Rasenmähen für einen guten Zweck

13.5.2015, 10:00 Uhr
Rasenmähen für einen guten Zweck

© Fotos: privat

Die 19-jährige Studentin engagiert sich als zweite Vorsitzende bei SHL. Mehr als 70 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs werden die Menschen, die von dieser Zeit erzählen können, immer weniger. Eva Franz hat die nationalsozialistische Schreckensherrschaft als kleines Kind in drei Konzentrationslagern überlebt. Von ihren Erlebnissen hat sie der 9. Jahrgangsstufe des Schwabacher Adam-Kraft-Gymnasiums berichtet.

„Ich habe mal vier Stunden lang mit einem Handrasenmäher bei Bundespräsident Gauck den Rasen gemäht“, erzählt Franziska und schmunzelt. Denn auf dem daneben liegenden Rasenstück von Schloss Bellevue fuhr der Gärtner mit seinem Hightech-Rasenmäher herum. Beim Sozialen Tag, der bundesweit am 9. Juli stattfindet, stehen die Tat und der gute Zweck im Mittelpunkt, dem die Schüler ihr verdientes Geld zukommen lassen.

Die Hilfsorganisation „Schüler Helfen Leben“ rief den Sozialen Tag vor über 15 Jahren ins Leben. Seitdem konnten die Schüler über 130 Projekte auf dem Balkan sowie einige an der syrischen Grenze unterstützen. Was die Kinder und Jugendlichen am Aktionstag arbeiten und wohin sie ihr Geld spenden, dürfen sie auch selbst aussuchen.

„Manche verkaufen Kuchen, andere helfen ihren Nachbarn im Garten. Wir haben vor ein paar Jahren mal den SMV-Raum neu gestrichen“, sagt die 19-Jährige, die sich selbst in der SMV ihrer Schule engagierte und zu einem „Auswahltreffen für Schüler“ nach Berlin reisen durfte. „Dort haben wir zwei neue Projekte ausgewählt, die älteren werden aber auch noch gefördert.“

Da Franziska seit vergangenen Herbst im Vorstand von SHL ist, durfte sie auch bei der Vorauswahl dabei sein. „Es gab 400 Bewerbungen aus dem Balkan, vier haben wir rausgesucht, über die die Schüler dann abstimmen durften.“ Die Nürnberger Studentin machte kürzlich eine Stippvisite bei einigen Projekten in Bosnien und Herzegowina. Da sie bosnisch, kroatisch und serbisch spricht, hatte sie viel zu übersetzen.

Rasenmähen für einen guten Zweck

Die serbokratische Sprache lernte Franziska während ihres Freiwilligendienstes in dem Land, den sie 2013/2014 nach dem Abitur machte. Sie arbeitete bei einem von SHL geförderten Hilfsprojekt in Bijeljina mit, das die Lebenssituation junger Roma vor Ort verbessern sollte. Nach ihrer Rückkehr blieb die 19-Jährige dem Verein treu.

„In Tuzla haben wir ein Projekt besucht, das voriges Jahr ausgewählt wurde. Es heißt ,Perspektiven für vergessene Flüchtlinge‘“, berichtet Franziska. Seit 20 Jahren leben die Leute immer noch abgeschottet in Flüchtlingscamps, es gibt keine Schule, keine Schulbusse, eine hohe Arbeitslosigkeit, Menschenhandel . . . „Wir leisten dort psychosoziale Hilfe und geben Freizeitbeschäftigung. Das Team ist sehr motiviert, das Projekt hat mich auf meiner Reise am meisten beeindruckt!“

In Bayern wenig bekannt

Die Idee von „Schüler Helfen Leben“ stammt von Schülern, die in den 1990er Jahren den Menschen in den Kriegsgebieten auf dem Balkan helfen wollten. Das Credo lautet „von Jugendlichen, für Jugendliche“. „Wir organisieren alles selbst, haben FSJler vor Ort, und seit über zehn Jahren wollen wir mit dem Sozialen Tag Schüler zum Mitmachen animieren. Leider ist der Tag in Bayern noch nicht so bekannt“, sagt Franziska.

