auf einen bestimmten Beruf vorbereitet zu werden, sondern eine breitgefächertes Wissen zu erhalten. Für Koubek ist es besonders wichtig, dass dabei der Markt keine übergeordnete Rolle spielt und keine Studieninhalte diktiert. „Das Medium braucht Leute, die andere Vorstellungen haben als Marketingleute und nicht in Quartalszahlen denken“, sagt der Dozent.

Medientheorie und Informatik

Theorie und Praxis sind gleichmäßig verteilt. Zur Hälfte bekommen die Studenten reine Wissenschaft vermittelt, zum Beispiel in Medientheorie und Informatik. Den Rest des Studiums können sie selbst neue Spiele entwickeln.

Die Studenten sollcn sich außerdem in fachfremden Kursen Inspirationen holen. Am Gründerzentrum können sie beispielsweise lernen, wie man einen Businessplan erstellt. „Das Medium braucht Impulse von außen“, betont Koubek. „Wer zum Beispiel eine Vorlesung zum Aktienmarkt besucht, kann seine Erfahrungen in neuen Spielideen umsetzen.“

Die Hauptzielgruppe der Industrie sind 14-jährige Gamer, die mit Waffengewalt die Welt retten. „Aber wir brauchen Spiele, die ohne Waffen auskommen – für Leute, die noch nie gespielt haben“, sagt Koubek. Diese Einstellung will er auch den Studenten vermitteln.

Ein weiterer Bestandteil des Studiums sind die Projektarbeiten. Im 2. Semester stehen die Grundlagen des Programmierens auf dem Programm. Im 3. Semester liegt der Schwerpunkt auf der grafischen Arbeit und darauf, wie die Arbeit des Grafikers ins Spiel eingebaut werden kann. Im 4. und letzten Semester soll ein eigenes Spiel in der Gruppe von drei bis fünf Studenten umgesetzt werden.

78 Bewerber

Philipp, Carina und Sören gehören zu den 17 Studenten, die erstmalig den Master Computerspielwissenschaften in Bayreuth studieren. Das Bewerbungsverfahren war zweistufig. Aus den 78 Bewerbungen wurden zunächst die Studenten ausgewählt, die bereits Kenntnisse in Medienwissenschaft oder Informatik haben. Dann ging es zum persönlichen Gespräch. „Es ist viel angenehmer, den Leuten gegenüber zu sitzen, dabei erfahren wir viel über den Bewerber, was nicht im Zeugnis steht“, erzählt Koubek.

Philipp hat schon den Bachelor Medienwissenschaft in Bayreuth gemacht, mit dem Ziel, später in Richtung Computerspiele zu gehen. „Ich will mich nach dem Master auf jeden Fall selbstständig machen und neue Konzepte umsetzen, die vom Genre-Standard abweichen.“

Carina hat sich auch schon im Bachelor-Studium Interaktive Medien an der FH Augsburg beispielsweise mit Programm–Modellierungen und Software-Entwicklung auseinandergesetzt. Für den Master in Bayreuth hat sie sich entschieden, weil sie aus der Gegend kommt und weil der Studiengang mehrere Disziplinen vereint. „Ich weiß noch nicht genau, was ich nach dem Master machen will. Mal schauen, was ich alles mitnehmen kann“, sagt die 23-Jährige.

Sören hat an der FH Furtwangen Softwareproduktmanagement im Bachelor studiert. Nachdem er keinen passenden Job gefunden hatte, wurde er auf den Master-Studiengang in Bayreuth aufmerksam. Mit dem Abschluss hofft er, seinen Platz in der Industrie zu finden. „Ich will Game Designer werden,“ sagt der 27-Jährige, „Konzepte und Spielideen entwickeln und schauen, wie es mir gefällt.“

Keine Kommentare