Auch wenn mit dem 9. Juli ein bundesweites Datum festgelegt wurde, kann der Tag an jeder Schule selbst bestimmt werden, zum Beispiel in den letzten Schulwochen vor den Sommerferien. Mehr Infos zum Sozialen Tag findet ihr im orangenen Kasten nebenan.

Am 9. Juli — dem Sozialen Tag — tauschen mehr als 80 000 Schüler von hunderten Schulen deutschlandweit ihre Schulbank gegen einen Arbeitsplatz. Die erarbeiteten Gelder gehen an die Jugend- und Bildungsprojekte von „Schüler Helfen Leben“, die Kindern und Jugendlichen auf dem Balkan und seit 2012 auch syrischen Flüchtlingen in Jordanien helfen.

Ihr wollt mitmachen? Dann stellt sicher, dass eure Schule sich angemeldet und Material angefordert hat. Dann sucht ihr euch einen Job. Mehr Infos zur Teilnahme eurer Schule am Sozialen Tag und zum Material findet ihr im Internet auf www.schueler-helfen-leben.de unter dem Menüpunkt „Sozialer Tag“.

Im Saal der Mensa ist es mucksmäuschenstill. An die Wand werden Fotos von ausgemergelten und verhungerten Menschen projiziert, die von der Zwangsarbeit im Konzentrationslager gezeichnet sind. Die Nationalsozialisten haben alle, die nicht ihren Rassen-Vorstellungen entsprachen, in solche Lager gesteckt und ermordet: Juden, Roma und Sinti.

Auch Eva Franz, deren Eltern Sinti waren, kam als Zweieinhalbjährige mit ihren Eltern und ihrer Schwester in ein solches Lager, nach Auschwitz. „Meine Schwester ist gleich in den ersten Tagen gestorben“, berichtet Eva Franz. In der Hand hält sie ein Taschentuch, um sich die Tränen wegzuwischen. Zunächst blieb die Familie noch zusammen im Lager.

Bald wurden Eva und ihre Mutter vom Vater getrennt. Mutter und Tochter wurden dann ins Konzentrationslager Ravensbrück verfrachtet, wo ihre Mutter dazu gezwungen wurde, Steine zu klopfen. Die kleine Eva saß daneben – das sind die einzigen Erinnerungen, die sie heute noch hat. Von Ravensbrück aus ging es ins Lager Bergen-Belsen, wo Evas Mutter starb. Eine Bekannte kümmerte sich vorerst um das kleine Mädchen.

Als der Krieg im Mai 1945 vorbei war, kam ihr Vater, der die Lager überlebt hatte, zu Evas Großmutter nach Fulda. Dort traf er die Bekannte, die ihm sagte, dass Eva noch lebt. Er fand sie dann in Bergen-Belsen, wo die überlebenden Kinder von Ordensschwestern betreut wurden.

Zwar liegen diese Ereignisse mehr als 70 Jahre zurück, doch jeden Tag sind die Erinnerungen präsent. Ihren Kindern hat sie nichts von all dem erzählt. „Ich wollte nicht, dass meine Geschichte sie belastet“, meint Eva Franz. Auch heute noch wird sie manchmal von Neonazis angefeindet, deshalb möchte sie ihr Gesicht nicht in der Zeitung zeigen.

Jeder Insasse eines Konzentrationslagers bekam eine Häftlingsnummer eintätowiert. „4176“ steht auf Eva Franz‘ linken Arm. Die Nummer ist ziemlich groß, da sie mit Eva Franz mitgewachsen ist. Entfernen lassen wollte sie die Nummer nicht: „Ich will mir nicht nochmal Schmerzen antun lassen deswegen.“ Einige Schüler kommen nach dem Vortrag zu Eva Franz und bedanken sich. „Wir waren stellenweise den Tränen nahe“, meint Viktoria. „Es hat mich sehr mitgenommen, so etwas von einer Zeitzeugin zu hören. Das ist etwas ganz anderes, als es im Fernsehen zu sehen.“

Verwandte Themen


Keine Kommentare